Basler Abstimmungs-Erläuterungen im Sprach-Test: Hat die SVP Recht?
Verständnis des Abstimmungsbüchleins über Sprachkenntnisse bei Einbürgerungen stellt hohe sprachliche Anforderungen
Von Christof Wamister
Um die Abstimmungs-Erläuterungen zur Einbürgerungs-Initiative der SVP zu verstehen, muss man besser Deutsch können, als dies bei der Einbürgerung verlangt wird. Mit den kniffligen Details der helvetischen Sachpolitik sind selbst viele Einheimische überfordert.
Hand aufs Herz: Verstehen Sie den folgenden Abschnitt aus den soeben erschienenen Abstimmungserläuterungen der Basler Regierung? "Die Unterscheidung von Einbürgerungsverfahren mit Rechtsweggarantie (bisherige Kompetenz des Regierungsrates) und ohne Rechtsweggarantie (bisherige Kompetenz des Grossen Rates) ist nach neuem Bundesrecht nicht mehr zulässig. Die Frage, ob ein Einbürgerungsentscheid gerichtlich überprüft werden kann oder nicht, bildet somit kein Kriterium mehr, die Zuständigkeit für Einbürgerungen zwischen Regierungsrat und Grossem Rat aufzuteilen."
Regierung soll über Einbürgerung entscheiden
Die Auswahl dieses Textfragmentes ist natürlich etwas polemisch. Es geht darum, dass gemäss Bundesrecht sämtliche Verwaltungsentscheide vor Gericht angefochten werden können. Dazu gehören auch die Entscheide, ob jemand eingebürgert wird oder nicht. Der Basler Grosse Rat, der bisher die Kompetenz über die Erteilung des kantonalen Bürgerrechtes wahrnahm, beschloss, diese Entscheide künftig der Regierung zu überlassen, was eine Verfassungsänderung und damit eine Volksabstimmung notwendig macht.
Am 27. November entscheiden die Basler Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gleichzeitig über eine zweite Vorlage zum Thema Einbürgerungen: Die SVP will mit einer Initiative erreichen, dass das Bürgerrecht nur noch erhält, wer ein Diplom über das erreichte Niveau B2 des "Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen" einreicht. Der Grosse Rat legt dazu einen Gegenvorschlag vor: Eingebürgert wird, "wer nachweislich über Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift verfügt, um sich über allgemeine Themen auszutauschen und behördliche Informationen in der Hauptsache zu verstehen." Das entspricht dem Niveau B1 mündlich und A2 schriftlich.
Niveau B1 reicht für Erläuterungen nicht
Und damit wären wir wieder beim eingangs erwähnten Textbeispiel. Liest man die ebenfalls im Abstimmungsbüchlein wiedergegebenen Anforderungen der verschiedenen Referenzniveaus, kommt man zum Schluss, dass auch B1 nicht genügt, um die Abstimmungserläuterungen zu verstehen. Dort wird B1 so definiert: "Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht." Zu B2 heisst es dagegen: "Kann die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen." Und beim Abstimmungsbüchlein, das nur in deutscher Sprache erscheint, handelt es sich zweifellos um einen Text, der B2-Kenntnisse erfordert.
Vizestaatsschreiber Marco Greiner erklärte nun auf Anfrage gegenüber OnlineReports, dass man sich bemühe, das Abstimmungsbüchlein für das Niveau B1 zu formulieren – also möglichst einfach und ohne Fremdwörter. Die behördlichen Informationen sollen in der Hauptsache verstanden werden, heisst es ja auch im Gegenvorschlag. Es bleibt zu hoffen. Vielleicht gehört die zitierte "Rechtsweggarantie" ja nicht zu den Hauptpunkten.
Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass auch viele Schweizer Muttersprachler Mühe haben, komplizierte politische Sachverhalte zu verstehen, weil sie sich gar nicht auf die schriftlichen Erklärungen einlassen.
Schon lange ein Auge auf Sprachkenntnissen
Hat nun die SVP mit ihrer schärferen sprachlichen Anforderungen an Einbürgerungswillige nicht doch Recht? Das Niveau B2 sei "unrealistisch hoch", sagt Sonja Kaiser, Präsidentin der Einbürgerungskommission der Basler Bürgergemeinde, die für die materielle Prüfung zuständig ist. Bei den Einbürgerungsgesprächen achte man schon lange auf das Sprachniveau der Kandidaten. Man verlange von ihnen, dass sie mit ihren Deutschkenntnissen den Alltag selbstständig meistern können. Wenn der Gegenvorschlag des Grossen Rates durchkommt, werde man die Ansprüche anheben und einen Nachweis über erfolgreich absolvierte Sprachkurse verlangen.
Der parlamentarische Gegenvorschlag wird auch von den Bürgergemeinden Basel, Riehen und Bettingen unterstützt. Dieser knappe Hinweis im Abstimmungsbüchlein ist nicht ganz unwesentlich, denn immerhin leistet vor allem die Basler Bürgergemeinde die Hauptarbeit im bis zu drei Jahre dauernden Einbürgerungsprozedere.
3. November 2011
"Ausgerechnet die SVP!"
Amüsant! Ausgerechnet die SVP bezieht sich auf einen "Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen". Um das zu verstehen genügt das Niveau B2 bestimmt nicht.
Peter Berlepsch, Basel
"SVP macht mehr Rechtschreibe- und Grammatikfehler"
Ich weiss wirklich nicht, mit welcher Legitimation die SVP für bessere Deutschkenntnisse eintritt. Nach meiner langjährigen Beobachtung enthalten die parlamentarischen Vorstösse (und die Leserbriefe) der selbsternannten Sprachschützer bedeutend mehr Rechtschreibe- und Grammatikfehler als politische Substanz. Konsequenz: Zu Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland.
Roland Stark, Basel