© Foto by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
"Nur schlecht vernarbt": Bäumleingasse 2, ehemaliger "P-26"-Geschäftssitz
"P-26"-Putsch-Theorie: "Absurd und ehrenrührig"
Das Buch über die geheime Schweizer Widerstandsorganisation aus dem Kalten Krieg und ihre politisch-historische Aufarbeitung
Von Christof Wamister
Für die Generation, die mit 9/11, Facebook und iPhone aufgewachsen ist, gehört der Kalte Krieg zu einer fernen Epoche, die allerdings erst vor 22 Jahren zu Ende gegangen ist. Mit befremdetem Erstaunen dürften sie zur Kenntnis nehmen, dass es in der Schweiz zwischen 1979 und 1990 eine geheime Organisation gab, die den Widerstand im Land nach einer Besetzung durch eine fremde Macht – im Klartext war das die Sowjetunion – hätte aufbauen müssen. Doch der Ostblock implodierte zwischen 1989 und 1991, und die Enttarnung der Organisation mit dem Decknamen "P-26" geriet zum handfesten Skandal.
Die Wunden, die damals geschlagen wurden, sind nur schlecht vernarbt. In einer Kolumne in der "Basellandschaftlichen Zeitung" vom 22. Februar dieses Jahres kritisierte alt Grosrat Roland Stark (SP) den früheren Basler Polizeikommandanten Markus Mohler (LDP), der nun in der Diskussion um die Massnahmen gegen Fussball-Hooligans als "Experte für Menschenrechte" gehandelt werde. Dabei sei Mohler früher ein knallharter Vertreter von "law and order" und ein Mitglied der "Geheimarmee P-26" gewesen.
In einem Brief an Stark ohne Anrede und Grussformel bezeichnete dies Mohler als Diffamierung. Er sei nie Mitglied der "P-26" gewesen. Roland Stark räumte gegenüber OnlineReports ein, dass er mit dieser Behauptung etwas zu weit gegangen sei. (Vielleicht müssten die beiden wieder einmal miteinander reden.)
"Das Basler Polizeikommando arbeitete
mit der 'P-26' zusammen."
Tatsache ist aber, dass das Basler Polizeikommando damals mit der "P-26" zusammenarbeitete, denn diese hatte ihren Geschäftssitz an der Bäumleingasse 2 in Basel. "P-26"-Chef und Generalstabsoberst Efrem Cattelan (Deckname: "Rico") hatte hier zur Tarnung ein Personalvermittlungsbüro eingerichtet. Nachlesen kann man dies in der Antwort der Basler Regierung auf eine Interpellation von Roland Stark, dem die Informationen Ende 1990 anonym in den Briefkasten gesteckt worden waren. Die Indiskretionen stammten aus dem Umkreis des Polizeikommandos.
In einem grösseren Zusammenhang nachlesen kann man die Basler Connection der "P-26" neuerdings auch im Buch* von Martin Matter, das Mitte dieses Monats erscheint. Matter, ehemaliger Ressortleiter der Baselland-Redaktion der "Basler Zeitung" hat die Geschichte der "P-26" auf der Basis von Interviews mit den wichtigsten Protagonisten aufgearbeitet, die seit 2009 nicht mehr an eine Schweigepflicht gebunden sind. Die Akten sind allerdings bis 2020 gesperrt.
Matter gelangt insgesamt zu Schlussfolgerungen, die den damaligen Kritikern der "P-26" – bis weit ins bürgerliche Lager hinein – vielleicht nicht so gefallen: Die "P-26" war keine Geheimarmee, sondern eine potentielle Widerstandsorganisation im Aufbau, die sehr professionell und sehr vorsichtig geführt und rekrutiert worden sei. Mitglieder waren Milizleute, die so wenig wie möglich voneinander wussten. Sie pflegte Kontakte mit englischen Stellen, laut Cattelan aber nicht mit der Nato, deren Geheimorganisation "Gladio" im Zwielicht von Verschwörungstheorien steht.
Die "P-26" unterstand direkt dem Generalstabschef, was Helmut Hubacher zu seinem berühmten Diktum vom "potentiellen Putschgeneral" inspirierte. Diese Putsch-Theorie sei "nicht nur absurd, sondern in hohem Masse ehrenrührig", schreibt Matter, denn eine Intervention zum Beispiel gegen eine demokratisch gewählte linke Landesregierung sei weder vorgesehen noch möglich gewesen. Die These von der Selbstaktivierung einer patriotischen Geheimorganisation wurde allerdings noch 1999 im Spielfilm "Beresina" von Daniel Schmid satirisch weitergesponnen.
"Erste Berichte führten zu einem 'Skandalisierungscrescendo' der Medien."
Das Misstrauen um 1990 war nicht nur zur linken Seite allerdings gross, denn kurz zuvor war der Fichenskandal aufgeflogen. Auch das Basler Polizeikommando hatte im Auftrag der Bundespolizei fleissig Daten über politisch verdächtige Zeitgenossen gesammelt. In Basel hatte die Fiche eines offenbar als kritisch eingestuften Journalisten einen einzigen Eintrag: die Akkreditierung am Staatsbesuch des damaligen französischen Präsidenten François Mitterrand. Erste Presseberichte über eine Geheimarmee und der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission führten in einem "Skandalisierungscrescendo" (Matter) der Medien zu fast allgemeiner Empörung.
War die "P-26" illegal? Die Untersuchungsberichte kritisierten, dass kein gesetzlicher Auftrag vorlag. Illegal war sie somit im verwaltungsrechtlichen, nicht aber im strafrechtlichen Sinn, resümiert Matter. Sie habe ihren Auftrag direkt aus der Verfassung bezogen. Gewagt, aber eben auch typisch für den klandestinen Charakter war der Umstand, dass sie nicht ein Bestandteil der Armee war, wie die Präsidenten der Finanzdelegation und die Vorsteher des Militärdepartementes meinten oder vorgaben zu meinen. An oberster Stelle wollte man möglichst wenig davon wissen, um so wenig wie möglich abstreiten zu müssen, wenn etwas an die Öffentlichkeit drang. Doch 1990 wurde die Organisation mit einem Schlag enttarnt und der zuständige Bundesrat Kaspar Villiger musste sie auflösen.
Die Generation der Nachgeborenen ist im übrigen gar nicht so uninteressiert an den damaligen Vorgängen. Matters Darstellung ist zu entnehmen, dass zum Thema "P-26" mittlerweile mehrere Matur- und Diplomarbeiten geschrieben wurden.
*Martin Matter: "P-26. Die Geheimarmee, die keine war". Verlag hier+jetzt, Baden 2012. 42 Franken.
3. April 2012
"Edi Belser, unser ehemaliger Regierungsrat"
In diesem Buch müsste auch der Name Edi Belser zu finden sein, unser ehemaliger BL-Regierungsrat und Chef vom EuroAirport Basel.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Ich werde das Buch kaufen"
Ich habe mit Interesse die Rezension über das neue Buch von Martin Matter bezüglich der "Geheimarmee P-26" gelesen und werde mir dieses Werk nach Erscheinen kaufen. Der Autor bietet als Offizier, Journalist und, wenn ich mich richtig erinnere, auch als Historiker, Gewähr für eine seriös recherchierte und überdies spannend geschriebene Geschichte aus der jüngsten Vergangenheit der Schweiz.
Albert Augustin, Gelterkinden