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"Der Förderalismus spielt": Reform-BefürworterGysin, Gegnerin Leutenegger Oberholzer
Steuerreduktion für Unternehmer: Klares Ja im Baselbiet
Gegner wollen die Abstimmung vor Bundesgericht anfechten / Geringe Stimmbeteiligung
Von Peter Knechtli
Deutlich - im Verhältnis 61 zu 39 Prozent - hat das Baselbiet heute Sonntag die Unternehmenssteuer-Reform angenommen: Die Unternehmer dürfen künftig mit deutlichen Entlastungen rechnen. Die SP wird den Volksentscheid am Bundesgericht anfechten. Die Stimmbeteiligung lag bei bescheidenen 30 Prozent.
Das Baselbiet hiess die Unternehmenssteuer-Reform mit 33'186 Ja gegen 21'123 Nein deutlich gut. Die Vorlage von Finanzdirektor Adrian Ballmer, unterstützt durch die Wirtschaftskammer Baselland erzielte in allen fünf Bezirken Mehrheiten. Die deutlichste Zustimmung mit gut 63 Prozent erteilten die Bezirke Arlesheim und Laufen, abnehmende Begeisterung zeigte sich mit zunehmender ländlicher Umgebung: Bezirk Liestal gut 59 Prozent, Bezirk Waldenburg 56 Prozent und Bezirk Sissach 54 Prozent.
Nein aus bürgerlichen Land-Gemeinden
Am Abstimmungsergebnis fallen zwei Aspekte auf. Zum Einen zeigte die Oppsition der Gemeinderäte von Birsfelden, Muttenz und Münchenstein Wirkung: Birsfelden, ohnehin eine traditionell linke Kommune, schickte die Reform fast 57 Prozent Nein-Stimmen deutlich bachab. Auch das bürgerliche Muttenz sagte mit knapp 52 Prozent Nein. Am wenigsten vermochte das Engagement der Gemeindeväter in Münchenstein durchzuschlagen; dort ergab sich eine Ja-Mehrheit von gut 52 Prozent. Zum Andern befinden sich unter den insgesamt zehn ablehnenden Gemeinden auch traditionell bürgerliche Land-Kommunen wie Zeglingen (62,5 Prozent Nein-Stimmen), Kilchberg (knapp 61 Prozent Nein-Stimmen) oder Rünenberg (51 Prozent Nein-Stimmen). Dort scheinen die Haupt-Argumente der Befürworter - wirtschaftliche Standort-Vorteile, Erhalt von Arbeitsplätzen - nicht durchgeschlagen zu haben.
Der freisinnige Finanzdirektor Adrian Ballmer zeigte sich "sehr froh" über das Ergebnis: "Ich hätte es mir knapper vorstellen können." Er sei "anfänglich von einem ruhigen Abstimmungskampf ausgegangen", weil er nicht damit gerechnet habe, dass die links-grüne gegnerschaft "nach dem National- und Ständeratswahlen sehr viel unternehmen werden". Allerdings habe sich das Prognose-Blatt gewendet, "als dann die Gemeinden kamen". Es sei "nicht wegzudiskutieren, dass es bei einer Steuersenkung am Anfang weniger Steuereinnahmen für die Gemeinden gibt". Und dass die Gemeinderäte an der Reform "keine Freude haben, kann ich nachvollziehen". Die entscheidende Frage aber sei, "ob man kurz- oder längerfristig denkt". Ballmer: "Wenn Firmen aus Steuergründen wirklich ausziehen, dann haben wir ein Problem." Das Fricktal habe "das grössere Wirschaftswachstum als wir im Baselbiet".
Finanzdirektor Ballmer zuversichtlich
Ballmer erachtet die deutliche Mehrheit im Baselbiet als ein "positives Signal" im Hinblick auf die Bundes-Abstimmung über die Unternehmenssteuer-Reform II kommenden Februar: "Die Bevölkerung sieht, dass man langfristig denken muss. Das gibt mir die Zuversicht, dass man das auch im Februar erkennen wird."
Nachdem die Reform-Befürworter insbesondere die drei Gemeinderäte wegen ihrer Opposition beträchtlich getadelt hatten ("Die haben die Realität noch nicht erkannt"), gab sich FDP-Nationalrat Hans Rudolf Gysin am Abstimmungssonntag versöhnlich: "Wenn Gemeinderäte sich engagieren, dann nimmt die Stimmbevölkerung dies ernst. Losgelöst von der Sachfrage sei "dies ein Zeichen, dass die Bürger ein Vertrauen in ihre Gemeindeväter haben. Das Gemeindedemokratie-System funktioniert". Gysin räumt ein, dass nach dem Auftritt der drei Gemeinderäte im Befürworter-Komitee Nervosität aufgekommen sei: "Wir sind erschrocken, als die Gemeinden gegen die Vorlage antraten. Die waren gefährlicher als die Gegnerschaft von rot-grün. Wenn sich ihnen viele Gemeinden angeschlossen hätten, dann hätte es ein Problem geben können." Das Ja-Komitee habe deshalb "noch einmal Gas gegeben", so dass das für ihn nun erfreuliche Ergebnis doch noch habe zustande kommen können.
Gemeindevertreter erwarten weitere Einbussen
Enttäsucht waren die Gemeindepräsidenten Claudio Botti (Birsfelden) und Peter Vogt (Muttenz), bei CVP-Mitglieder: Sie sprachen noch am Sonntag davon, dass es kommendes Jahr in den Gemeinden Sparübungen in den Bereichen wie Freizeit, Bildung oder Infrastruktur absetzen werde. Sicherlich aber würden deswegen die Steuern für natürliche Personen nicht erhöht. Botti meinte gegenüber OnlineReports, ihm habe noch kein Politiker erklären können, wie die Gemeinden die Mindereinnahmen kompensieren könnten. Jetzt seien die Landräte betroffener Gemeinden gefragt, die "beim Kanton intervenieren" sollen.
Der Muttenzer Gemeindepräsident Vogt wies darauf hin, dass mit der eidgenössischen Unternehmenssteuer-Reform II vom kommenden Februar eine weitere Runde an Ertragsausfällen auf die Gemeinden zukomme, die "mindestens das kantonale Ausmass erreichen". Recht zurückhaltend beantworteten Vogt und Botti die Frage, ob sich die oppositionellen Gemeindeväter nochmals engagieren werden. Vogt: "Das müssen wir erst noch diskutieren." Botti: "Als Gemeindepräsident werde ich Stellung nehmen – ob andere Gemeinden mitmachen oder nicht. Mir geht es um Transparenz."
Volksabstimmung wird angefochten
SP-Kantonalpräsidentin Regula Meschberger bedauerte, "dass nicht mehr Gemeinden bei der Bekämpfung mitmachten". Sie rufe die Kommunen auf, ihren Interessen bei der Februar-Abstimmung "mehr Gehör zu verschaffen". Die Birsfelder Politikerin räumte ein, dass die SP in diesem Abstimmungskampf zu wenig stark präsent gewesen sei. "Wir hätten das Geld aufwerfen müssen, obschon wir es nicht hatten."
Noch offen ist die Frage, ob die Abstimmung überhaupt Rechtskraft erlangt. Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer kündigte gegenüber OnlineReports an, dass sie den Volksentscheid innerhalb vn 30 Tagen mit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht anfechten werde. Umstritten ist vor allem die Ungleichbehandlung auf dem Gebiet der Dividendenbesteuerung. Auch aus dem Kanton Zürich, der heute ebenfalls über eine ähnliche Steuervorlage entschied, sei mit einer Beschwerde zu rechnen.
Kommentar: Steuer-Kampf um das richtige Rezept
25. November 2007
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Reaktionen
• "Besser spät als nie: So etwas könnte das Motto lauten, nach welchem der Baselbieter Souverän gestern Sonntag der dringend notwendigen Milderung der Steuerbelastung für Unternehmen mit 61,2 Prozent deutlich zugestimmt hat. Das Überparteiliche Komitee "Ja zur Unternehmenssteuer-Reform" ist über dieses deutliche Resultat hocherfreut und dankt den Baselbieter Stimmberechtigten für dieses klare Verdikt. Damit gewinnt der Wirtschaftsstandort an zukunftsgerichteter steuerlicher Standortattraktivität, was wiederum der nachhaltigen Sicherung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Baselbiet dient. Mit der Annahme dieser Vorlage beweist die Baselbieter Stimmbevölkerung einmal mehr ein feines Gespür für wirtschaftspolitische Fragestellungen. Die Nein-Kampagne der Linken und einzelner Gemeinden hat hingegen kein Echo gefunden.
Die letzte steuerliche Entlastung der Baselbieter Unternehmen liegt schon mehr als 25 Jahre zurück. In der Zwischenzeit hat der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen stark an Intensität zugelegt. (...) Entscheidend für den klaren Ja-Stimmen-Anteil von über 61 Prozent waren einerseits die massvolle Vorlage des Regierungs- und Landrates und andererseits ein entschlossen und engagiert geführter Abstimmungskampf eines breit abgestützten, überparteilichen Komitees. (...) Nach der Annahme der kantonalen Vorlage gilt es nun das Augenmerk auf die schweizweite Unternehmenssteuerreform zu richten, über welche das Schweizer Stimmvolk am 24. Februar 2008 zu befinden hat."
• Mit Enttäuschung nimmt die SP Baselland vom Ja zur Unternehmenssteuer-Reform in der heutigen Volksabstimmung Kenntnis.
Die Baselbieter Stimmbevölkerung hat sich damit leider für ein Millionengeschenk für einige wenige GrossaktionärInnen ausgesprochen. Die Zeche zahlt der Grossteil der Steuerzahlenden.
Leider hat bei den Stimmberechtigten offenbar die Argumentation der BefürworterInnen verfangen, dass es sich bei der Unternehmenssteuer-Reform um eine Vorlage zur Förderung der KMU handle. Es ist der SP und den weiteren GegnerInnen nicht gelungen, klarzumachen, dass es sich bei der Unternehmenssteuerreform lediglich um ein Geschenk an einige wenige Grossaktionäre handelt.
Die Zeche zahlen die allermeisten SteuerzahlerInnen, die vom Abbau der staatlichen Dienstleistungen und Infrastrukturen in der Bildung und Forschung, im öffentlichen Verkehr, der Sicherheit und im Sozialwesen betroffen sind.
Mit der Annahme der Unternehmenssteuerreform, die durch das Halbsatzverfahren die Dividendeneinkommen von Grossaktionären mit mehr als 10 Prozent Aktienkapitalanteilen gegenüber den Einkommen aus Lohn und Renten privilegiert, geht der Kanton Baselland über zu einer Praxis, die von den Verfassungsgrundsätzen abweicht. Die SP hält deshalb eine gerichtliche Überprüfung für angezeigt. In den nächsten Tagen wird die SP Baselland in dieser Frage weitere Entscheide treffen.
Für die SP Baselland ist auch klar, dass jetzt der Kampf gegen ungerechte und unsoziale Reformen der Unternehmensbesteuerung auf eidgenössischer Ebene weiter geht. Bereits am 24. Februar 2008 wird über die eidgenössische Unternehmenssteuerreform abgestimmt. Die SP Baselland wird sich auch bei dieser Vorlage für ein deutliches Nein einsetzen."