*bling*, Posteingang (1224)
Wenn Sie dies lesen, haben Sie schon wieder ein Feiertagswochenende genossen, sitzen entspannt mit einem ersten Kaffee im Büro und schalten den PC ein. Vorausgesetzt natürlich, Sie arbeiten im Tertiär- oder Quartärsektor. In andern Worten: Sie haben einen Bürojob. Und dann *bling*, und auf dem Bildschirm erscheint Posteingang (1224). Fertig lustig mit erholt vom Auffahrtswochenende, denn das heisst, dass eintausendzweihundertvierundzwanzig E-Mails reingekommen sind, die geprüft und in Weizen und Spreu geteilt werden müssen.
Natürlich haben wir einen Spam-Filter, eine Firewall und alles Mögliche in der Art. Dennoch kommen unglaublich viele Schrott-Mails rein. Ich reklamierte. Die Informatikleute schraubten daraufhin digital an irgendwelchen "Einstellungen" rum, und ich konnte ARBEITEN. Bis wir merkten, dass die Hälfte der Mails der Mandanten fehlten. Naja, ich müsse natürlich auch einen Blick auf den Spam haben, sagte die Informatik locker. Denn merke: Informatikleute sind IMMER locker, tragen seltsame Hosen und T-Shirts mit Aufdruck ("BLABLABLA" zum Beispiel). Vor 10 Uhr nehmen die kein Telefon ab, dafür arbeiten sie die ganze Nacht durch. Bref, ich müsse natürlich den Spam-Ordner auch anschauen.
Nun dient so ein Spam-Filter meiner unmassgeblichen Meinung nach exakt dazu, dass diese Mails eben gerade nicht angeschaut werden müssen. Wenn ich die Spam-Sammlung auch anschauen muss, bin ich ja wieder gleich weit, wie zuvor. Das Informatik-Team zuckte lässig die Schultern und stellte cool alles wieder zurück, kein Problem. Für sie jedenfalls. Sie werden schliesslich nicht nach jeder Abwesenheit mit einer fetten Zahl und *bling* begrüsst. Da verliert nur einer völlig den Spass an der Freude, und dieser eine bin ich.
Ich meine: Da fliegen sie auf den Mond, sie schnuppern am Mars, aber dass wir nur die Mails kriegen, die wir brauchen, das kriegt keiner hin.
Und nicht nur das. Ein neuer Drucker, ein neuer PC, und es dauert Stunden, TAGE, bis das Zeug läuft. Ein Update, und sie kleben wie Fragezeichen an den Bildschirmen, weil nichts mehr geht, den Telefonhörer in der Hand, irgendeine Hotline an der wireless-Strippe. Wenn's nur im Büro so wäre. Aber kaum sitzen Sie im Auto, rasen sieben rote Ausrufezeichen und gelbe Warnlämpchen über das Display des Armaturenbrettes und Sie schaffen es gerade noch schweissgebadet in die Garage. Der Garagist erscheint mit dem iPad, tippt auf den Touchscreen, und Sie können wieder gehen, die Lichterorgie hat aufgehört. Macht Franken fünfhundert.
Einen Touchscreen haben auch Sie, auf ihrem Handy, denn das ist in. Sie sitzen also, dem Auto entronnen und nach ein paar Atemübungen endlich entspannt, im Tram. Da hornt ein fetziger Tango los, Ihr Handyklingelton. Und Sie können und können und können nicht abnehmen, egal wie wild Sie auf dem Screen herum touchen, das Ding reagiert nicht, der Tango läuft zu Höchstform auf. Mit hochrotem Kopf verlassen Sie an der nächsten Haltstelle das Tram, laufen zum Shop (das Wort "Laden" wäre hier völlig unpassend) und der nette Mann, in solchen Shops immer in schwarzer Hose und weissem Hemd, kriegt's irgendwie wieder hin.
Irgendwann werden Sie aus irgendeinem Grund auf hartem Schragen in einen Operationssaal gekarrt, vielleicht Herzprobleme wegen zuviel Stress mit den Informatikleuten. Und fragen sich plötzlich, wieso eigentlich dort alles klappen soll, sind ja auch lauter Bildschirme, Computer und Sensoren, die Sie beatmen, einstellen, einschlafen und aufwachen lassen. Die Panik erfasst Sie knüppeldick, gerade noch bevor Sie computergesteuert das Bewusstsein verlieren.
21. Mai 2012
"Herr Speiser, Sie laufen gleich doppelt ins Leere"
Sehr geehrter Herr Speiser, vielleicht kriegen Sie erst mal die Bedeutung von Fremdwörtern und Spezialausdrücken auf die Reihe, bevor Sie zum Rundumschlag gegen "staatliche Verwaltungen etc." ausholen?
Ein schnelles "Googeln" (dafür sind Computer ja auch zu gebrauchen) hätte Ihnen gezeigt: "Der Tertiär- oder Dienstleistungssektor umfasst alle Dienstleistungen, die in eigenständigen Unternehmungen oder durch den Staat sowie in anderen öffentlichen Einrichtungen erbracht werden." ALLE Dienstleistungen, auch durch Privatunternehmen, sei es nun Handel, Versicherungen, Pharma, Hotellerie und so weiter. Zum von Ihnen erwähnten "Primärsektor" gehören zum Beispiel Land- und Forstwirtschaft. Wobei inzwischen vermutlich selbst Bauern und Förster ab und zu eine E-Mail schreiben oder beantworten müssen.
In Frau Strahms Beitrag geht es auch nicht ums Herumsenden von lustigen Youtube-Videos während der Arbeitszeit, sondern um die kostbare Zeit, die mit dem Sichten eines veritablen Mail-Tsunami täglich verloren geht, nolens volens, und zwar in Büros der Privatwirtschaft und der Staatsverwaltungen. (Neu ist mir auch, dass Büros "unterbeschäftigt" sein können – ich dachte immer, wenn schon, sind es die darin Arbeitenden.)
Ihre E-Mail, verehrter Herr Speiser, läuft also gleich doppelt ins Leere: Sie trifft den Kern dessen nicht, was Frau Strahm (zu Recht und in ihrer üblichen anschaulichen Art) bemängelt, und sie interpretiert Fachausdrücke wie "Primärsektor" falsch. Ob eine Mail wie die Ihre wohl in meinem Spam-Filter hängen geblieben wäre? Verdient hätte sie's.
Andrea Bollinger, Basel
"In unterbeschäftigten Büros wird herumgezappt"
Sie beschreiben das besagte Problem in Büros im "Tertiär-Sektor", was ja wohl heisst, staatliche Verwaltungen etc.. Das wundert mich überhaupt nicht, wenn eure PC's voll von Junkmails und Spams sind. Immer in unterbeschäftigten Büros wird im Internet herumgezappt, was das Zeug hält.
Ich kenne Leute in der BL-Verwaltung, welche beinahe täglich private Serienbriefe und andere lustige und sentimentale, teils auch anrüchige pps oder videos herumschicken. In Betrieben des "gewinnabhängigen" (d.h. nicht an automatischen Pfründen hängenden) Primär-Sektors werden solche Auswüchse bemerkt und die Mitarbeiter darin gemassregelt und zurückgebunden. Ergo, weniger Spams.
Jakob Speiser, Gelterkinden