... Irgendwo: Neues
Nach 78 mal "Süss&Sauer" soll nun etwas Neues kommen. Die Grundidee der Kolumne war einfach: Ost und West, also Süss und Sauer, sollten in vielfältigen Facetten nach Gemeinsamkeiten, aber auch nach Differenzen abgetastet und dar-, beziehungsweise einander gegenübergestellt werden. Manchmal ist das gelungen, manchmal nicht. Natürlich wäre thematisch noch viele Süsses und Saures möglich gewesen. Doch als Autor will man möglichst der Routine entfliehen. Das bedingt dann hin und wieder einen heilsamen Bruch. Die OnlineReports-Sommerpause hat dann den Bruch und mithin einen neuen Anfang möglich gemacht.
Etwas Neues. Das ist leicht hingeschrieben. Die Frage allerdings bleibt: Was? Aus sehr vielen Ideen ist für mich ziemlich schnell noch eine Form übrig geblieben. Da ich sehr viel reise, fast ständig unterwegs bin, hat sich eine alte, zugegebenermassen etwas altmodische Form fast aufgedrängt: "Brief aus ...". Im Zeitalter des Internets, der Blogs, des E-Mails mag das für viele reichlich antiquiert tönen. Sei's drum. Obwohl ich nämlich punkto IT trotz fortgeschrittenem Alter immer das Allerneueste ausprobiere - meine halbe Bibliothek ist auf einem kleinen Bildschirm digital stets abrufbereit und die komplette Plattensammlung auf einem IPod stets hörbereit - schreibe ich neben vielen E-Mails noch immer handgeschriebene Briefe. Mit Füllhalter, schwarzer Tinte notiert auf weissem Papier.
Wie wir, womit wir, und worauf wir schreiben, ist - das habe ich in über vierzig Jahren als Journalist langsam zu spüren geglaubt - nicht ganz unerheblich. Jüngere Kollegen, darauf angesprochen, verstehen meist auf Anhieb nicht einmal die Frage. Nach einigen Erläuterungen schütteln sie fast immer lächelnd und ungläubig den Kopf und denken etwas erstaunt - wohl nicht ganz zu Unrecht - über diese altmodischen Vorstellungen des Journalisten-Fossils nach.
Seit fast drei Jahrzehnten schreibe ich meine Texte selbstverständlich auf dem Computer, heute konkret auf dem Laptop. Das ist zugegebenermassen praktisch. Löschen, schreiben, löschen, Sätze oder ganze Abschnitte umgruppieren. Nichts leichter als das. Nun ja. Polemisch formuliere ich es manchmal so zuhanden der jüngeren Journalisten-Generation: Früher hat man sich vor dem Schreiben manchmal noch die Gedanken zurechtgelegt.
Doch noch heute greife ich, wenn es inhaltlich und sprachlich "bränzelig" wird, nicht ungern zu meiner Füllfeder und einem weissen Blatt Papier. Mein journalistischer Übervater Oskar Reck hat mir das beigebracht. Anfang der siebziger Jahre, als der allererste Schritt zur Automatisierung des Bleisatzes durch Lochstreifen in den Druckereien vollzogen wurde, hätte OR (so sein Kürzel) seine Manuskripte mit der Schreibmaschine schreiben müssen. Denn ungleich den Maschinensetzern konnten die Lochstreifen-Sekretärinnen Handschriften nicht mehr entziffern. OR aber blieb beim Füller und dem weissen Papier. Ohne, sagte er, könne er einfach weniger gut schreiben und mithin denken.
Alles in allem freilich denke ich heute, dass Papier oder Laptop letztlich keinen Unterschied ausmachen. Es sind ganz einfach zwei verschiedene Zugänge zum Schreiben. Klar, dass die Jungen mit Füller und Papier nicht mehr allzu viel anfangen können, schliesslich sind sie ja praktisch digitalisiert aufgewachsen.
Ich für meinen Teil pflege - schon ganz asiatisch - das Prinzip "sowohl als auch". Deshalb also auch der altmodische Titel der neuen Kolumne " Brief aus ...". Handgeschrieben mit schwarzer Tinte auf ein weisses Blatt Papier. Garantiert. Erst nachher setze ich mich an den Laptop und versuche, meine Handschrift zu entziffern ... in vierzehn Tagen zum ersten Mal mit einem "Brief aus der Mongolei".
22. August 2007