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© Fotos by Ruedi Suter, OnlineReports.ch
"Ins alte Rom zurückversetzt": In Basel beschlagnahmte Kulturgüter aus Italien

Basel verwaltet dubiose Raubgräber-Beute aus Italien

Ein immenser, aber zwielichtiger Kultur-Schatz hält Basler Kriminalisten weit über Gebühr und fern ihrer Kernaufgaben auf Trab


Von Ruedi Suter


Enorme archäologische Schätze aus italienischen Raubgrabungen hatte in Basel ein Kunsthändler-Ehepaar gehortet. Jetzt, nach neun Gerichtsfällen, werden Italiens Gerichtsbehörden zur Beweisführung gegen den Mann 4'400 der höchstwahrscheinlich illegalen Kostbarkeiten ausgeliehen. Der Fall dürfte die Basler Staatsanwaltschaft trotz bislang gigantischem Aufwand aber noch lange beschäftigen.


Der Konvoi wird unter Polizeischutz die Schweiz durchfahren müssen. Keinesfalls soll die kostbare Fracht zwischen Basel und Chiasso abhanden kommen. Indem beispielsweise ein paar der vier bis sechs gen Süden rollenden Sattelschlepper trickreich umgeleitet werden, um mitsamt ihrem Inhalt im Nichts zu verschwinden. Bereits vor Jahren einmal ist die wertvolle Fracht im Nichts verschwunden.

 

Das Nichts heisst Basel, wie sich später herausstellen sollte. Hier lagen die archäologischen Kostbarkeiten in den Lagerräumen eines Ehepaars, das seine Kunsthandlung offensichtlich mit nicht immer feinen Methoden betrieb. Er ist Italiener mit teils zweifelhaften Kontakten bis ins Raubgräber-Milieu, sie eine handelstüchtige Dame aus Deutschland. Vor neun Jahren aber sah sich das Paar mit plötzlichem Ärger konfrontiert. Kriminalisten der Basler Staatsanwaltschaft wollten ihre drei Lagerräume angucken.

 

In der Tasche hatten sie einen Brief mit dem Absender der Staatsanwaltschaft in Rom. Diese hatte wegen vermuteter Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation, illegalem Kulturgütertransfer, Hehlerei und Nichtanmeldung von archäologischen Funden ein internationales Rechtshilfeersuchen formuliert und ihre Kollegen in Basilea gebeten, bei der Sicherstellung von archäologischen Kulturgütern behilflich zu sein. Das Ausgegrabene könne illegal ausgeführt worden sein. Dann gehöre es, sofern es aus Italien stamme, dem Staat und nicht dem Ehepaar. Die Italiener beriefen sich auf ein Gesetz von 1939, wonach alle Antiquitäten in ihrer Erde einzig nostra Italia gehören.

Erster Eindruck: "Erschlagende" Schätze

So schafften sich die Basler Fahnder Zugang zu den verdächtigen Lagerräumen – um also gleich einen Kultur-Schock zu erleben. "Als wir die Räume aufmachten, fühlten wir uns ins alte Rom zurückversetzt", versuchte Kriminalkommissär Mario Plachesi das Erlebte an der heute Donnerstag im "Waaghof" einberufenen Medienkonferenz zu schildern. Die sagenhaften Schätze aus der Zeit zwischen dem achten und zweiten Jahrhundert , die da in Form von wunderbaren Vasen, filigranen Figuren, Goldschmuck, Waffen, Pferdegeschirr und schweren Stehlen gehortet waren und teils aus der etruskischen und klassisch-römischen Kultur stammen, liessen die ratlosen Ordnungshüter bald Hilfe bei den Spezialisten der Basler Kantonsarchäologie anfordern. Diese zeigten sich laut Plachesi "ebenso erschlagen wie wir".

Guido Lassau (Bild), Kantonsarchäologe und Leiter der archäologischen Bodenforschung sprach gegenüber OnlineReports von "unglaublichen Dimensionen", welche die Schätze darstellten. "Es ist absolut tragisch, was da passiert ist", meinte Lassau zudem mit Blick auf die Zerstörung der Kammergräber und Fundstellen durch die Grabräuber und ihre Hintermänner vorab in Mittelitalien und Apulien. Die Räuber hätten nicht nur ein wichtiges historisches Erbe zerstört, sondern gleichzeitig auch alle Zusammenhänge und Informationen kaputtgemacht, die wichtige Erkenntnisse über die Lebensweise der damaligen Menschen hätten liefern können.

Kriminalisten als Packer und Zügler

Für die Basler Staatsanwaltschaft begann mit der Entdeckung der Lagerhallen die "Aktion Vase" – und eine noch nie erlebte Herausforderung. Alle 80 Mitarbeitenden wurden irgendwann während den letzten sieben Jahren aufgeboten, sich mit dem Fund zu beschäftigen. Mit grösstem Respekt und auch etwas Angst habe man sich an die zerbrechliche Ware gemacht. Denn alle 5'800 Gegenstände und zahlreiche geschichtsträchtige Scherben mussten in monatelanger Arbeit registriert, von zwei Seiten fotografiert, beschriftet, verpackt und gelagert werden. Vor fast mehr als drei Jahren galt es zu allem Überdruss noch,  die Schätze von den teuren Lagerräumen in geeignete Zivilschutzunterkünfte zu zügeln.

So mussten die Ermittler mit sachkundiger Unterstützung der Archäologischen Bodenforschung die Preziosen in mit Styropor gefüllte und für 12'000 Franken gekaufte Schachteln verpacken. Und da keine Versicherung die Fracht mit ihren vielen bemalten Vasen aus Apulien versichern wollte, blieb den Kriminalisten nichts anderes übrig, als die Schachteln und Kisten selbst in die Lastwagen des Zivilschutzes zu wuchten, sie festzuhalten und im Schritttempo durch die Stadt zu fahren – unter Polizeischutz, versteht sich. "Was nur schon an logistischen Problemen auf uns zukam, war irre", erinnert sich Mario Plachesi.

Italien will Gegenstände zur Beweisführung

Bald aber wird das gesicherte und geheim gehaltene Lager weitgehend geleert, erklärte der zuständige Staatsanwalt Thomas Homberger. Denn nun sollen "in den kommenden Wochen" 4'400 Gegenstände nach Italien zurückgeführt werden. Leihweise. Dies nach 140 gefüllten Bundesordnern, sieben Verfahrensjahren, acht Gerichtsverfahren und dem abschliessenden Verdikt des Schweizerischen Bundesgerichts vom 12. November 2007. Drei Jahre lang sollen die beschlagnahmten Antiquitäten den Römer Untersuchungsbehörden als Beweismittel im Gerichtsfall gegen den nun in Italien lebenden Händler aus Basel zur Verfügung stehen.

Für die Mitarbeitenden der Staatsanwaltschaft heisst dies jetzt konkret: Wieder in die zur Schatzkammer umgebaute Zivilschutzanlage steigen, wieder die Kostbarkeiten auspacken, wieder fotografieren und so bereitlegen, dass sie die Spediteure aus Italien problemlos einpacken und auf die Sattelschlepper verteilen können. Über die Identität des Händler-Ehepaars und über den Wert aller Antiquitäten zusammen durfte sich Homberger nicht näher äussern.

Sehr viel Geld im Spiel

Die in Basel auf freiem Fuss lebende Händlerin habe allerdings zugegeben, dass "ein Grossteil der Ware über illegale Wege" beschafft worden sei, dies aber später widerrufen. Ob das seit den achtziger Jahren handelnde Ehepaar seine heisse Ware an Museen oder Sammelnde verkauft hat, konnte Thomas Homberger (Bild rechts) bislang nicht nachweisen. Der Wert aller Objekte dürfte einen zweistelligen Millionenbetrag erreichen. Sämtliche Kosten der "Aktion Vase" werden aus der baselstädtischen Staatsschatulle berappt und nicht an Italien verrechnet. Das gebietet das internationale Rechtshilfeabkommen. Für Basel sind gemäss Markus Melzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft, bislang über 100'000 Franken Unkosten aufgelaufen.

In der Schweiz und anderswo vermuten Spezialisten noch unzählige illegale Privatsammlungen mit teils schwindelerregenden Werten. Laut Tania Esposito (zweite von links) von der Fachstelle internationaler Kulturgütertransfer des Bundesamts für Kultur werde hierzulande dank des nun drei Jahre alten Bundesgesetzes über den internationalen Kulturgütertransfer und die Vollziehungsverordnung der illegale Handel und Schmuggel mit Kulturgütern immer schwieriger. Die Aus- und Einfuhrregeln seien deutlich verschärft worden.

Die "Aktion Vase" könnte die Basler Staatsanwaltschaft aber noch über Jahre hinaus beschäftigen, tönte Homberger an. Im besten Fall verurteilen die italienischen Behörden den Angeklagten innerhalb der nächsten drei Jahre rechtskräftig. Dann können sie mit einem neuen Rechtshilfeersuchen von den Baslern die endgültige Herausgabe der Kunstgegenstände verlangen. Wird der Händler aber nicht verurteilt, muss sich der Konvoi aus behutsam beladenen Sattelschleppern wieder in Fahrt setzen – diesmal Richtung Norden, zurück nach Basel. Und hier müsste vieles wieder von vorn aufgerollt werden.

6. November 2008


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