Werbung

© Foto by OnlineReports.ch


Geothermie-Erdbeben: Experten über Risiken uneinig

Vor dem Basler Strafgericht begann heute Dienstagvormittag der Strafprozess gegen den Geologen Markus Häring, den Projektverantwortlichen des Basler Geothermie-Projekts. Die als Zeugen vorgeladenen Experten zeigten sich über die Risiko-Einschätzungen vor dem schockierenden Erdbeben vom 8. Dezember 2006 uneinig. Morgen Mittwoch halten Staatsanwalt und der Verteidiger ihre Plädoyers.
Basel, 15. Dezember 2009

Es war eine Serie von Erdbeben, die die Basler Bevölkerung am 8. Dezember 2006 und in den Wochen danach in Angst und Schrecken versetzte: Verursacht wurde sie durch das Einpressen von Wasser in eine Tiefe von 5'000 Metern unter hohem Druck. Als einziger Angeklagter steht seit heute Morgen der 57-jährige Projektleiter und Geschäftsführer der "Geothermal Explorers Ltd.", Markus Häring (Bild rechts), vor Strafgericht. Er hatte sich unter anderem durch die Entdeckung des grössten Gasfeldes von Südamerika als Explorationsgeologe des Erdöl-Multis Shell einen Namen gemacht.

Häring: "Absurde Anschuldigungen"

Bei der Basler Erdwärme-Bohrung auf einem IWB-Werkareal in Kleinhüningen ging es um ein Pionierprojekt, mit dem im grossen Stil nicht nur Wärme, sondern auch Strom auf wirtschaftlicher Basis gewonnen werden soll. Häring als Profi mit viel Exklusiv-Wissen trieb das Projekt voran, im Wissen um die starke Beobachtung durch die internationale Fachwelt und getragen durch die von rund zehn Partnern gebildete "Geopower Basel AG".

Für die vom Ersten Basler Staatsanwalt Thomas Hug verfasste Anklage wegen Sachbeschädigung und Verursachen einer Überschwemmung oder eines Einsturzes hatte Häring aber nicht viel übrig: Die Anschuldigungen seien "haltlos" und "inhaltlich absurd". Lachend erklärte er dem Gericht, unterirdische Überschwemmungen und Einstürze gebe es gar nicht. Der Untergrund sei dichtes, wassergesättigtes Gestein. Zwar seien "Mikroerschütterungen" durchaus gewollt gewesen, um das kristalline Gestein wasserdurchlässig zu machen. Ein Beben der Stärke 3,4 sei aber keinesfalls erwartet worden.

Risiko-Analyse im Gerichtssaal

Häring verwies auf ein ausgeklügeltes Monitoring-System im Untergrund und an der Erdoberfläche, das es erlaubt habe, Bewegungen im Untergrund in Echtzeit zu erfassen und bei unerwarteten Vorfällen geeignete Massnahme zu treffen. Allerdings, so räumte er ein, sei er von der Heftigkeit des Bebens am 8. Dezember 2006 "überrascht" worden. Der von einem Knall begleitete "kurze harte Schlag" des künstlich ausgelösten Bebens sein von der Bevölkerung stärker wahrgenommen als ein natürliches Beben. Die "allergrösste Überraschung" sei in der Fachwelt allerdings gewesen, dass es auch einen bis zwei Monate später zu deutlich wahrnehmbaren Beben gekommen sei, obschon nicht nur das Pumpen sofort abgestellt, sondern auch der Druck abgebaut und das Wasser abgelassen worden sei. Diese Vorkommnisse hätten laut Häring ("Das ganze Projekt war ein Lernprozess") nicht erwartet werden können: "Das Ereignis in Basel ist ein Ausreisser."

Die Verhandlungsführung von Gerichtspräsidentin Felicitas Lenzinger versuchte zu ergründen, ob Häring bei seinen Druck-Injektionen zu risikoreich vorgegangen sei, Warnungen in den Wind geschlagen und den Stand der damaligen Technik genutzt habe. Die verschiedenen zitierten Umweltverträglichkeits- und Fachberichte gaben darauf heute Dienstagmorgen keine klare Antwort. Relativ deutlich zum Ausdruck kam, dass die Basler Öffentlichkeit nicht in der gebotenen Deutlichkeit auf die Möglichkeit von Erdbeben vorbereitet worden war. Auf eine Medienkonferenz sei bewusst verzichtet worden, eine (zurückhaltend formulierte) Medienmitteilung kurz vor der Wasser-Injektion sei nur unauffällig publiziert worden, sagte Häring.

Unterschlagene Risiko-Information

In unterschiedlicher Deutlichkeit äusserten sich am Nachmittag die als Zeugen vorgeladenen Experten. Dominik Keller, Präsident der regierungsrätlichen Basler Risikokommission, zeigte  sich "überrascht" von der Heftigkeit des Bebens. In den den drei Sitzungen der Kommissin seien aber "nie Risiko-Bedenken grundsätzlicher Art geäussert" werden. Auch der in der Kommission vertretene Schweizerische Erdbebendienst habe keine Bedenken angemeldet.


Kritischer äusserte sich der frühere Basler Kantonsgeologe Professor Peter Huggenberger. Er attestierte, dass die unabhängige Kontrolle der Überwachnung durch den Erdbebendienst gut geklappt habe ("eine Erfolgsstory"). Hingegen hätten Regierung und Grosser Rat nicht nur über die Vorteile, sondern auch über die Risiken des Projekts informiert werden sollen. Laut Huggenberger war "lange unklar, wer wofür zuständig ist": "Auch nach den ersten Erdbeben gab es immer noch Verantwortliche, die mit Information sehr zurückhaltend waren", sagte Huggenberger, ohne Namen zu nennen. Es habe eben – in der Wissenschaftsgemeinde ebenso wie in der Politik und in der Elektrowirtschaft – "eine Euphorie geherrscht zu jener Zeit", in der kritische Stimmen nicht so gern gehört wurden. Im Gegensatz zu vielen Experten, die das Risiko als gering einschätzten, sei er "relativ kritisch" gewesen. Denn "Wasserinjektionen kann man nicht einfach stoppen."

Promotoren wollten "keine schlafenden Hunde wecken"

Von der Gerichtspräsidentin nach dem Verhalten Härings gegenüber Risiko-Bedenken befragt, wollte sich Huggenberger nur "generell" äussern. "Man wollte sehr rasch rasch Resultate." Er habe schon damals Beben mit einer Magnitude von 4,5 für "durchaus möglich" gehalten und diese Meinung auch geäussert. Doch offenbar "wollte niemand "schlafende Hunde wecken". Huggenberger kritisierte auch das damalige dreistufige "Ampel-System", das je nach Heftigkeit von Beben bestimmte Massnahmen vorsah. Dieses System habe "nicht auf den neusten Erkenntnissen der Felsmechanik" basiert. Nach seiner Auffassung hätte die Anlage zuerst als Forschungsprojekt und nicht gleich als "Produktionsprojekt" realisiert werden sollen.

Laut Nicolas Deichmann vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED) wurde seine Fachstelle "schleichend" in das Projekt einbezogen. Es habe "überhaupt nie" Diskussionen gegeben, auf welche Weise Daten erhoben werden sollen. Andere Verfahren als das dreistufige Ampel-System zur Risikoverminderung habe es damals nicht gegeben, sagte Deichmann auf die Frage der Vorsitzenden, die den Stand der Technik vor drei Jahren zu ergründen suchte. Dass es zu einem Beben von 3,4 Stärke kommen konnte, habe der SED nie ausgeschlossen ("ausschliessen kann man nichts"), aber "überraschend" sei der frühe Zeitpunkt gewesen.

Deichmann sprach von "sehr wenig handfesten Grundlagen" zur Abschätzung einer Ausdehnung der Bebens ausserhalb des stimulierten Volumens. Es habe diesbezüglich gewisse unterschiedliche Auffassungen mit Häring gegeben. Man dürfe ihm "aber nicht den Vorwurf machen, dass er das Risiko wissentlich falsch eingeschätzt hat".

Wissens-Lücken eingeräumt

Deichmann, der nur in wenigen Aspekten von der Argumentationslinie Härings abwich, führte aus, es habe zwar geologische Modelle von Professor Huggenberger gegeben "und wir wussten, wo die gefährlichen Brüche liegen". Aber die Spannungszustände im Untergrund habe man "nicht im Voraus kennen können". Es habe tatsächlich "Forschungsbedarf bestanden". Aber Massnahmen, die der Erdbebendienst vorgeschlagen hatte, seien "in keiner Art und Weise auf Widerstand" Härings gestossen. Mit ihm habe insgesamt "eine ausgezeichnete Zusammenabeit geherrscht". So habe der Erdbebendienst darauf gedrängt, das Überwachungssystem nach der Explorationsphase weiterzuführen, was auf Zustimmung gestossen sei.

Unklar sei während einer gewissen Zeit die Aufgabentrennung zwischen Erdbebendienst und den Basler Behörden gewesen. Auch in der Kommunikation der Öffentlichkeit sei "einiges schief gelaufen", gab Deichmann zu Protokoll.

Härings Anwalt Stefan Suter sagte am frühen Morgen noch  vor Prozessbeginn, die Anklage gegen seinen Mandanten sei "absurd", er werde auf Freispruch plädieren. Die Plädoyers von Staatsanwalt Thomas Hug und Verteidiger Suter werden morgen Mittwochnachmittag gehalten. Nach der Erdbeben-Serie ging insgesamt 2'700 Schadensmeldungen bei der Bauherrin und der Polizei ein.

Kommentar zum Freispruch




Weiterführende Links:
- Die treibende Kraft des Geothermie-Projekts auf der Anklagebank
- Basler Regierung beerdigt das Geothermie-Experiment
- Staatsanwalt fordert 18 Monate für Markus Häring
- Erdbebendienst-Direktor fordert offene Risiko-Diskussion


 Ihre Meinung zu dieser News
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)

www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz

© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.

Veranstaltungs-Hinweis

 

Ein zärtlicher Irrsinn

Nach achtjähriger Abwesenheit kehrt Avery Sutton mit seiner Verlobten Gillian zu seiner Familie zurück. Was von da an passiert, muss man gesehen haben.

Mit "37 Ansichtskarten" von Michael McKeever winkt den Zuschauerinnen und Zuschauern eine zauberhaft schwarze Komödie mit berührenden Momenten und angenehmer Unterhaltung. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Vorverkauf hier:
www.theater-rampenlicht.ch

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

Werbung






In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).