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Happening für Etienne-Fans – Frust für BVB-Kunden
Basel, 26. Februar 2016
Was für ein Fussball-Fest gestern Donnerstagabend im Basler "Joggeli", als der FC Basel gegen AS Saint-Etienne in letzter Minute mit 2:1 gewann und damit in den Achtelfinal der Europa League einzog.
Weniger erfreulich war, was sich vor dem Spiel auf Basels Strassen abspielte: Tausende Kunden der Basler Verkehrsbetriebe (BVB) warteten vergeblich auf ihre Trams, weil diese schon im Feierabendverkehr wegen eines sogenannten "Fan-Marsches" von Saint-Etienne-Anhängern in Stau blockiert waren.
Tramverkehr stundenlang beeinträchtigt
Laut BVB-Sprecher Benjamin Schmid kam es ab etwa 17.30 Uhr zu kurzen und ab etwa 18.50 Uhr zu längeren Unterbrüchen der Tramlinien durch die Innenstadt. "Auch die Umleitungen über die Wettsteinbrücke waren auf Grund kurzzeitiger Sperrungen teilweise beeinträchtigt", weshalb es auf dem ganzen Netz zu Verspätungen kam. Gegen 20 Uhr hatte sich die Situation normalisiert, wobei es immer noch zu Folgeverspätungen kam.
Ausserdem kam es auf dem "Fan-Marsch" auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die zweimal Gummischrot einsetzte. Von den 15 kontrollierten Saint-Etienne-Fans wurden drei Männer festgenommen, deren zehn mussten bis Spielende im Polizeigewahrsam bleiben.
Es begann in der Steinenvorstadt
Die Fans der Gastmannschaft hatten sich im Verlaufe des Nachmittags in der Steinenvorstadt versammelt. Die Kantonspolizei war mit einem Grossaufgebot präsent und begleitete sie sowohl auf dem Weg in die Innenstadt, während dem Aufenthalt in den dortigen Lokalen, wie auch auf dem anschliessenden Marsch ins Stadion.
Am späten Nachmittag kam es auf dem Barfüsserplatz zu einem Raufhandel, den die Polizei durch einen Gummischroteinsatz beendete. Auf dem Weg ins Stadion griffen Teilnehmer des Fan-Marsches auf der Verzweigung St. Jakobs-Strasse/Zeughausstrasse Polizisten an und bewarfen sie mit Pyrofackeln. Die Polizei setzte daraufhin erneut Gummischrot ein.
Leserinnen und Leser berichteten OnlineReports auch von Helikopterlärm zwischen der Innenstadt und dem Fussball-Stadion, der bis weit in die Nachtstunden andauerte.
"Verhaltensoriginelle Abenteuertouristen"
Das sind keine Fans, sondern bildungsferne verhaltensoriginelle Abenteuertouristen (politisch korrekt formuliert). Da ja den Behörden die Eckdaten der besonders Originellen bekannt sind, können diese ja für die Schäden und Folgekosten belangt werden. Als Pfand, bis bezahlt wird, behalten wir die drei inhaftierten Teilnehmer vom Saubannerzug in der Kiste.
Nicolas W. Müller, Basel
"Von der grossen Disziplin beeindruckt"
Ich stand an der Haltestelle Bankverein, als der Fan-Zug von der Innerstadt kommend vorbeimarschierte und war – offensichtlich in Kontrast zu anderen Beobachtern – beeindruckt von der grossen Disziplin und dem hohen Organisationsgrad des Zuges. Drei Herren an der Spitze des Zuges kontrollierten fein abgestuft das Marschtempo. Sie sorgten für Rücksicht auf Passanten, indem sie mit leichten Handbewegungen die Laufrichtung von Hunderten adjustierten. Mit einem Megaphon dirigierten sie sogar die Lautstärke: Auf das Kommando "Chuchotez" verstummte der Zug.
Ich habe die Fans als fröhlich und höflich erlebt. Auf einen Schwatz mit den Passanten liessen sie sich gerne ein.
Dass die schiere Masse und die vereinzelt ebenfalls vorhandenen Kapuzen dennoch Respekt (vielleicht gar Furcht) einflössten wie auch dass das viele Bier seinen Weg durch die Blase an so manche Hauswand fand, sei nicht verschwiegen.
David Staehelin, Augenzeuge, Basel
"Schienennetz ohne genügend Backups"
Ohne genügend Backup-Kapazitäten könnten heute keine Netzwerke mehr betrieben werden. Das wissen IWB, Swisscom, Gasverbund Mittelland und alle anderen Strom-, Gas-, Wasser- oder Datennetzbetreiber. Bloss der Kanton Basel-Stadt leistet sich ein Schienennetz ohne genügend Backups und mit zu wenig Weichen und Knoten. Die zwingende Schienenverbindung über die Achse Johanniterbrücke zu den Bahnhöfen wird im Departement Wessels noch immer als "nice to have" desavouiert. Dabei würde die Johanniterbrücke helfen, helfen und nochmals helfen: an Fasnacht, bei Messen, beim "Tattoo", bei "Em Bebbi sy Jazz" und bei den vielen, vielen weiteren (Innerstadt-)Events.
Heute kann man zwei, drei Tramknoten blockieren (z.B. Bankverein, Barfi, Schifflände) und so Tausende Fahrgäste stressen. Der Gedanke der Traminitiative ("Tram 30") stammt letztlich aus dem Jahr 1900 (Eröffnung Johannitertram) und zeigt, dass nicht alles Alte überholt sein muss. Man müsste bloss – wie damals am 30. Juni 1900 – auf Luxusplanungen à la Erlenmatttram verzichten und das "Tram 30" stattdessen pragmatisch und mehrheitsfähig umsetzen.
Beat Leuthardt, Mitinitiant "Traminitiative", Basel
"Helikopterlärm bis Mitternacht"
Ja, der Helikopterlärm. Bis fast auf die Minute genau um Mitternacht hörte man den Helikopter kreisen, mal mehr, mal weniger, mal leise, mal laut, je nach Fluglinie, die er zog. Es ist für mich sehr zweischneidig: Einerseits bewundere ich den Einsatz der Polizei und sämtlicher Sicherheitskräfte für ein sicheres Spiel für Spieler und echte Fans.
Andererseits habe ich den Lärm zu später Nachtstunde als massiv empfunden, konnte nicht schlafen deswegen und war also am ganzen Match und den Folgen, welche Randalierer und andere uneinsichtige Personen auslösen, direkt beteiligt. Ende des Nachmittags war ich betroffen von den Störungen des Tramverkehrs. Die Herren aus St. Etienne marschierten durch die Aeschenvorstadt, knallten mit Petarden, trugen Fackeln, schlugen mit den Fäusten auf die Trams ein - das alles hat für mich nichts, aber auch gar nichts mit Sport, Fairness und Fans zu tun.
Beatrice Isler, Grossrätin CVP, Basel