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"Bleiben wäre das Schönste": Schrebergärtner-Präsident Kotzolt, Gemeindegrenze
Der höchste Basler Schrebergärtner bangt um sein grünes Paradies
Paul Kotzolt, der Präsident der Basler Familiengärtner, müsste bei Annahme der Stadtrand-Entwicklung Ost seinen Pflanzblätz räumen
Von Fabian Schwarzenbach
Die Stadtrand-Entwicklung Ost würde Familiengärten vernichten – pikanterweise auch jenen von Paul Kotzolt, dem Zentralpräsidenten der Basler Familiengärten. Die Gärtner klammern sich noch an Vereinbarungen mit dem Bau- und Verkehrsdepartement, kämpfen aber gegen die Hochhaus-Pläne.
Mindestens 80 Prozent der Familiengarten-Parzellen in Basel-Stadt müssen erhalten bleiben, entschied das Stimmvolk Mitte Mai 2011. Hinter diesem Kompromiss steht auch der Zentralverband der Familiengärtnervereine Basel. Aber ausgerechnet dessen Präsident Paul Kotzolt muss seinen Pflanzblätz räumen, wenn die Stadtrand-Entwicklung Ost in der Volksabstimmung kommenden Monat durch das Stimmvolk gutgeheissen wird. Grund: Kotzolt hat sein grünes Refugium im Familiengartenvereine Bettingerweg, den er ebenfalls präsidiert, nur gerade einen Steinwurf von der Grenze zwischen Basel und Riehen (Bild oben).
Diese Grenze entscheidet auch über Stehenbleiben oder Abriss der Gärten und zieht sich mitten durch das Gartenareal "Bettingerweg". Die Gemeinde Riehen hat in einer eigenen Volksabstimmung am 11. März 2012 Ja zum Gegenvorschlag zur Familiengarteninitiative gesagt. Daher dürfen die Gärten auf der Riehener Seite des Areals Bettingerweg durch die Stadtrandentwickler nicht angerührt werden.
Die Schönheit der Gartenwelt
Kotzolt führt OnlineReports mit grossen Schritten durch das Areal. Immer wieder bleiben wir stehen und er zeigt die Schönheit der Gartenwelt. Bei einem besonders gepflegten Garten strahlt er: "Da sieht man, wieviel Freude der Pächter an seinem Hobby hat." Fast alles blüht und gedeiht.
Als Präsident des Zentralverbandes steht der leidenschaftliche Schrebergärtner nach wie vor hinter dem Kompromiss. Zieht er aber den Hut des Zentralpräsidenten ab und setzt sich jenen des Präsidenten des Familiengartenvereines Bettingerweg auf, so tönt Kotzolts Stimme kampfeslustiger und kommt auf Ungereimtheiten zu sprechen, die in der Diskussion um die Stadtrandentwicklung Ost noch zu reden geben werden.
Gärtner pochen auf Vereinbarungen
In einer vom Bau- und Verkehrsdepartement und dem FGV Bettingerweg ausgehandelten Vereinbarung vom Februar 2012 steht nämlich wörtlich: "Das zurzeit bestehende Areal des FGV bleibt in vollem Umfang und in der bisherigen Grösse am jetzigen Standort erhalten." Diese abgegebene Garantie gelte bis Ende 2019, so die Vereinbarung weiter. Vor 2020 können die Stadtentwickler also nicht mit den Baggern auffahren, ohne diese Vereinbarung zu verletzen.
Aber auch dann könnten die Baumaschinen nicht gleich alles einreissen: "Ab dem 1. Januar 2020 stehen bis ins Jahre 2025 maximal 2,1 Hektaren der jetzt bestehenden 7,8 Hektaren Familiengartenareal (entspricht ungefähr 100 Gärten) dem Kanton für eine Umnutzung zur Verfügung. Der FGV Bettingerweg mit 5,7 Hektaren Familiengartenareal bleibt am alten Ort gesichert", steht ebenfalls in der von Baudirektor Hans Peter Wessels unterzeichneten Vereinbarung. Der Baubeginn für das letzte geplante Hochhaus wäre also frühestens 2026.
Einbussen für Verein und Stadtgärtnerei
Allerdings: Die Pachtverträge für neue Familiengärtner werden vom BVD aber nur bis zum 31. Dezember 2016 befristet ausgestellt. Was mit diesen Gärten bis 2020 bzw. 2025 passiert, weiss Kotzolt nicht. Das hat zur Folge, dass sich aufgegebene Gärten beinahe nicht mehr weiterverpachten lassen. Kotzolt zeigt uns ein schönes Exemplar, das auf einen grünen Daumen wartet. Gleichzeitig beschreibt er die finanziellen Konsequenzen: "Der Familiengartenverein erhält so weniger Mitgliederbeiträge und die Stadtgärtnerei als Pachtgeberin weniger Pachtzinsen."
Eine Stärkung der Familiengärten erhofft sich Kotzolt von der Studie "Familiengärten - Biogärten", die in die Strategiegespräche zur Zukunft der Grünflächen in Basel einfliessen soll. So oder so, könnte die Studie die Abstimmung von Ende September beeinflussen – wird sie aber nicht. Denn laut Projektbeschrieb hätte sie zwar seit Juni dieses Jahres abgeschlossen sein sollen, was aber erst Ende Jahr der Fall sein wird, wie Adrian Krebs, Medienbeauftragter des Forschungsinstituts für biologischen Landbau, bestätigt.
Mittlerweile sind wir im präsidialen Garten angelangt. Der regnerische Sommer habe seine Spuren hinterlassen, meint er und zeigt auf die Tomaten, die wegen Pilzbefalls einen traurigen Anblick bieten. "Wir müssen uns ja nicht von den Produkten aus dem Garten ernähren", tröstet sich Kotzolt und lacht schon wieder. Ernster wird er, als er sich an diesem paradiesischen Ort die geplanten Hochhäuser vorstellt. Daher wird der Familiengartenverein Bettingerweg den politischen Kampf aufnehmen.
Starke politische Kraft
Die Gärtnerinnen und -gärtner in ihrer politischen Kraft zu unterschätzen, könnte für die Gegner fatal sein. Kotzolt rechnet vor, dass in Basel rund 6'000 Personen dem grünen Hobby frönen. Rund 5'000 davon seien in Basel-Stadt stimmberechtigt. Da aber jeder Garten meist von zwei Personen bewirtschaftet wird und diese wieder mehrere Stimmberechtigte kennen, geht Kotzolt von einem kritischen Potenzial von über 20'000 Stimmberechtigten aus.
Unbemerkt von der Öffentlichkeit haben die Basler Familiengartenvereine begonnen, ihr Potenzial auszuschöpfen: Sie schreiben allen Pächtern vor der Abstimmung einen Brief. "Wir nutzen unsere Möglichkeiten, die Bevölkerung zu überzeugen", meint Kotzolt. "Wir machen darauf aufmerksam, wieviel Boden kaputt gemacht wird, der unseren Kindern und Kindeskindern nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Unsere Nachkommen haben nichts mehr!"
"Es muss noch etwas gehen"
Die Stimmung unter den Familiengärtnern beschreibt Kotzolt als "gemischt". "Viele merken jetzt, dass etwas geht", erklärt er und fügt pointiert an: "Es muss noch etwas gehen!" Im Vereinshaus-Beizli "zem Gartezwärg", in dem auch kleine Speisen und Getränke angeboten werden, resümiert Kotzolt nochmals die Fakten. Anwesende Gärtnerinnen und Gärtner pflichten ihm bei.
"Bleiben wäre das Schönste", fasst Kotzolt zusammen und in seiner Stimme schwingt mit, dass dies möglicherweise ein frommer Wunsch bleiben wird. Doch die Familiengärtner sind kampferprobt und lassen sich nicht so schnell unterkriegen.
Sie haben eigentlich nur eine Angst, sollten sie die Abstimmung verlieren und das Areal räumen müssen: Dann wollen sie, dass schnellstmöglich gebaut wird. "Müssten wir jahrelang unsere ehemaligen Gärten als Brache ansehen, während noch über die Bebauung gestritten würde, wäre das für uns sehr schlimm", sagt Kotzolt. Dann würden die Gärtner die Politiker in den folgenden Wahlen abstrafen. Was wie eine Drohung klingt, wäre dann schlicht eine bittere Reaktion. Aber soweit denkt am Bettingerweg (noch) niemand.
2. September 2014
"Unehrliches Doppelspiel"
Der Präsident des Zentralverbands der Familiengärtnervereine Basel betreibt ein unehrliches Doppelspiel: Einerseits hat er sich mit den Behörden darauf geeinigt, dass 80 Prozent der Familiengärten erhalten bleiben. Dieser Kompromiss wurde auch vom Volk in einer Abstimmung abgesegnet. Nun hintertreiben die Pächterinnen und Pächter aus eigennützigen Gründen diese Vereinbarung. Offensichtlich ist ihnen kein Mittel zu schade, um ihre privaten Vorteile durchzusetzen. Das ist zu verurteilen. Wer das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der akuten Wohnungsnot höher wertet als Einzelinteressen, stimmt am 28. September 2014 mit Ja zur Stadtrandentwicklung Ost.
Andreas Albrecht, alt Grossrat, Basel