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"Dynamisch voran": Fiege-Sitz in Münchenstein BL
Logistik-Firma Fiege im Visier der Baselbieter Justiz
Umstrittene Bilanz: Strafverfolgungsbehörden ermitteln wegen Urkundenfälschung
Von Peter Knechtli
Die in Münchenstein domizilierte Transportfirma Fiege AG steht im Fokus der Baselbieter Justiz: Das Besondere Untersuchungsrichteramt in Liestal ermittelt wegen Urkundenfälschung gegen das Unternehmen, wie es OnlineReports gegenüber bestätigt.
In der Region Basel sind wohl Lastwagen mit dem "Fiege"-Signet zu sehen, aber zu den bekannten Firmen gehört die Firma - heute unter "Fiege Logistik (Schweiz) AG" firmierend - nicht. Selbst Transportspezialisten wissen wenig oder gar nichts über das Unternehmen. Die Schweizer Tochtergesellschaft des deutschen Konzerns, die auf die traditionsreiche Basler Speditionsfirma Goth & Co zurückgeht, war 1997 von Fiege übernommen worden. Eigentümer sind die Gebrüder Hugo und Heinz Fiege. Auf der "Fiege"-Website sind optimistische Töne zu vernehmen: "Dynamisch treiben wir die weitere Expansion unserer Standorte voran", heisst es da.
Untersuchung offiziell bestätigt
Ob es dem Unternehmen "mit Standorten in der Schweiz, Belgien und Ostasien und weltweit mit Agenten in 45 Ländern" diesem Eindruck entsprechend gut geht und vor allem ging, ist zumindest zweifelhaft. Das auch für Wirtschaftskriminalität zuständige "Besondere Untersuchungsrichteramt" (BUR) in Liestal ermittelt gegen die Fiege AG wegen Urkundenfälschung.
BUR-Chef und Untersuchungsrichter János Fábián bestätigte OnlineReports vorliegende Informationen, dass gegen Fiege eine Strafuntersuchung hängig ist. Worum es im Detail geht, wollte der Ermittler nicht angeben. Laut unbestätigten Angaben eines Zeugen soll die Fiege-Bilanz für das Jahr 2001 beträchtliche Unregelmässigkeiten aufweisen.
Zivilgericht schreitet ein
Testiert wurde die jetzt im Visier der Strafverfolger stehende Bilanz durch eine Revisionsstelle, der ein Basler Politiker nahe steht. Seinen Namen darf OnlineReports aufgrund einer von ihm angestrengten Vorsorglichen Verfügung des Zivilgerichts Basel-Stadt nicht nennen. Gegenüber OnlineReports lehnte er jegliche Beantwortung von Fragen unter Berufung auf die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ab.
Damaliger Verwaltungsratspräsident - am 12. August dieses Jahres zurückgetreten - war Andres Bühler, CEO ist Thomas Knopf und CFO Christian Zesiger. Auf die Anfrage von OnlineReports zeigte sich Finanzchef Zesiger "doch sehr überrascht". Sowohl die "schwer wiegende Anschuldigung" wegen Bilanzschönung wie das eröffnete Strafverfahren seien "für mich völlig neue Tatbestände". Zur Beantwortung der vor mehreren Tagen gestellten OnlineReports-Fragen müsse er erst den Rat des Hausjuristen einholen, was dauern könne.
Aus der vorläufigen Firmen-Antwort - OnlineReports wird weitere Angaben durch Fiege ausführlich veröffentlichen - kann geschlossen werden, dass die verantwortlichen Organe bisher noch nicht einvernommen wurden.
Kapitalherabsetzung: Gläubiger gedeckt?
Sicher ist: Die Fiege AG schrieb rote Zahlen. Der Revisorenbericht zuhanden der Generalversammlung, an der über die Herabsetzung des Aktienkapitals entschieden wurde, weist für das Jahr 2002 einen Verlust von 5,32 Millionen Franken aus. Vergangenes Jahr musste die Fiege AG durch Herabsetzung des Aktienkapitals von 4,77 Millionen auf 2,7 Millionen Franken eine Unterbilanzierung aus dem Weg räumen und damit Sanierungsmassnahmen abwenden, die aufgrund des Obligationenrechts unumgänglich gewesen wären. Denn zeigt die letzte Jahresbilanz, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist, "so beruft der Verwaltungsrat unverzüglich eine Generalversammlung ein und beantragt ihr Sanierungsmassnahmen".
Die Revisionsstelle schreibt in ihrem Bericht, die Forderungen der Gläubiger seien auch nach durchgeführter Herabsetzung des Aktienkapitals "voll gedeckt". Ob diese Einschätzung korrekt war und ob die Bilanz für das Jahr 2001 geschönt war, wird das Untersuchungsrichteramt jetzt klären. Aus der Tatsache, dass die Ermittler ein Strafverfahren eröffneten, kann zumindest geschlossen werden, dass es über die entsprechenden Verdachtsmomente verfügte. BUR-Chef János Fábián enthielt sich jeder Information. Das Einzige, was er sagte: Der Ausgang des Verfahrens sei "zur Zeit völlig offen".
10. Oktober 2004
Weiterführende Links:
FIEGE: VERSCHWIEGEN
Keine Zahlen für 2003
Ob Seefracht, Luftfracht oder EU-Transporte, ob Chemie-, Papier- oder Pharmalogistik - Fiege bietet sich auf ihrer Website als "die optimale Lösung" an. Bezüglich Zahlenmaterial zeigt sich das Familienunternehmen indes mehr als spartanisch. Die Schweizer Tochtergesellschaft verfügt nach eigenem Bekunden über 420 Mitarbeitende. Für das Jahr 2003 nennt Fiege keine kommerziellen Zahlen. Die aktuellste Angabe geht zurück auf das Jahr 2002, für das ein Umsatz von 230 Millionen Franken Umsatz genannt wird. Gewinn- oder Verlustzahlen werden keine bekannt gegeben. Öffentlich zugänglich sind Gewinn- und Verlustergebnisse jedoch aufgrund der Kapitalreduktion vom Juli vergangenen Jahres.
FIEGE: REAKTION AUF ONLINEREPORTS
From: M.
Date: Sun, 10 Oct 2004 17:40:03 +0200
To: <redaktion@baz.ch>, <redaktion@onlinereports.ch>, <info@bz-online.ch>, <redaktion@basel1.ch>, <redaktion@basilisk.ch>, <redaktion@telebasel.ch>, <redaktion.basel@20minuten.ch>, <redaktion@baslerstab.ch>
Cc: "Christian Zesiger" <czesiger@fiege.ch>, "Thomas Knopf" <tknopf@fiege.ch>
Subject: Medienmitteilung der Fiege AG
Subject:
Medienmitteilung der Fiege AG
Wichtig und Express
M E D I E N M I T T E I L U N G D E R F I E G E
L O G I S T I K S C H W E I Z A G
Sehr geehrte Damen und Herren
Im Zusammenhang mit der Berichterstattung von “Onlinereports” haben verschiedene Medien unter Zitatnachweis über diese Sache berichtet. Die verantwortlichen Organe der Fiege AG, sowie der Vertreter der Revisionsstelle, möchten auf die folgenden Punkte aufmerksam machen:
Onlinereports hat wie folgt darüber berichtet:
(...)
Auf Anfragen von Onlinereports hat die Revisionsstelle geantwortet, dass sie auf Fragen infolge Berufsgeheimnis nicht antworten kann und darf, der verantwortliche CFO hat geantwortet, dass er diesen ihm unbekannten Sachverhalt zuerst abklären muss. Die Berichterstattung von Onlinereports ist suggestiv (wir verweisen auf Onlinereports) und vermittelt den Eindruck, dass die Organe der Fiege AG strafrechtlich relevant gehandelt hätten und es dem Unternehmen wirtschaftlich schlecht ging, respektive geht. Dies trifft nicht zu.
Wir möchten an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass es jetzt unseres Erachtens nichts zu berichten gibt. Infolge der Anfragen von Herrn Knechtli (Onlinereports), ob uns bekannt sei, dass Untersuchen im Gange sind, hat sich die Fiege AG umgehend (6.10.2004) bei den Behörden informiert. Bis jetzt existiert eine Strafanzeige, die eingereicht wurde und die Untersuchungsbehörden haben die Pflicht, dieser nachzugehen. Angaben zum Inhalt wurden trotz Anfrage durch Fiege seitens der Behörden keine gemacht. Aus diesem Grunde kann zum jetzigen Zeitpunkt über den Inhalt der Anzeige noch über den Anzeigensteller sich niemand dazu äussern. Weiter ist es auch nicht bekannt, wie diese Informationen an die Medien gelangten. Es besteht die Vermutung, dass der Anzeigensteller gleichzeitig Medien und Untersuchungsbehörden informiert hat. Eine Berichterstattung im jetzigen Zeitpunkt käme einer Vorverurteilung und Rufschädigung gleich.
Da der Inhalt der Anzeige den Organen der Fiege AG unbekannt ist, kann auch nicht Stellung bezogen werden.
Die Unterzeichner sind über die Berichterstattung von „Onlinereports“ enttäuscht und werden eine Gegendarstellung verlangen.
Sobald mehr bekannt ist, wird die Fiege AG nicht zögern, die Presse zu informieren.
Die Gesellschaft Fiege in der Schweiz hat eine 135-jährige Tradition und zählt in den Bereichen Spedition und Logistik zu den Marktführern.
Ohne Rücksprache mit den Verantwortlichen der Fiege AG erachten wir eine Berichterstattung deplaziert.
Fiege AG
Thomas Knopf Christian Zesiger Dr. M.
CEO CFO Revisionsstelle