Cui Ayis Spezialität: Jiaozi zum z’Nacht
Wer nun Ravioli, beziehungsweise die chinesische Variante Jiaozi erfunden hat, darüber gehen – wie wir im letzten "De Gustibus" bereits ausführlich darlegten – die Meinungen der Gelehrten weit auseinander. Neulich habe ich aber in einem chinesischen Magazin gelesen, dass nach schriftlichen Quellen Bauern schon vor 2'500 Jahren am Gelben Fluss – der Quelle der chinesischen Kultur – Teigtaschen-ähnliche Gerichte zubereitet haben.
Gesichert ist, dass vor 1'300 Jahren Jiaozi existierten, denn Archäologen haben in einem Grab aus der Tang-Dynastie in Turfan (Autonome Region Xinjiang) welche gefunden, die sich in Form und Füllung kaum von heutigen Jiaozi unterscheiden. Ob die Etrusker oder die alten Griechen in ihren Kolonien in Süditalien auch bereits Ravioli-Ähnliches degustierten, daruber hat sich auch der grosse Historiker Herodot nicht ausgelassen.
Einmal Jiaozi oder Ravioli auf dem Teller, spielt es weder für einen Italiener noch eine Chinesin eine Rolle, wer denn diese Teigtäschchen "erfunden" hat oder haben soll. Hauptsache es schmeckt.
In China gibt es unzählige Arten von Ravioli. Die Bewohner jeder Landesgegend behaupten natürlich, dass ihre Variante die allerbeste, unvergleichlich und mithin nicht zu übertreffen sei. Zunächst einmal gibt es kulinarisch generell einen Unterschied zwischen Nord- und Südchina. Ähnlich wie durch Helvetien geht auch durch China ein Graben. Die Schweiz hat – schiint's – einen Röschti-Graben. China hat entlang des Yangtse-Flusses seinen Reis-Nudel-Graben.
Trotz Reis hat aber auch der Süden seine Teigtaschen, im Ausland bekannt und weltberühmt als Dim Sum. Lecker, gewiss. Aber weil nördlich des Reis-Nudel-Grabens wohnend ist für mich das Urteil schnell gefällt: Bei weitem leckerer als Dim Sum sind Jiaozi. Diese nördliche Teigtäschchen-Variante ist im Ausland jedoch praktisch unbekannt. Dafür kann in Nordchina mit wenigen Ausnahmen praktisch jedermann und jedefrau Jiaozi herstellen und zubereiten – nach jahrelangem Üben Ihr kulinarischer Asien-Kolumnist inbegriffen.
In der chinesischen Hauptstadt gibt es Miriaden von Kleinst-, Klein-, Mittel- und Grossrestaurants, die jede nur denkbare Art von Jiaozi servieren. Die Preisunterschiede sind so gross wie die Kluft zwischen Arm und Reich oder zwischen dem reichen Küstengürtel – zu dem ja Peking gehört – und den weniger wohlhabenden Inland-Provinzen. So kann es nicht überraschen, dass sich in Trendlokalen auch Spitzenköche unterdessen den Jiaozi angenommen haben. Molekular, versteht sich.
Wo aber gibt es das beste Essen weltweit, wo? Richtig, zu Hause. Meine Jiaozi-Lehrerin Cui Juning (Bild) ist 51 Jahre alt, aus Peking, ehemalige Arbeiterin, Mutter eines Sohnes und Grossmutter eines kleinen Mädchens. Sie ist die perfekte Köchin. Hin und wieder kocht Cui Ayi – "Tantchen Cui", wie Haushälterinnen in China vertraulich genannt werden – für Gäste. Alle sind begeistert. Ihre Jiaozi sind nicht zu übertreffen, finde ich. Hier ist das Rezept – e Guete!
Jiaozi
• Teig: Wasser, Weizenmehl, ein Ei. Alles zu einem Teig kneten. Ruhen lassen. Auf etwas Mehl auswalen. 5cm breite Plätzchen ausschneiden. Mit Füllung belegen und nassen Fingern einrollen.
• Füllung:
- Sowohl für Gemüse- wie für Fleischravioli: Sesam-Öl, Soya-Sauce, Kochwein, Glutamat, Salz, Pfeffer , eine Prise Zucker, kleingehackte chinesische Zwiebeln und Ginger. Alles gründlich mischen und umrühren.
- Für Fleisch-Jiaozi: feinst Gehacktes vom Rind, Schwein, Schaf oder Ziege. Mit der Marinade gründlich vermischen.
- Für Fisch/Meerfrüchte-Jiaozi: Meer- oder Süsswasserfische, Crevetten. Zerkleinern. Mit der Marinade gründlich vermischen.
- Für Gemüse- oder Ei-Jiaozi: Hartgekochte Eier fein zerhacken. Gemüse aller Art, z.B. China-Kohl, Frühlings-Zwiebeln, Rübchen etc.
• Zubereitung:
a) Schui-Jiaozi: Im heissen Wasser al dente kochen.
b) Zheng Jiaozi: In Bambuskörbchen legen und im Dampf zubereiten.
c) Guo Tie: Im Wok oder einer Pfanne bereits al dente gekochte Jiaozi braten.
14. März 2011