Werbung
© Foto by OnlineReports.ch
"Ein untauglicher Versuch, den Lärmklagen Herr zu werden"Interview mit Patrik Aellig: Für die Gegner einer Polizeistunde steht die "urbane Kultur" auf dem Spiel Von Peter Knechtli Der von Regierung und Parlament vorgelegten Basler "Polizeistunde light" erwächst vehementer Widerstand. Das Komitee "Kulturstadt Jetzt", Kulturorganisationen, Jungparteien und Veranstalter bekämpfen das neue Basler Gastwirtschaftsgesetz. Zu den führenden Koordinatoren zählt der Rockmusiker Patrik Aellig, der im OnlineReports-Interview die wichtigsten Gründe erläutert. OnlineReports: Herr Aellig, Sie sind ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen das neue Gastgewerbegesetz. Was ist denn so schlimm daran?
"Wir vermuten, dass nur sehr wenige Leute OnlineReports: Aber zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt wollen auch eine angemessene Nachtruhe.
"Wir staunen, wie sich Gastro-Verbände OnlineReports: Die Flexibilität, die der Kanton verspricht, ist nur unter Bedingungen des Lärmschutzes möglich.
"Wollen wir ein gemütliches OnlineReports: Die Vehemenz, mit der Sie und Ihre Supporter gegen das Gesetz antreten, ist aussergewöhnlich. 27. Januar 2005
DER GESPRÄCHSPARTNER
Patrik Aellig (35) ist Mitinitiant des Komitees "Kulturstadt Jetzt" und Bassist bei der Basler Industrial-Rockband "Undergod". Die nach eigenem Bekunden "sehr laute" Gruppe übt - frei von Lärmklagen - auf dem Dreispitzareal. Die Behörden-Praxis hindert die Gruppe gemäss eigenem Bekunden an zahlreichen Auftritten in ihrer Heimatstadt. Aellig war Freier Journalist bei verschiedenen Tageszeitungen und Konzertveranstalter. Heute arbeitet er als Kommunikationsberater bei der Firma "Comjet SA" in Basel. Er ist Vizepräsident des Rockfördervereins der Region Basel (RFV). "Steilvorlage für restruktive Bewilligungspraxis" Es wird auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer: Die Öffnungszeiten für Basler Nachtbetriebe werden mit dem neuen Gastgewerbegesetz nicht liberaler als in Zürich. Die neu errichtete Hürde der Polizeistunde dient als Steilvorlage für eine kultur- und wirtschaftsfeindliche Bewilligungspraxis, welche die Falschen trifft. Überhaupt: Fallen den Befürwortern so wenig überzeugende Argumente ein, dass sie ständig Basel mit Zürich vergleichen müssen? Mir reicht der Vergleich Basel mit Basel – und zwar Basel nach dem Volksentscheid von 1996 mit dem, was die Befürworter in Zukunft wollen.
Richtig ist, dass die Lärmschutzgesetze unabhängig vom Gastgewerbegesetz gelten. In diesem Zusammenhang sollte sich der Wirteverband an seine eigenen Aussagen von 2003 erinnern: «Schon heute bestehen genügend rechtliche Möglichkeiten, um bei Lärmvorkommnissen einzugreifen. Die Behauptung, nur mit dem neuen Gesetz wäre dies möglich, ist schlichtweg falsch. Anstelle diejenigen wenigen schwarzen Schafe im konkreten Fall zu packen, beschränkt der Regierungsrat gleich flächendeckend alle Betriebe.»
Der Anwohnerschutz ist für das Referendumskomitee durchaus ein Thema. Wir stellen uns aber auf den Standpunkt, dass staatliche Verbote und Einschränkungen nicht zur Lösung gesellschaftlicher Auseinandersetzungen taugen. Wir glauben nicht, dass man Probleme löst, indem man eine Gesetzesänderung in einem Gesetz macht, das nur bedingt mit dem georteten Problem zu tun hat. Politik muss praxistaugliche Konzepte bieten und darf nicht mit Scheinlösungen operieren. Das Nein zum neuen Gastgewerbegesetz hat somit auch Signalcharakter. Dominik Banny, Präsident Junge CVP, Basel "Dubiose Kontakt-Bars haben Auftrieb" Herr Bürgin, sagen Sie doch einfach ganz offen, dass Anwohnerschutz für Sie kein Thema ist!
Paragraf 15 des Zürcher Gastgewerbegesetzes: "Gastwirtschaften sind von 24 bis 5 Uhr geschlossen zu halten. … Dauernde Ausnahmen von der Schliessungszeit werden bewilligt, wenn die Nachtruhe und die öffentliche Ordnung nicht beeinträchtigt werden." Und weiter: "Vorbehalten bleiben Einschränkungen nach dem Planungs-, Bau- und Umweltschutzrecht." Mit anderen Worten also nach dem dortigen Lärmempfindlichkeitsstufenplan. Das Zürcher Gesetz ist klar weniger liberal als das neue GGG in Basel. Vielleicht verstehen es die Zürcher besser, die Stadt in Lärmempfindlichkeitszonen einzuteilen... Gerade in Zürich werden aber immer wieder Betriebe in ihren Öffnungszeiten beschränkt. So muss die Gartenwirtschaft des Restaurants "Eierbrecht" bereits um 19 Uhr schliessen. Ein skandalöser Entscheid, er wurde aber vom Bundesgericht geschützt. Nicht wegen des Gastgewerbegesetzes, sondern wegen der Lärmvorschriften!
Das Rotlicht-Milieu in Basel verzeichnet übrigens Wachstum, allerdings nicht die klassischen Night-Clubs, sondern dubiose Kontakt-Bars, in welchen "Touristinnen" illegal einem Erwerb nachgehen. Diese Lokale schiessen wie Pilze aus dem Boden - auch in Wohnquartieren. Maurus Ebneter, Basel "Zahl der Lärmverstösse wirkt lächerlich" Die Argumentationslinien von Maurus Ebneter bereiten mir Mühe:
1. Trotz weniger Paragraphen wird das neue Gastgewerbegesetz (GGG) mehr Verwaltungsaufwand verursachen. Die betroffene Amtsstelle stöhnt bereits jetzt und spricht von einer Verdopplung des Personalbedarfs!
2. Die GGG-Befürworter haben gut recherchiert und wissen von 68 hängigen Verfahren wegen Lärmverstössen (?). Aber eine solche Zahl auf weiter Flur wirkt lächerlich, zum Beispiel gemessen an den 2'400 Ladendiebstählen, geschweige denn an den über 30'000 Delikten, die in unserem Kanton im 2004 zur Anzeige gelangten. Was sind denn schon 68 Lärmverstösse bei einer Bevölkerung von 188'000! Genau 0.36 Promille! Und die Zahl sagt auch nicht aus über die Art des Lärmverstosses.
Im übrigen gilt bei einem hängigen Verfahren die Unschuldsvermutung. Und wir wissen, wie locker einigen übersensiblen Nachbarn der Telefonhörer sitzt. Ferner weigert sich das Bewilligungsbüro regelmässig, vor einer Verfügung die Lärmschutzfachstelle beizuziehen, wie es eigentlich die kantonale Lärmschutzverordnung verlangt.
3. Den Vergleich mit Zürich, das schon um 24 Uhr eine Polizeistunde habe, kann ich nicht mehr hören. Auch Herr Ebneter weiss, dass dort in Quartieren mit Wohnanteil unter 90 Prozent jeder Gastrobetrieb einen Rechtanspruch hat, seine Öffnungszeiten beliebig hinauszuschieben. Dies erklärt auch die Attraktivität Zürichs für die Basler Jugend, denn sie findet dort 500 Nachtbetriebe!
3. Und es scheint eben doch die Gastwirtschaftsabgabe zu sein, welche dem Wirteverband ein Dorn im Auge ist. Allerdings finden sich unter den Gegnern des Gesetzes mindestens 50 Gastrobetriebe, die auch von einem Ja profitieren würden, aber sich lassen sich nicht von diesem Dorn blenden. Ihnen ist das Image des Stadt und ihres attraktiven Nachtlebens wichtiger. Und sie vertrauen darauf, dass in der ersten Grossratssitzung nach der Ablehnung des Gesetzes dieser einzelne Paragraph ersatzlos gestrichen wird - denn er hat wirklich ausgedient.
4. Was das florierende Nachtleben vor der Liberalisierung betrifft, das Herr Ebneter in hohen Tönen beschreibt, so ist er wegen dem Dorn im Auge (iehe oben) eben doch etwas blind. Er kann mir doch nicht weis machen, dass jene 24 Betriebe, welche bis 1996 eine Nachtbewilligung hatten, mehr Leute in die Gassen lockte wie jene 150, welche heute verlängerte Öffnungszeiten haben. Was sich seither geändert hat, ist, dass die Rotlichtgastronomie einen Einbruch erlitten hat, weil auch sie von der Aids-Problematik betroffen ist. Es sind in den letzten acht Jahren in Basel auch viele innovative Nachtbetriebe und Clubs entstanden, und erst sie sind Gewähr für Affiche Culture Unlimited. usw. Deshalb darf sich Basel jetzt keinen Nachteil im Positionskampf der europäischen Mittelstädte einhandeln. Die verhindert man mit einem "Nein" am 27. Februar. Matthias Bürgin, Stadtgeograf, Basel "Einen Freipass gibt es nirgends" Die Gegner des Gastgewerbegesetzes (GGG) verstehen unter "liberal" einen Freipass. Einen solchen gibt es nirgends - auch nicht im viegelobten Zürich, wo bereits um Mitternacht Polizeistunde ist und das Umweltrecht genau so gilt. Der Lärmschutz geht zwar manchmal zu weit, doch hat das nichts mit dem GGG zu tun, sondern mit dem Lärmempfindlichkeitsstufenplan (LESP). Die Jungparteien haben das leider nicht begriffen. Patrick Aellig erweckt den Eindruck, dass die Boulevard-Gastronomie am Rheinufer um 20 Uhr schliessen muss. Das wäre zwar theoretisch möglich (Bundesgerichts-Entscheid zum Fall Eierbrecht, Zürich), aber eben nicht wegen des neuen GGG, sondern wegen des LESP. Hier besteht Reformbedarf!
Für das Referendumskomitee ist Anwohnerschutz schlicht kein Thema, obwohl der Vollzugsnotstand offensichtlich ist: Die Behörden sahen sich gezwungen, bei zwei Dutzend Gastbetrieben die Öffnungszeiten einzuschränken. Weitere 68 Verfahren wegen Lärmverstössen sind noch am Laufen.
Es geht dem Wirteverband keineswegs darum, die Betriebszahl "mit protektionistischen Massnahmen" zu beschränken. Wir wollen nur aufzeigen, dass angesichts der massiven Überkapazitäten keine Gefahr für die Attraktivität und die Vielfalt des Gastgewerbes besteht. Von einem "Ausbau des Gesetzes-Dschungels" kann nicht die Rede sein, weil das neue GGG von 59 auf 48 Paragraphen gekürzt wurde. Der Marktzutritt wurde sogar erleichtert, weil an der Wirteprüfung nur noch polizeirelevante Fächer geprüft werden.
Unfair ist der Vorwurf, dass es uns nur um die Abschaffung der Gastwirtschaftsabgaben geht. Klar, das ist für uns ein zentrales Anliegen - wer zahlt schon gerne 2.5 Millionen Franken pro Jahr ohne konkrete Gegenleistung? Wir haben aber in der Vernehmlassung unzählige andere Anliegen eingebracht. Wir hätten auch mit Bestimmtheit das Referendum ergriffen, wenn unsere Betriebe durch das neue Gesetz gefährdet wären. Das war zum Glück nicht nötig, weil das Bewilligungsverfahren und die Rekursmöglichkeiten vernünftiger ausgestaltet wurden.
Übrigens: Trotz restriktiver Gesetze florierte in den achtiziger Jahren das Basler Nachtleben. Es gab mehr Leute in der Stadt, sie waren optimistischer Stimmung und hatten eine höhere Kaufkraft - damals waren eben die Krankenkassenprämien noch bezahlbar. Die Attraktivität des urbanen Lebens hängt eben nicht von der Polizeistunde ab, sondern von einer Vielzahl anderer Faktoren. Das Basler Nachtleben ist von der Anbieterseite her nicht gefährdet, weil die Zahl der Unterhaltungsbetriebe auch in Zukunft nicht beschränkt wird. In reinen Wohnquartieren sind laute Nachtlokale allerdings unerwünscht, weil sie zu Problemen führen und das Branchenimage schädigen. Maurus Ebneter, Delegierter des Vorstands Wirteverband Basel-Stadt, Basel "Länge des Ausgangs müssen Eltern und Betroffene selbst bestimmen" In einem Punkt muss ich der Reaktion meines Berufskollegen Peter Bächle beipflichten: Ausgang und Schule am anderen Morgen ist ein Problem. Nur kann ein verschärftes Gastgewerbegesetz nicht die Lösung für dieses Verhalten sein. Wie lange Schüler in den Ausgang gehen dürfen und sollen ist eine Frage, die das Elternhaus und die betreffenden Personen selber zu klären haben. Es gibt diverse Verlockungen, die unsere Schüler daran hindern könnten rechtzeitig zu Bett zu gehen, das Fernsehprogramm nach 22 Uhr kann genauso attraktiv sein und ebenso ein "Schlafverhinderer".
Diejenigen Jugendlichen, die sich die Nacht unbedingt mit feiern und trinken um die Ohren schlagen wollen - Schule oder Lehre hin oder her - werden dies auch mit verschärfter Polizeistunde tun; betrinken können sie sich auch am Rheinbord. Ich sehe im neuen Gastrogesetz in keiner Weise eine Lösung für dieses zweifellos vorhandene Problem, sondern eine zu starke Einschränkung für Wirte und ihre Kundschaft. Christian Freiburghaus, Lehrer am Gymnasium Liestal und Vorstandsmitglied des Rockfördervereins Basel, Waldenburg "Sogenannte 'Events' beginnen erst um 22 Uhr" Ja, ich gebe es zu, auch ich feiere gerne bis in die frühen Morgenstunden, wenn denn der Anlass durch ein Fest gegeben ist. Als Lehrer beobachte ich allerdings mit Missbehagen, dass in den vergangenen Jahren gerade im Sommer sogenannte kulturelle "Events" auch während der Woche zunehmend erst um 22 Uhr oder noch später beginnen. Logischerweise wird das Ausgehverhalten gerade der Jugendlichen durch diese Entwicklung beeinflusst. Die Heimkehr erfolgt dann, wie man es von den Ferien im Mittelmeerraum her gewohnt ist, zwangsweise erst in den frühen Morgenstunden. Dummerweise richtet sich aber die Arbeitszeit unserer Gesellschaft nicht entsprechend aus. Nach wie vor hat der überwiegende Teil der Gesellschaft spätestens um 8 Uhr an der Arbeitsstelle zu sein und es findet zwischen 11 und 15 Uhr auch keine grosse Siesta statt.
Ist es nun wirklich abwegig und altmodisch, wenn ich mit der Annahme des neuen Beizen-Gesetzes dieser Entwicklung einen kleinen Riegel setzen möchte, umso mehr, als (richtigerweise) während der Woche und vor allem am Wochenende jede Menge Ausnahmen gewährt werden können? Peter Bächle, Basel |
vor Gewissens-Entscheid |
Reaktionen |
Erneuter Knall bei der SVP:
Riebli will Präsident werden
Caroline Mall zieht Kandidatur zugunsten des
68-jährigen Politikers aus Buckten zurück.
Reaktionen |
Ein Schweizer Vorzeige-Projekt:
20 Jahre "Obstgarten Farnsberg"
Mit Birdlife-Projektleiter Jonas Schälle
unterwegs in einem Bijou der Biodiversität.
SVP BL vor Scherbenhaufen:
Wie konnte es so weit kommen?
Alessandra Paone über die Gründe, die zu
den Zerwürfnissen in der Partei geführt haben.
Reaktionen |
Eskalation bei der SVP: Fraktionschef Riebli abgesetzt
Ab sofort leitet Reto Tschudin
die SVP-Fraktion im Baselbieter Landrat.
Reaktionen |
Kantonsgericht Baselland:
Mitte droht leer auszugehen
Freisinn kann sich bei der Ersatzwahl dank
Taktik und Zufall einen Vorteil erhoffen.
Reaktionen |
Regierungsrat Mustafa Atici muss die Kritik ernst nehmen
Kommentar von Jan Amsler und Alessandra Paone zur Regierungswahl in Basel-Stadt.
Mustafa Atici in die
Basler Regierung gewählt
Der SP-Kandidat ist der erste Kurde in einer Kantonsregierung – Cramer wird Präsident.
Reizfigur Sarah Regez:
Gefahr eines Absturzes
Peter Knechtli über die Kontakte
der SVP-Politikerin zu Rechtsextremen.
Reaktionen |
Dominik Straumann tritt als SVP-Präsident zurück
Vize Johannes Sutter soll übernehmen
und den Richtungsstreit beenden.
www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz
© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.
Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.
Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.