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"Weit mehr als eine Statistik": Geothermie-Manager Häring, Schwendener
Erdbeben-Knowhow kann ein Geschäft werden
Firma Geopower erwägt Beteiligung an internationalen Geothermie-Trägerschaften
Von Peter Knechtli
Die Basler Geothermie-Erdbeben haben die Bevölkerung aufgeschreckt, aber sie hatten auch ihren Vorteil: Sie verhalfen der Firma Geopower zu äusserst umfangreichem Datenmaterial, das sie in künftige Bohr-Projekte einbringen kann. Das Unternehmen überlegt sich bereits Beteiligungen in Australien oder Saudiarabien.
Für die Bevölkerung, die vor einem Jahr - erstmals am 8. Dezember 2006 - durch insgesamt fünf deutlich wahrnehmbare Erdstösse wegen der Geothermie-Bohrung in Kleinhüningen aufgeschreckt wurde, brachte heute Dienstagmorgen das "Mediengespräch" der Bauherrin Geopower Basel AG keine spektakulären Neuigkeiten.
Die Schadensabwicklung komme gut voran, sagte Verwaltungsratspräsident Heinrich Schwendener: 2'200 der 2'565 gemeldeten Schadenfälle hätten bis Ende November bearbeitet werden können. Rund ein Drittel der Fälle wurde durch die Versicherung per Auszahlung abgeschlossen. Von den über 1'000 Schadensmeldungen aus dem benachbarten Ausland hätten bisher deren 749 "erledigt" werden können. Die durchschnittlichen Kosten pro Schadenfall belaufen sich auf rund 3'000 Franken, was zu Gesamtkosten von 7 bis 9 Millionen Franken führe. Schäden an der Bausubstanz oder an der Statik seien in keinem Fall festgestellt worden.
Risikoanalyse im Frühjahr 2009
Entgegen einer Meldung des Hausbesitzervereins versicherte Schwendener, die Geopower erkläre "generell" gegenüber allen Personen, deren Schäden bei ihr oder der AXA Winterthur schriftlich angemeldet worden seien, "auf die Einrede der Verjährung zu verzichten".
Bekannt wurden indessen einige interessante Hintergründe. So will die Geopower trotz Einstellung der Arbeiten in Kleinhüningen die Geothermie als Beitrag an eine nachhaltige Energieversorgung in der Schweiz oder im Ausland weiter verfolgen. Ob die Arbeiten am bisherigen Bohrplatz je wieder aufgenommen werden, ist laut Schwendener noch offen. Eine Antwort - und weit brisanter: einen politischen Entscheid - könnte die von der Basler Kantonsregierung in Auftrag gegebene Risikoanalyse herbeiführen, die im Frühjahr 2009 erwartet werden darf.
Wertvolles Datenmaterial
Aus den Ausführungen des Experten Markus Häring, Geschäftsführer der Geothermal Explorers, die die Basler Bohrung leitete, geht hervor, dass sich Geopower keineswegs ins Schneckenloch zurückziehen möchte. Denn: Die unerwartet starken Beben hatten zur Folge, dass sich die Geopower dank ihren fünf Monitoring-Stationen zu einem Knowhow aneignete, das weltweit einmalig sein dürfte.
Mit grosser Präzision und in dreidimensionalen Ansichten kann beispielsweise seit Juni 2006 lückenlos nachgewiesen werden, wo sich vor, während und nach der kritischen Hochdruck-Injektion von Wasser in 5'000 Meter Tiefe zwischen einem (heute) und 60 (damals) seismische "Ereignisse" bis hin zu den deutlich spürbaren Erdstössen abspielten. Ebenso zeigte sich, dass sich das krisalline Gestein wie geplant in einer ovalen Form zerklüftete - wegen des Abbruchs der Wassereinpressung aber in einer nur halb so grossen Ausdehnung, wie sie das Projekt erfordert hätte.
Wertvoller "Basler Datensatz"
Die Geopower-Verantwortlichen sagten es nicht allzu euphorisch: Dank der Erdbeben und der umfangreichen Messungen gelangte die Firma zu einer unerwarteten Fülle an Messungen, die bereits den Namen "Basler Datensatz" tragen. Diese Daten, so Häring, seien "wesentlich mehr als nur eine Statistik": Sie erlaubten "einen direkten Bezug zwischen felsmechanischen Prozessen und Seismizität". Ein fundiertes Verständnis dieser Prozesse sei nötig, "um die Risiken induzierter Seismizität besser zu verstehen und entsprechende Gegenmassnahmen zu treffen". So könnte es künftig möglich sein, die (nötige) Seismizität durch kürzere Injektions-Intervalle kontrolliert zu steuern.
Geopower hat sich also im Härtetest ein exklusives wissenschaftliches Knowhow erworben, das sich, wie das Unternehmen hofft, auch kommerziell nutzen lässt. Auf die Frage von OnlineReports bestätigte Heinrich Schwendener, dass Geopower gedenkt, ihre Erfahrung und ihr praktisches Wissen in andere Firmen einzubringen, die in der Technologie des sogenannten Deep Heat Mining international tätig werden wollen. OnlineReports erfuhr, dass Beteiligungen an Firmen etwa in Australien oder Saudiarabien durchaus denkbar seien. Erdölförderländer überlegen sich bereits die Anwendung neuer Technologien für die Zeit nach Versiegen der Ölquellen.
Heisses Wasser schon in 3'000 Metern Tiefe
Die Erdwärme-Forscher fanden auch heraus, dass sich in Kleinhüningen schon in einer Tiefe von rund 3'000 Metern im Dach des Kristallins eine grosse Klüftung befindet, in der Wasser mit einer Temperatur von 130 bis 138 Grad zu Heizzwecken oder zur Stromgewinnung genutzt werden könnte. Absichten, dies zu tun, bestehen noch keine. Auch müsse die Frage der Wirksamkeit geprüft werden, sagte Häring.
Fazit: Die Erdstösse bis zu einer Magnitude von 3,4 vom vergangenen Dezember und Januar lassen sich nicht rückgängig machen, aber wenigstens produktiv im Sinne von Praxiserfahrung für andere Projekte nutzen.
4. Dezember 2007