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"Möglichst viele Festnahmen": Basler Polizeispitze, Gutachter*

Basler Polizei entschuldigt sich für Fehlentscheide bei Anti-WEF-Demo

Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass will Empfehlungen eines Gutachtens von Christoph Meier umsetzen


Von Peter Knechtli


Der Polizeieinsatz zur Verhinderung einer Anti-WEF-Demo in Basel hat Folgen. Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass und sein Polizeikommandant Roberto Zalunardo haben sich heute bei den zu Unrecht Festgenommenen entschuldigt. Grundlage dafür war eine unabhängige Untersuchung, die mehrere gravierende Fehlentscheide attestiert.


Es war eine Medienkonferenz der seltenen Art: Da standen der Basler Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass und sein Polizeikommandant Roberto Zalunardo hin, gestanden ungeschminkt Fehler ein und entschuldigten sich bei den Betroffenen. Ausgangspunkt waren die 66 Verhaftungen von tatsächlichen und vermuteten Anti-WEF-Demonstranten am Samstag, 26. Januar. Es war Regierungsrat Gass persönlich, der sehr rasch den ehemaligen Basler Strafgerichtspräsidenten Christoph Meier mit einer umfassenden Administrativuntersuchung beauftragte.

Schonungsloser Untersuchungsbericht

Heute Donnerstagmittag präsentierte Meier nun seine Ergebnisse, die in keiner Weise den Eindruck der Befangenheit und "Polizeifreundlichkeit" erweckten, wie ihm zuvor unterstellt worden war. Ganz im Gegenteil: Was der Jurist präsentierte, war eine möglichst objektive und schonungslose Bewertung des öffentlich heftig kritisierten Polizeieinsatzes. Zwar war es der Polizei gelungen, in der Basler Innenstadt eine Demonstration mit hoher Gewaltbereitschaft, für die zu keinem Zeitpunkt ein Gesuch eingereicht worden war, zu verhindern. Doch Meiers Analyse zum Vorgehen der Polizei, die vom Staats- und Verwaltungsrechtler Markus Schefer gegengelesen und bestätigt wurde, ist alles andere als schmeichelhaft.

Wie aus seinem Bericht hervorgeht, habe der Einsatzbefehl die Absicht enthalten, "möglichst viele Verhaftungen" vorzunehmen. Dieses Ziel schien dann der Polizeieinsatz auch konsequent zu verfolgen: An verschiedenen Orten der Innenstadt wurden insgesamt 66 Personen verhaftet ("angehalten"), die "konspiratives Verhalten" zeigten oder äusserliche Kriterien mutmasslicher Aktivisten wie "alternative, schwarze Kleidung" oder "Rasta-Locken" erfüllten. Wie Meier präzisierte, gehörten 41 Personen der Bewegung "Revolutionärer Aufbau Schweiz" (RAS) oder dem "Schwarzen Block" an. Ihre Anwesenheit sei als "starkes Indiz" dafür gewertet worden, "dass in Basel effektiv eine unbewilligte Demonstration geplant war".

Verstoss gegen Menschenrechtskonvention

Wie Gutacher Meier auf eine OnlineReports-Frage präzisierte, kann davon ausgegangen werden, dass 25 Personen - also mehr als jede dritte - zu Unrecht "angehalten" wurden, darunter auch eine 13-köpfige Gruppe tschechischer Architektur-Studenten. Der frühere Gerichtspräsident schilderte anhand von Beispielen, wie Festnahmen "ohne ausreichende Verdachtsmomente" vorgenommen wurden, wie zehn Jugendliche dingfest gemacht wurden, ohne dass sie ihre Eltern benachrichtigen konnten.

Als "grundsätzlich nicht gerechtfertigt" bezeichnet Meier die Fesselung mit Kabelbindern, weil sich die Betroffenen kooperativ verhielten und - im Gegensatz zu Situationen nach begangenen Delikten - keine Fluchtgefahr bestand. Aus demselben Grund seien auch die Foto- und Filmaufnahmen "unzulässig" gewesen. Indem die Polizei gewissermassen ein "Fangnetz" ausgeworfen habe, sei es zu "unzulässigen Anhaltungen" gekommen, die gegen Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstiessen.

Appell an Respektierung der Grundrechte

Die "präventive Doktrin", eine Demo im Ansatz zu ersticken, war nach Meiers Auffassung "zweckmässig", doch hätte sie "ein subtileres Vorgehen" wie eine "sofortige Triage" und ein "stufenweises Vorgehen" bedingt, statt Festnommene pauschal stundenlang im Untergeschoss des "Waaghofs" zu erfassen. Die Polizei habe es in jenem Keller auch unterlassen, Minderjährige und Erwachsene getrennt zu behandeln, kritisierte Meier weiter.

Die Aufnahme der Personalien und die Personenkontrollen seien indes auch laut Aussagen der Betroffenen "korrekt" und "anständig" durchgeführt worden. Dass sich eine Frau vor einem Polizisten habe ausziehen müssen, wies Meier als "Zeitungsente" zurück. Allerdings müsse die Polizei bei Kleiderdurchsuchungen ("hat einen demütigenden Charakter") künftig "restriktiver" vorgehen. Meier: "Die Grundrechte der Betroffenen müssen nach Gesetz und Verfassung respektiert werden."

Brandanschläge signalisierten Gewaltbereitschaft

Aus dem Report des erfahrenen Richters geht auch hervor, dass nicht der damals krankheitshalber verhinderte Kommandant Roberto Zalunardo den Einsatz leitete, sondern sein Stellvertreter Rolf Meyer. Sowohl Zalunardo wie sein vorgesetzter Regierungsrat Hanspeter Gass gestanden die im Gutachten dokumentierten Fehler ein: "Ich entschuldige mich in aller Form bei den Personen, die zu Unrecht betroffen waren", sagten Gass und Zalunardo inhaltlich übereinstimmend. Die beiden Sicherheits-Verantwortlichen aber machten geltend, dass die Polizei unter dem Eindruck mehrerer Brandanschläge auf Autos mit einer Schadensumme von über einer halben Million Franken kurz vor jenem Samstag gestanden hätten, für die gewaltbereite WEF-Gegner die Verantwortung übernommen hatten.

Der Polizeikommandant räumte mehrfach "falsche" oder "mangelhafte Entscheide" und Fehleinschätzungen ("Wir gingen davon aus, dass die Fotos und Filme rechtens sind") ein, bedauerte "Fehlleistungen" und versprach Besserung: "Wir sind eine lernfähige Polizei. Wir werden dafür sorgen, dass sich diese Fehler nicht wiederholen." Bereits seien zwei Arbeitsgruppen eingesetzt und erste "Sofort-Massnahmen" umgesetzt worden: Getrennte Befragung von Jugendlichen und Erwachsenen sowie die Verbesserung und Verfeinerung der Triage. Ebenso habe sich der Einsatzleiter bei der tschechischen Reisegruppe entschuldigt.

Damit künftig beobachtende Medienschaffende vom polizeilichen Zugriff verschont bleiben, sollen die Ordnungshüter auch in der Kontrolle offizieller Presseausweise unterrichtet werden.

 

* von links: Polizeikommandant Roberto Zalunardo, Regierungsrat Hanspeter Gass, Gutachter Christoph Meier

6. März 2008

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"Verantwortliche sollen zur Rechenschaft gezogen werden"

Mit viel Genugtuung las ich die Entschuldigung von Roberto Zalunardo und Regierungsrat Hanspeter Gass. Das beweist ihre Grösse und sind recht neue Töne aus dem Sicherheitsdepartement. Beim Weiterlesen sträuben sich mir dennoch die Haare. Da werden in unserer humanistischen Stadt Menschenrechte und Grundrechte verletzt und diese Rechtsverletzungen auch noch als Befehl herausgegeben. Irritierend ist zudem, dass unser Polizeikommandant offensichtlich die einfachste Rechtslage nicht wirklich kennt.

 

Gut finde ich zudem, dass der Fall schonungslos untersucht wurde und dass die Verantwortlichen sich zu einer Entschuldigung durchringen konnten. Eine Frage bleibt: Welche Konsequenzen haben diese Rechtsverletzungen? Bleibt es bei einer formellen Entschuldigung ohne klare und für die Rechtsverletzer spürbare Konsequenzen? Wenn dem so ist, wird diese Entschuldigung als billiger Freipass für künftiges Verhalten gelten. So ganz nach dem Motto: "Ich werde mich nachher in aller Form entschuldigen und Besserung geloben." Dürfen wir Bürgerinnen und Bürger das dann auch? Uns mit einer Entschuldigung vor einer Busse oder Strafverfolgung drücken? Für mich sind die Polizei und unser Sicherheitsvorsteher erst entschuldigt, wenn die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen wurden.


Daniel Kobell, Basel



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"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
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Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

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Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

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Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

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