Werbung


Staatsanwalt fordert 18 Monate für Markus Häring

Im Prozess um die künstlich ausgelösten Geothermie-Erdbeben fordert der Staatsanwalt für Projektleiter Markus Häring eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Der Verteidiger des Angeklagten verlangt, wie bereits angekündigt, Freispruch.
Basel, 16. Dezember 2009

Als Richterin Felicitas Lenzinger heute Mittwochnachmittag, kurz nach 15.30 Uhr dem Geologen Markus Häring (57) das Schlusswort erteilte, war dieser nicht vorbereitet. So platzte es, den Emotionen des Angeklagten entsprechend, ungefiltert aus ihm heraus: Er sei "erschüttert, dass die Staatsanwaltschaft auf einem derart tiefen Niveau" arbeite. Hätte er selbst bei seinem Geothermie-Projekt so gearbeitet, hätte er verstanden, auf der Anklagebank sitzen zu müssen.

Erdbeben-Folgen als Chef-Sache

Die Serie von Erdbeben, die nach der Wasser-Injektion im Rahmen des Basler Geothermie-Projekts die Bevölkerung der Region in Schrecken versetzte, war von Thomas Hug, dem Ersten Staatsanwalt des Kantons Basel-Stadt, in strafrechtlicher Hinsicht zur "Chef-Sache" bestimmt worden, wie er gegenüber OnlineReports erklärte. Grund dafür sei insbesondere die hohe Resonanz, die die von der Bevölkerung nicht erwarteten Beben in der Öffentlichkeit gehabt hätten. Zwei- bis dreimal jährlich, offensichtlich in wichtigen Fällen vertritt der Chef im Gerichtssaal die Anklage.

Heute Mittwoch war es wieder einmal so weit. Strafrechtlich ins Visier genommen hatte Hug den Angeklagten Markus Häring, Geschäftsführer der "Geothermal Explorers Ltd.", die treibende Kraft des Basler Geothermie-Projekts. Zwar habe die halbstaatliche "Geopower Basel AG" das Baugesuch beim Basler Baudepartement eingereicht und auch die Bewilligung für die Durchführung des Projekts "Deep Heat Mining" erhalten. Für die technische Durchführung allein verantwortliche Fachperson mit einem wissenschaftlichen Exklusiv-Knowhow aber sei Häring gewesen. Ihn stellte die Staatsanwaltschaft wegen Sachbeschädigung und Verursachen einer Überschwemmung oder eines Einsturzes unter Anklage.

Ankläger würdigt Härings Rolle

In seinem dreiviertelstündigen Plädoyer würdigte Hug Härings Rolle und fachliche Arbeit als Promoter einer Technologie zur nachhaltigen Energiegewinnung. Daran habe vor drei Jahren wie heute fraglos ein grosses politisches Interesse bestanden. Aber gerade der Charakter der Nachhaltigkeit dürfte eine Vernachlässigung der Risiken nicht rechtfertigen. Innovation und mögliche Gefahren müssten sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Es gehe ihm "nicht darum den Angeklagten zu kriminalisieren". Aber das öffentliche Interesse an diesem Fall, die materiellen Schäden, die entstandene Angst und die Verunsicherung müssten "zwangsläufig" strafrechtlich verfolgt und einem Gericht unterbreitet werden.

Hug ging in seinen Ausführungen immer wieder auf die dominierende Rolle Härings sowohl während der Projektentwicklung wie auch während der politischen Entscheidfindung ein. So seien in der Kreditvorlage an den Grossen Rat teilweise wörtlich mit einem früheren Bericht Härings übereinstimmende Formulierungen festgestellt worden. Hinweise auf Erdbeben der gehabten Art hätten darin gefehlt, obschon sie Häring (Hug: "Der Vater der Geothermie in der Schweiz") später in Kauf genommen habe. Im Verwaltungsrat der Geopower seine "keine Fachleute, sondern Vertreter der Aktionäre" gesessen. Häring sei der "wissenschaftlicher Leiter" gewesen und auch "als Projektverkäufer aufgetreten".

Der Vergleich mit dem 40-Tönner

Der Ankläger führte aber auch den "Erfolgsdruck", unter dem Häring stand und unter den er sich selbst gesetzt hatte, ökonomische Sachzwänge und das persönliche Engagement des Projektleiters in Feld: Sie seien "Anlass gewesen, das Projekt durchzuziehen". Dabei habe ihm als "versiertem Geologen" klar sein müssen, dass Schäden im Bereich des Möglichen liege". Insbesondere habe Häring auch wissen müssen, dass die Referenzanlage im elsässischen Soultz-les-fôrets, wo es zu einem maximalen Erdstoss mit einer Magnitude von 2,9 gekommen war, "nicht einfach auf Basel übertragen werden konnte". Hug stützte sich auch auf Aussagen des Geologie-Professors Peter Huggenberger, der als Berater der Kantonsregierung tätig war. Danach hätten Fachleute "die Risiken heruntergespielt". So habe Häring der damaligen Baudirektorin Barbara Schneider auf die Frage nach den Schadensrisiken erklärt: "Das ist etwa so, wie wenn ein 40-Tonnen-Lastwagen an einem Haus vorbeifährt."

Hug forderte schliesslich eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten mit offener Probezeit.

Anklage gehöre "ins Reich Absurdistan"

Härings Verteidiger Stefan Suter liess dem höchsten Ankläger keine Schonung angedeihen – ganz im Gegenteil: "Mit Strafrecht", konterte Suter in leicht süffisantem Unterton, "hat dieser Fall gar nichts zu tun". Er könne sich gar nicht vorstellen, was mit einer "unterirdischen Überschwemmung" gemeint sei. Die Staatsanwaltschaft habe das Problem, dass das Verursachen eines Erdbebens gar kein Straftatbestand sei. Zwar sei, wie bei einem naturwissenschaftlichen Projekt, ein gewisses Risiko in Kauf genommen worden. Die Behauptung aber, Häring sei Alleinverantwortlicher gewesen, gehöre "ins Reich Absurdistan". Mit dabei seien die Fachleute des Schweizerischen Erdbebendienstes (SED), der Geopower Basel AG und des wissenschaftlichen Beirats gewesen: "Man kann nicht sagen, das seien alles Kläuse."

Der Verteidiger warf Hug auch vor, die Anklage beruhe auf einem falschen Konzept: Nicht das Mass der Magnitude sei für Schäden an der Oberfläche verantwortlich, sondern die Bodengeschwindigkeit. Dem Zeugen Huggenberger, der Häring am meisten belastete, warf Suter zweifelhaftes Verhalten vor: Als Berater könne und müsse einen Rat abgeben, wenn er  den Eindruck habe, es geschehe "etwas Gefährliches". Er hätte protestieren statt sich hinterher "als Skeptiker bezeichnen" sollen. SED-Experte Nicolas Deichmann habe bestätigt, "dass man nach dem Stand der damaligen Technik vorgegangen" sei. Er bestritt auch die dem Angeklagten angelastete Vorsätzlichkeit: "Kann jemand vorsätzlich handeln, der seinen vorgesetzten Stellen folgt?"

Häring in der Schweiz weg vom Fenster

Wenig konnte der Verteidiger mit den insgesamt 2'700 Schadenspositionen anfangen. Suter liess mindestens durchblicken, dass sich darunter nicht wenige Fälle von Versicherungsbetrug befinden könnten, die ihrerseits ein Fall für die Staatsanwaltschaft sein könnten: "Die Risse können auch von etwas ganz Anderem stammen." Der Vergleich mit dem 40-Tonnen-Lastwagen, die Häring gezogen habe, sei "gar nicht so lächerlich". Solche Fahrzeuge könnten auf Dauer tatsächlich Risse an Gebäuden verursachen.

Suter plädierte auf Freispruch für seinen Mandaten: "Herr Häring ist ein Ehrenmann." Allein durch die Anklage sei er schon genügend bestraft. Obschon er zu den weltweit fünf besten Geothermie-Cracks zähle, sei er beruflich "in der Schweiz weg vom Fenster".

Das Dreier-Strafgericht wird das Urteil kommenden Montagnachmittag um 16 Uhr eröffnen.

Kommentar zum Freispruch




Weiterführende Links:
- Geothermie-Erdbeben: Experten über Risiken uneinig
- Die treibende Kraft des Geothermie-Projekts auf der Anklagebank
- Basler Regierung beerdigt das Geothermie-Experiment
- Geothermie-Bohrung in Basel löst starkes Erdbeben aus
- Neues Erdbeben durch Basler Geothermie-Bohrung
- Erdbeben wirft Basler Geothermie-Projekt massiv zurück
- Erdbebendienst-Direktor fordert offene Risiko-Diskussion


 Ihre Meinung zu dieser News
(Mails ohne kompletten Absender werden nicht bearbeitet)

www.onlinereports.ch - Das unabhängige News-Portal der Nordwestschweiz

© Das Copyright sämtlicher auf dem Portal www.onlinereports.ch enthaltenen multimedialer Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) liegt bei der OnlineReports GmbH sowie bei den Autorinnen und Autoren. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Veröffentlichungen jeder Art nur gegen Honorar und mit schriftlichem Einverständnis der Redaktion von OnlineReports.ch.

Die Redaktion bedingt hiermit jegliche Verantwortung und Haftung für Werbe-Banner oder andere Beiträge von Dritten oder einzelnen Autoren ab, die eigene Beiträge, wenn auch mit Zustimmung der Redaktion, auf der Plattform von OnlineReports publizieren. OnlineReports bemüht sich nach bestem Wissen und Gewissen darum, Urheber- und andere Rechte von Dritten durch ihre Publikationen nicht zu verletzen. Wer dennoch eine Verletzung derartiger Rechte auf OnlineReports feststellt, wird gebeten, die Redaktion umgehend zu informieren, damit die beanstandeten Inhalte unverzüglich entfernt werden können.

Auf dieser Website gibt es Links zu Websites Dritter. Sobald Sie diese anklicken, verlassen Sie unseren Einflussbereich. Für fremde Websites, zu welchen von dieser Website aus ein Link besteht, übernimmt OnlineReports keine inhaltliche oder rechtliche Verantwortung. Dasselbe gilt für Websites Dritter, die auf OnlineReports verlinken.

https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif
"Der neue Eingang zum Birsigparkplatz wird der Ersatzneubau des Heuwaage-Hochhauses bilden."

bz
vom 26. März 2024
https://www.onlinereports.ch/fileadmin/templates/pics/gelesen.gif

Wer bildet was oder wen?

RückSpiegel


Die Volksstimme greift die OnlineReports-Recherche über das Aus des Textildruck-Unternehmens Permatrend auf.

Im Bericht über "Unruhe am Regioport" bezieht sich Bajour auf die OnlineReports-Ursprungsrecherche aus dem Jahr 2018.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Artikel über die Kantonsfinanzen im Baselbiet auf OnlineReports.

Die bz verweist in einem Bericht über die Neuausrichtung der Vorfasnachts-Veranstaltung Drummeli auf einen Artikel aus dem OnlineReports-Archiv.

Die Basler Zeitung zitiert in einem Leitartikel über die SVP aus OnlineReports.

Baseljetzt bezieht sich in einer Meldung über den Rücktritt von Ralph Lewin als SGI-Präsident auf OnlineReports.

Die Basler Zeitung nimmt die OnlineReports-Recherche über den blockierten Neubau der BVB-Tramstrecke über das Bruderholz auf.

Die Basler Zeitung und Infosperber übernehmen die OnlineReports-Meldung über den Tod von Linda Stibler.

Die bz zitiert den OnlineReports-Artikel über die Wiedereröffnung des Gefängnisses in Sissach.

Baseljetzt erzählt den OnlineReports-Artikel über die Räppli-Krise nach.

Das Regionaljournal Basel, Baseljetzt, BaZ und 20 Minuten vermelden mit Verweis auf OnlineReports den Baufehler bei der Tramhaltestelle Feldbergstrasse.

Die Basler Zeitung bezieht sich in einem Interview zu den Gemeindefusionen auf OnlineReports.

persoenlich.com und Klein Report vermelden mit Verweis auf OnlineReports die Personalrochade bei Prime News.

Die Volksstimme schreibt über die Wahl von Claudio Miozzari zum Grossratspräsidenten von Basel-Stadt und zitiert dabei OnlineReports.

In einem Artikel über die Leerstandsquote bei Büroflächen in Basel nimmt die bz den Bericht von OnlineReports über einen möglichen Umzug der Basler Polizei ins ehemalige Roche-Gebäude an der Viaduktstrasse auf.

Das Regionaljournal Basel und die bz berichten über die Bohrpläne der Schweizer Salinen im Röserental und beziehen sich dabei auf OnlineReports.

Weitere RückSpiegel

Werbung






In einem Satz


Der Baselbieter Regierungsrat hat Raphael Giossi zum Nachfolger des langjährigen kantonalen Bieneninspektors Marcel Strub gewählt.

Cyril Bleisch übernimmt bei den Jungfreisinnigen Baselland das Präsidium von Lucio Sansano.

Die Basler Sozialdemokraten haben die SP queer Basel-Stadt gegründet und als neues Organ in den Statuten der Partei verankert.

Eiskunstläuferin Kimmy Repond und Wasserfahrer Adrian Rudin sind Basler Sportlerin beziehungsweise Basler Sportler des Jahres.

Jean-Luc Nordmann übergibt das Präsidium der Stiftung Tierpark Weihermätteli per 1. Januar 2024 an Martin Thommen.

Iris Graf steigt von der Projektleiterin und akademischen Mitarbeiterin der Baselbieter Fachstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Leiterin auf.  

Sonja Kuhn,
ehemalige Co-Leiterin der Abteilung Kultur Basel-Stadt, ist neu Präsidentin der SRG Region Basel.

Florian Nagar-Hak und Saskia Bolz übernehmen die Leitung des Gesundheitszentrums Laufen, das zum Kantonsspital Baselland gehört.

Mohamed Almusibli übernimmt ab März 2024 die Direktion der Kunsthalle Basel von Elena Filipovic.

Marilena Baiatu ist neue Kommunikationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft im Kanton Baselland und ersetzt Thomas Lyssy, der Ende November pensioniert wird.

 

Mitte-Landrat Simon Oberbeck folgt am 1. August 2024 als Geschäftsführer der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrtund Hafenwirtschaft auf André Auderset.

Die Junge SVP Basel-Stadt hat Demi Hablützel (25) einstimmig für zwei weitere Jahre als Präsidentin wiedergewählt.

Dominic Stöcklin wird neuer Leiter Marketing und Mitglied der Geschäftsleitung von Basel Tourismus.

 

Samir Stroh, aktuell Gemeindeverwalter in Brislach, übernimmt Anfang Mai 2024 die Leitung von Human Resources Basel-Stadt.

Das Sperber-Kollegium hat Sterneköchin Tanja Grandits zur "Ehrespalebärglemere 2023" ernannt.

Der mit 50'000 Franken dotierte Walder-Preis geht dieses Jahr an Konrad Knüsel, den Präsidenten des Vernetzungsprojekts Rodersdorf und des Naturschutzvereins Therwil.

Götz Arlt tritt am 1. Januar 2024 die Nachfolge von Christian Griss an und übernimmt die Stufenleitung der Sekundarschulen I im Bereich Volksschulen des Erziehungsdepartements Basel-Stadt.

Michael Gengenbacher tritt am 1. Februar 2024 seine neue Stelle als Chief Medical Officer (CMO) und Mitglied der Spitalleitung beim Bethesda Spital an.

Markus Zuber übernimmt am 1. Oktober die Leitung der St. Clara Forschung AG (St. Claraspital).

Das Präsidium der Juso Baselland besteht neu aus Clara Bonk, Angel Yakoub (Vize) und Toja Brenner (Vize).