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Mitgliedschaft: Privatpersonen greifen Wirtschaftskammer an
Fünf Baselbieter Privatpersonen greifen die Wirtschaftskammer Baselland an: Die Mitgliedschaft des Kantonsspitals Baselland und der Psychiatrie Baselland sei rechtswidrig. Der demokratische Wettbewerb werde "einseitig verzerrt". Sie untermauern ihre Feststellung mit einem Rechtsgutachen.
Liestal, 16. September 2015
Fünf Herren – deren drei aus dem Laufental – luden heute Mittwochmorgen zu einer äusserst kurzfristig angesetzten Medienkonferenz nach Liestal ein: Der Laufener Stadtpräsident und CVP-Nationalratskandidat Alex Imhof, der Röschenzer Gemeindepräsident, "Promotion Laufental"-Präsident und IT-Unternehmer Remo Oser (CVP), der Laufener Arzt Martin Tschan, der ehemalige Liestaler GLP-Landrat Gerhard Schafroth und der frühere Prattler BDP-Landrat Marc Bürgi.
20'000 bis 30'000 Franken Mitgliederbeiträge
Ausser Bürgi, der sich ausdrücklich als Vertreter der BDP vorstellte, gingen alle Bürger "als Privatperson" vor die Presse. Ihre Aktion sei mit der CVP-Parteiführung "nicht abgesprochen", sagte Imhof. Grund ihres Medienauftritts: Sie kritisieren, dass das Kantonsspital Baselland und die Psychiatrie Baselland nach ihrer im Jahr 2011 vom Landrat beschlossenen Verselbstständigung zwei Jahre später Mitglied der Wirtschaftskammer Baselland geworden seien. Auf diese Weise flössen jährlich zwischen 20'000 und 30'000 Franken an Mitgliederbeiträgen in die Kasse der Wirtschaftskammer, wie der ebenfalls anwesende St. Galler Anwalt Kaspar Noser ausführte.
Ein Gutachten, das Noser im Auftrag von Oser, Imhof und Schafroth "ergebnisoffen" (wie er sagte) verfasste, kommt zum Schluss, dass diese Mitgliedschaft mit dem geltenden Recht nicht vereinbar sei. Denn die beiden ausgelagerten Spitalorganisationen seien durch das Spitalgesetz keinesfalls in die Privatisierung entlassen worden, sondern vielmehr nur in die unternehmerische Freiheit. Sie seien also staatliche Institutionen unter der Oberaufsicht des Landrates und der Aufsicht der Regierung geblieben.
"Staatliche Neutralitätspflicht verletzt"
Da aber die Wirtschaftkammer als Dachverband der Baselbieter KMU eine private Organisation sei und einen klar politisch ausgerichteten Fokus habe und Gelder (auch in Abstimmungsparolen und Wahlempfehlungen investiere, vertrage sich die Mitgliedschaft der öffentlich-rechtlichen Spitäler rechtlich nicht mit dem Gebot der "ihnen obliegenden Gebot der politischen Neutralität" und sei verfassungswidrig. Die beiden Unternehmen verletzten somit ihre Pflicht, "sich politisch neutral zu verhalten, besonders auch durch Nichtbeachtung des Transparenzgebotes". So sei die tatsächliche Höhe der bezahlten Mitgliederbeiträge bisher ebenso wenig bekannt wie die vereinbarte Regelung mit der Gewerblichen Familienausgleichskasse nicht transparent.
Die schärfsten Aussagen machte Oser. Er fragte sich, ob es Zufall sei, dass in der Baselbieter Regierung "hauptsächlich eine politische Couleur vorherrscht" – gemeint sind die vier durch die Wirtschaftskammer propagierten Kandidaten von FDP, SVP und CVP. Im neu zusammengesetzten Landrat werde die Hälfte der Volksvertreter "von zwei eng mit der Wirtschaftskammer verbandelten Parteien dominiert" – gemeint sind FDP und SVP. Die Folge seien "politische Monokultur", fehlende Akzeptanz und Stabilität.
Druck auf Regierung, sonst ...
Oser weiter: "Es darf nicht sein, dass eine einseitige Subventionierung und Finanzierung einer poltiischen Richtung weniger auf Kosten aller stattfindet." Sollte die Regierung nicht bis Ende Jahr "Anstrengungen zu Behebung" unternehmen, würden rechtliche Schritte vorbehalten. Ob allerdings eine aufsichtsrechtliche Anzeige, eine Stimmrechtsbeschwerde oder ein Feststellungsbegehren Aussicht auf Erfolg hätten, liess Anwalt Noser offen.
Auf Journalisten-Fragen, die auf die aktuell heisse Phase des Wahlkampfes hinwiesen, winkten die Kritiker ab: Sie seien teils selbst Mitglied der Wirtschaftskammer und nicht gegen deren Direktor und Ständeratskandidat Christoph Buser. Aber sie hofften, dass er das Problem erkenne "und auf uns zu kommt", denn die Wirtschaftskammer nehme im Bsaselbiet "eine zentrale Machtposition" ein.
Buser: Kritik an den Kritikern
Gegenüber OnlineReports erklärte Christoph Buser, der Beitritt zur Wirtschaftskammer sei "ein Unternehmensentscheid" der beiden Spitalorganisationen gewesen. Es sei davon auszugehen, dass sie im Vorfeld ihres Beitritts "die entsprechenden Abklärungen getroffen haben". Buser weiter: "Wir nehmen Kenntnis davon, dass heute an einer Medienkonferenz ein Gutachten vorgestellt wurde, das offenbar die Mitgliedschaft des KSBL und der PKBL in Frage stellt. Wir haben aber bisher keine Gelegenheit gehabt, dieses Gutachten zu sehen und können es deshalb auch nicht kommentieren."
Aus Sicht der Wirtschaftskammer sei es den beiden betroffenen Unternehmen gegenüber "in höchstem Masse unanständig, dass sie über ein derartiges Gutachten via Medienkonferenz beziehungsweise aus der Öffentlichkeit erfahren müssen. Dieser Kommunikationsstil, die Zusammensetzung der Referenten und der gewählte Termin zeigen: Es ist Wahlkampf."
Bild von links: Marc Bürgi, Martin Tschan, Remo Oser, Alex Imhof, Kaspar Noser und Gerhard Schafroth
Weiterführende Links:
- Wirtschaftskammer Baselland verteidigt Spital-Mitgliedschaft
- Wirtschaftskammer: Spital-Mitgliedschaft sei "zulässig"
"Kritik sollte gehört und ernst genommen werden"
Christoph Buser empfindet das Vorgehen der fünf Herren als unanständig. Ich hingegen finde es in höchstem Masse unanständig, sich am Tag der Wirtschaft nach Art des chinesischen Volkskongresses als Messias zu feiern, notabene mit den Jahresbeiträgen der KMU-Mitglieder, die zur Zeit tagtäglich wegen der Frankenstärke ums Überleben kämpfen, die unter dem Fachkräfte leiden, da es die Verbandsspitzen offenbar nicht schaffen, die notwendigen Bildungsangebote zu erarbeiten, die in der Bürokratie versinken, geschaffen von eben diesen Politikern, die sich am Tag der Wirtschaft feiern lassen.
Es ist höchste Zeit, dass die Kritik von KMU-Mitgliedern aus den eigenen Reihen gehört und ernst genommen wird. Die Aufgaben der Branchenverband-Spitzen sollten nicht nur sein, sich die Bäuche an den Apéros der Wirtschaftskammer vollzuschlagen.
Die Gewerbler wären dringend auf fähige Verbandsfunktionäre mit Wirtschafts-Sachverstand angewiesen. Dieser ist in der Wirtschaftskammer meines Erachtens leider nur in geringem Ausmass vorhanden.
Margareta Bringold, Unternehmerin, Laufen