Werbung

Claude Bühler – Premiere am Theater Basel

<< [ 1 | (...) | 111 | 112 | 113 | 114 | 115 | 116 | 117 | 118 | 119 | 120 | (...) | 180 ] >>

Theater Basel
Schauspielhaus

Premiere

"Die Unterrichtsstunde"

Autor: Eugène Ionesco

Regie: Werner Düggelin

Bühne: Raimund Bauer


Mit Marie Jung, Vincent Leittersdorf, Nikola Weisse


Wenn der Herr Professor mordet

Die neue Schülerin ist wirklich selber schuld. Dass sie nicht mehr zuhören will, das wird sie bereuen. Der Professor erklärt es ihr ja klar und deutlich:"Was die neo-spanischen Sprachen voneinander und wiederum von den Idiomen anderer Sprachgruppen unterscheidet, wie zum Beispiel der Gruppe der österreichischen und neo-österreichischen oder habsburgischen Sprachen, wie ebenfalls der Sprachgruppen des Esperanto, des Helvetischen, Monegassischen, Schweizerischen, des Andorrischen, Baskischen, Pelotischen und andererseits der Gruppen der diplomatischen und technischen Sprachen – was sie unterscheidet, sage ich, ist ihre frappierende Ähnlichkeit."

Alles klar? Herr Professor ist bei der Philologie angekommen, seinem Spezialgebiet. Enorme und geniale Monolog-Kaskaden wie eben beweisen es. Aber die undankbare Schülerin unterbricht ihn dauernd. Sie hat jetzt "Zahnweh". "Machen Sie sich doch Notizen", herrscht er die Ungehorsame an. Der Professor verliert die Geduld. Die Eskalation nimmt ihren Lauf.

"Die Unterrichtsstunde" von 1951 hat keine weitere Handlung als eben die Privatlektion der jungen Schülerin beim Herrn Professor. Sie endet tödlich. In dem "komischen Drama" (Ionesco) bemüht der gestandene aber hilflose Herr zunächst vergeblich die Wörter, die Bildungshierarchie, um der jungen Göre beizukommen. Am Ende langt er zum Messer.

Inspiriert hatten Ionesco zum Stückeschreiben das Geschwätz ("Das Surreale ist mit Händen zu greifen, es ist vorhanden – im Alltagsgeschwätz") und ein Sprachkurs. Der Professor paukt automatenhaft: "Bitte übersetzen Sie auf neospanisch: Die Rosen meiner Grossmutter sind ebenso gelb wie mein Grossvater der Chinese war." Die Premieren-Zuschauer in der Kleinen Bühne lachten, schüttelten den Kopf, hielten die Hände vors Gesicht. Ionescos Komik lotet tief in unseren Gründen.

Die Privatlektion ist ab Start ein pointenblitzendes Wort- und Gestenduett. Schon die Kennenlernfloskeln werfen den Herrn Professor aus der Bahn. Die Schülerin ist "ja noch so jung", entfährt es ihm. Sie stelle sich ihm "ganz zur Verfügung", sagt sie. Eine von vielen Irritationen. Schrecklich für ihn: Er unterliegt gegen sie in einem grotesken Multiplikationsduell. Die Schülerin hatte alle "möglichen Resultate auswändig gelernt". Mit unbefangenen Fragen zwingt sie ihn zum Bekenntnis, dass er noch nie in Paris war. Eine Wunde. Sofort lässt er sie wie zur Strafe Additionen ackert.

U
nd dann ist da noch Marie, sein Dienstmädchen, die unverhofft in die Lektion hereinplatzt. Offenbar mit den Zuständen des Professors bestens bekannt warnt sie ihn, sich nicht aufzuregen. Er soll auf die Mathematik-Lektion (die völlig scheitert) ja nicht die Philologie folgen lassen. Aber der Professor tut es natürlich und er hebt ab (siehe Anfang), die Schülerin quengelt, am Ende zieht er ein grosses Messer aus der Schublade und lässt das Wort "Messer" ("Sagen Sie Messer!") prononcieren. Dann sticht er zu. Röchelnd er: "Das hat mir gut getan". Marie bringt die Pointe: "Schon die Vierte heute". Und draussen an der Tür klingelt bereits die nächste Schülerin.

Aber gerade die offensichtlich sexuelle Komponente hat Regie-Senior Werner Düggelin knapp, ja trocken abgehandelt. Kein Orgasmuszuckung beim Erstechen, auch sonst keine "lüsternen Blicke", was Ionesco wollte. Ja, Düggelin inszeniert den Professor, die Schülerin, das Dienstmädchen (Weisse) als Figuren ohne Trieb, ohne Sex, ohne Psychologie.

Düggelin verlässt sich darauf, dass die Komik im Duett Professor-Schülerin auch ohne seelischen Hintergrund oder schauspielerische Stilisierung funktionieren soll. Der Professor (Leittersdorf) redet zwar seine Verrücktheiten, aber wir riechen die Schaltstelle nicht, die durchgebrannt ist. Der Ton ist normal verständig, mit dem die Schülerin (Jung) gegen den tyrannischen Lehrer aufmotzt. Keine Exaltiertheit am Ende. Dass sie ein Ehrgeiz-Opfer der Eltern ist, entnehmen wir dem Text, nicht dem Ton.

Die Irrläufe der Persönlichkeiten zeigt eine Drehbühne, auf der die Figuren gelegentlich im Kreise drehen. Anstelle erweiterter Dynamik ertönt schon bald cholerisches Gebrüll. Das böse Ende spürt man nicht im Grunde der Personen, man denkt es sich aus der Logik des Texts.

Das Publikum lacht. Die Pointen sitzen. Das Ensemble ist routiniert genug, sie kalkuliert zu setzen. Die Welt, die der Text (Übersetzung: Düggelin) schafft, ist stark genug. Aber einem Drama, der getrimmten Schülerin, des Professors auf autistischer Weltflucht, haben wir nicht beigewohnt. Eher einer Farce.

Es ist eine Aufführung der ins Leere laufenden Signale. Bezeichnend dafür ist auch, dass Düggelin am Anfang und Ende kurz Handorgel-Musette einspielt. Aber hier geht es nicht um eine Anheimelung des Stückes ins Paris des letzten Jahrhunderts, sondern um ein Zitat. Es korrespondiert mit dem Schwarzweiss-Foto als Bühnenhintergrund, das eine Pariser Stadtwohnung darstellen könnte. Zu dem Zitat-Inventar gehört auch das Dienstmädchen: Rotgeschminkte Wangen, brauner Seitenscheitel wie in den vierziger Jahren, fast zu grosser Knie-Jupe.

Als Prolog gabs "Die Sonate und die drei Herren" von Jean Tardieu, einem Zeitgenossen Ionescos. Das Publikum applaudierte heftig nach dem einstündigen Abend.

17. November 2011
 Ihre Meinung zu dieser Kolumne
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)
Claude Bühler, ist Journalist und Schauspieler in Basel. Er arbeitete erst als Freier Journalist bei Printmedien sowie als Medienverantwortlicher von act entertainment. Lange Jahre war er Redaktor und Produzent bei Telebasel. Heute arbeitet er als Redaktor bei "Prime News". Als Schauspieler war er in verschiedenen Regie-Arbeiten der Basler Schauspielerin und Regisseurin Ingeborg Brun sehen, beispielsweise als Jean in "Fräulein Julie" (A. Strindberg), aber auch als Professor Siebegscheit im Märli "Froschkönig" des Theater Fauteuil oder als Lucky in "Warten auf Godot" (S. Beckett) des Theater Marat Sade. © Foto by OnlineReports.ch

Claude.Buehler@gmx.net

(Die Kolumnisten sind in ihrer Meinung frei;
sie braucht sich nicht mit jener der Redaktion zu decken.)

www.onlinereports.ch
© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigenen Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

 

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Bais steht vor Gewissens-Entscheid"

OnlineReports.ch
Im Titel des Newsletter-Textes vom 18. April 2024 über die SVP-Basis.
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Auch Nomen sind Glückssache.

RückSpiegel

 

Das Regionaljournal Basel veweistin einem Beitrag über die Probleme der Kitas im Baselbiet auf OnlineReports.

Der Klein Report nimmt die Recherche von OnlineReports über Roger Blums Buch über die Basellandschaftliche Zeitung auf.

Die BaZ bezieht sich in einem Artikel über die Zerwürfnisse in der Baselbieter SVP auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Kita-Krise im Baselbiet auf OnlineReports.

BaZ, Baseljetzt und Happy Radio nehmen die OnlineReports-News über das geplante Ministertreffen in Basel auf.

Der Sonntagsblick zitiert OnlineReports in einer grossen Recherche über die Baselbieter SVP-Politikerin Sarah Regez.

Baseljetzt verweist im Bericht über Basler Schiffsunfälle auf ein OnlineReports-Video.

Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.
 

Weitere RückSpiegel

Werbung







In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).