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"Entscheid in 15 Minuten": Geschäftsprüfer Jan Goepfert und Urs Müller

"Siemens zog die BVB über den Tisch"

Hauptschuld am Grounding der Combino-Trams trägt nach Meinung der grossrätlichen Geschäftsprüfer der deutsche Hersteller


Von Peter Knechtli


Die Hauptschuld am Basler Combino-Tramdebakel trägt Hersteller Siemens. Zu diesem Schluss kommt die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates in einem heute veröffentlichten Bericht. Siemens hatte dem Kanton Basel-Stadt nicht erprobte Niederflur-Trams als "bewährte Technologie" und unter einer Norm verkauft, die für den Combino gar nicht gilt.


OnlineReports war das erste Medium, das über das Combino-Debakel berichtete: "Ganze Flotte in der Reparatur", heisst der Titel des Berichts vom 15. Oktober 2003. Die Rede war damals schon von massiven Belastungsschäden an tragenden Teilen der modernsten Basler Tram-Generation, ohne dass das Kantonsparlament davon wusste. Einzig SVP-Grossrat Kurt Bachmann nahm das Thema auf und machte es zum Traktandum im Grossen Rat. Ein halbes Jahr später war das Debakel perfekt: Am 12. März vergangenen Jahres liessen die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) auf Veranlassung von Hersteller Siemens die ganze Flotte von 28 Niederflur-Trams aus Sicherheitsgründen vorübergehend stilllegen. Betroffen war nicht nur Basel, sondern zahlreiche Städte weltweilt - von Potsdam über Prag bis Hiroshima.

Siemens machte Basel blind

Eine eigens gebildete Subkommission der Geschäftsprüfungskommission (GPK) unter dem Präsidium von Urs Müller, dem Fraktionspräsidenten des "Grünen Bündnisses", stellte heute Montag ihren Untersuchungsbericht den Medien vor. Als Hauptschuldige, ohne ihn wörtlich als das zu bezeichnen, nennt der Bericht den Hersteller Siemens. Seiner geschickten Verkaufspolitik sei es zuzuschreiben gewesen, dass Basel-Stadt in zentralen Fragen weitgehend blind in den Kauf von 28 Niederflur-Trams des Typs Combino einwilligte.

So gelang es Siemens, Basel-Stadt kostengünstig eine angeblich "bewährte und robuste Technologie" zu verkaufen, obschon laut dem von den BVB zugezogenen Experten Ulrich Hindenlang erst ein Prototyp auf den Schienen stand. Die BVB - und somit auch ihr Präsident, Wirtschaftsminister Ralph Lewin - und letztlich der Grosse Rat waren dagegen der freudigen Auffassung, zum Preis um 100 Millionen Franken ein kostengünstiges "Tram ab Stange" beschaffen zu können.

Falsche Norm angewendet

Wie sich jetzt zudem herausstellte, unterlegte Siemens aber ihr Angebot mit einer Festigkeits-Norm ("VDV Norm 152"), die gar nicht für die Niederflur-Technik gilt, sondern nur für die konventionelle Rad/Schiene-Technik. Der Clou: Siemens gelang es auch, die Anwendung der für Combinos nicht gültigen Norm an sämtlichen Aufsichtsgremien wie der deutschen "Technischen Aufsichtsbehörde" vorbei zu schmuggeln, so auch am schweizerischen Bundesamt für Verkehr. Der liberale Grossrat Martin Hug: "Niemand merkte es oder wollte es merken." Selbst die BVB hatte die falsche Norm in die Ausschreibung übernommen - für die GPK "unerklärlich". "Ja, ich bin der Meinung, die BVB seien von Siemens über den Tisch gezogen worden", sagte DSP-Grossrat Markus Benz an der Medienkonferenz.

Die parlamentarischen Geschäftsprüfer erhellen in ihrem Rückblick einen Befund teilweise grotesker Verirrungen im politischen Tagesgeschäft. So liessen sich BVB und Regierung, aber auch der Grosse Rat von einer regelrechten "Euphorie" über den günstigen Preis und die neue Technologie anstiften, die keine professionelle Distanz und Selbstkritik mehr zuliess. Kritiker seien zu Unrecht als "Nestbeschmutzer" und selbsternannte Experten verunglimpft worden. Unglaublich: Für die Beschaffungsvorlage verwendete der Grosse Rat am 11. November 1998 nur gerade 15 Minuten. Dabei schwieg sich die Vorlage von Regierungsrat Ralph Lewin zu wichtigen Problemfeldern aus. So enthielt sie keine Information darüber, dass der Combino die Schienen deutlich stärker abnützt als konventionelles Rollmaterial, weil die Übertragung von Kräften und Schwingungen laut dem GPK-Bericht "viel grösser" ist: "Die finanziellen Vorteile des Combinos wurden so stark gewichtet, dass technische Überlegungen in den Hintergrund traten".

Ein "fahrfähiges Modell" als Referenz

Der Report legt auch dar, wie sich der Elektronikkonzern Siemens mit der Übernahme der Firma Düwag Strassenbahn-Knowhow erwarb und durch den erstmaligen Verkauf eines "fahrfähigen Niederflurmodells" an die Stadt Potsdam im internationalen Wettbewerb günstig zu positionieren vermochte. "Siemens etablierte damit ein ungenügend getestetes Modell auf dem Markt." Dies, obschon bereits ab 1996 kritische Experten wie der von der GPK zugezogene Berater Dieter Doege, aber auch ehemalige Düwag-Konstrukteure und Siemens-Mitarbeiter Zweifel an der Niederflur-Technik anbrachten, aber kein Gehör fanden.

BVB kommt relativ gut weg

Eher milde geht der Bericht mit den BVB um. Dies ist vielleicht auch damit zu erklären, dass der BVB-Verwaltungsrat grossmehrheitlich aus Grossräten besteht. Bemängelt wird die über weite Strecken "nicht befriedigende Informationsarbeit" und der Mangel an kritischer Distanz gegenüber Siemens. "Gut" hingegen sei das BVB-Krisen-Management rund um das "Grounding" gewesen.

Die GPK-Subkommission empfiehlt, die BVB soll bei den nächsten grossen Beschaffungsvorlagen - ein Projekt steht zusammen mit der Baselland Transport AG bevor - "externe Beratung beiziehen". Auch sollen die BVB künftig "Teilniederflurangebote mit teilweise konventionellen Drehfahrgestellen ernsthaft prüfen". Schliesslich müsse Kritik künftig ernster genommen und die Informationsarbeit verbessert werden.

Zeitbombe Schienenabnützung

Direkte Schäden aus dem Debakel sollten Basel keine entstehen, da Siemens einerseits Schadenersatz zahlte und anderseits für die vollen Sanierungskosten von zwei Millionen Franken pro Combino aufkommt. Gegenüber OnlineReports erklärte Nahverkehrs-Experte Dieter Doege, dass mit der starken Abnützung des Schienennetzes eine finanzielle Zeitbombe ticken könnte, die durch Vereinbarungen mit Siemens nicht gedeckt sind.

20. Juni 2005


REAKTIONEN

Als "äusserst dürftig" taxiert die SVP den Bericht einer "hoffnungslos überforderten Subkommission". Öffentlichkeit und Parlament seien durch die BVB-Verantwortlichen "in mehreren entscheidenden Punkten unvollständig oder gar falsch informiert" worden. Es ist eine "traurige Tatsache, dass die Kernfrage, immer noch nicht beantwortet ist", nämlich: Zu welchem Zeitpunkt den BVB-Verantwortlichen die schwerwiegenden Combino-Mängel bekannt waren. Die SVP ist der Meinung, dass auch in Basel "die verantwortliche Person in die Pflicht genommen und zur Rechenschaft gezogen wird".


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"Auch der Kopf von Frau Zanolari sollte rollen"

Einmal mehr ist es für mich unverständlich, wie die Damen und Herren der SVP sich soweit aus dem Fenster lehnen können. Sitzt doch Ihre Präsidentin schon seit mehreren Jahren als Grossrätin für die SVP im Verwaltungsrat der BVB. Dies wohlverstanden für ein nicht kleines Sitzungsgeld. Dort hat aber auch sie scheinbar nur zugeschaut und nichts unternommen. Deshalb fordere ich, dass künftig nur noch Personen, die etwas von der Materie verstehen, in solche Gremien gewählt werden. Auch hat Herr Bachmann, seines Zeichens ebenfalls Grossrat, immer nur den Mund weit aufgerissen zum Thema Combino-Debakel, ohne wirkliche Lösungsvorschläge zu bringen. Als Nächstes wird die SVP sicherlich wieder einen Köpferollen fordern. Dabei sollte dann aber auch der Kopf der Verwaltungsrätin aus ihren Reihen rollen.


Philipp Schopfer, Alt Grossrat SBP, Basel




"Auch SVP machte Hausaufgaben ungenügend"

Die SVP ist der Meinung, dass auch in Basel "die verantwortliche Person in die Pflicht genommen und zur Rechenschaft gezogen wird". Selbstherrlich hat dabei die SVP übersehen, dass auch ihre Politiker involviert sind, da auch sie ihre Hausaufgaben im Grossen Rat scheinbar ungenügend erledigten.


Bruno Heuberger, Oberwil



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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

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In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).