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Start zur "Gesundheitsregion" beider Basel erfolgt
Endlich! Die gemeinsame Spitalplanung in der Region Basel wird Realität. Mindestens 70 Millionen Franken können damit eingespart werden.
Basel/Liestal, 15. September 2016
Historischer partnerschaftlicher Entscheid in der Region Basel: Die Regierungen der beiden Basel haben gestern Dienstag an einer gemeinsamen Sitzung "den Grundstein für die Gesundheitsregion beider Basel gelegt", wie sei schreiben. Konkret geht es darum, die Spitalangebote künftig gemeinsam zu planen und zu steuern. Insbesondere sollen das Universitätsspital Basel (USB) und das Kantonsspital Baselland (KSBL) in eine neue, gemeinsame Spitalgruppe zusammengeführt werden. Aus der engen Zusammenarbeit erhoffen sich die Kantone eine "deutliche Dämpfung des Kostenwachstums im Spitalbereich und "eine langfristige Sicherung der Hochschulmedizin in der Region".
Strategische Ziele
Die Eckpfeiler der Kooperation, die die beiden Gesundheitsdirektoren Lukas Engelberger (CVP, BS) und Thomas Weber (SVP, BL) heute Donnerstagmorgen bekanntgaben:
• Die beiden Basel nehmen die Spitalplanung künftig gemeinsam nach einheitlichen und transparenten Kriterien vor.
• Das Universitätsspital Basel und das Kantonsspital Baselland sollen in eine gemeinsame Spitalgruppe zusammengeführt werden
• Die vier Standorte Basel, Liestal, Bruderholz und Laufen werden im Rahmen der Strategie "Vier Standorte – ein System" bestätigt. Jeder der vier Standorte erhält für Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende eine klare Positionierung mit Kernaufgaben für die ganze Spitalgruppe.
• Der Trend, planbare Eingriffe ambulant vorzunehmen, wird gefördert. Gut planbare Eingriffe sollen künftig in einer speziell konzipierten und patientenfreundlichen Tagesklinik auf dem Bruderholz vorgenommen werden.
• Der Zusammenschluss der beiden öffentlichen Spitäler erreicht auch bei konservativen Schätzungen Einsparungen für die Spitalgruppe aus Synergieeffekten von mindestens 70 Millionen Franken pro Jahr.
• Die Kantonsfinanzen werden ab dem Start der gemeinsamen Spitalgruppe im Jahr 2020 unmittelbar entlastet durch Einsparungen von jährlich rund 10 Millionen Franken (Basel-Stadt: 3,5 Millionen Franken beim Kantonsanteil an stationäre Leistungen, Baselland: 0,5 Millionen Franken beim Kantonsanteil und 6 Millionen Franken bei den Gemeinwirtschaftlichen Leistungen). Die Entlastung wird mittelfristig weiter zunehmen, wenn die erwarteten Synergien greifen.
• Als Rechtsform der Spitalgruppe wird eine gemeinnützige Aktiengesellschaft angestrebt. Die beiden Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft bleiben Mehrheitsaktionäre zu mindestens 70 Prozent.
• Der politische Entscheidungsprozess und die Erarbeitung der notwendigen gesetzlichen Regelwerke nehmen nun rund zwei Jahre in Anspruch.
Gründung 2020 geplant
Die beiden Departemente wurden von ihren Regierungen beauftragt, bis Mitte 2017 einen Vernehmlassungsentwurf für eine interkantonale Vereinbarung auszuarbeiten. Die Rechtsgrundlagen für die neue Spitalgruppe und Spitalplanung sollen bis ins Jahr 2019 in Kraft treten. Unter diesen Rahmenbedingungen könnte die Spitalgruppe per 1. Januar 2020 gegründet werden.
Die Verwaltungsratspräsidenten des USB und des KSBL, Robert-Jan Bumbacher und Werner Widmer, hielten an der heutigen Medienkonferenz fest, dass jeder der Standorte innerhalb der Spitalgruppe für Patientinnen und Patienten und Mitarbeitende im Rahmen der Strategie "Vier Standorte – ein System" eine klare Positionierung mit Kernaufgaben für die ganze Spitalgruppe erhält.
Die Positionierung der Standorte
Der Standort Basel hat als Maximalversorger ein breites Leistungsangebot mit Abdeckung aller Fachdisziplinen rund um die Uhr. Er wird als universitäres Zentrum für hochkomplexe Eingriffe positioniert. Die Grundversorgung bleibt dabei mit der spezialisierten und hochspezialisierten Medizin am Standort Basel verbunden. Auf diese Weise wird eine wohnortnahe Versorgung sichergestellt.Der Standort Liestal hat als umfassender Grundversorger im stationären Bereich ein klar positioniertes Leistungsangebot als Akutspital für die wohnortnahe Versorgung. Er ist für die erweiterte Grundversorgung rund um die Uhr zuständig und betreibt zusätzlich eine Notfallstation, eine Intensivstation, eine Intermediate Care Unit und eine Dialysestation.
Der Standort Bruderholz wird zu einem Campus mit einem innovativen Leistungsangebot. Der Campus besteht aus einer Tagesklinik für operative und interventionelle Eingriffe (TOP), einer Per-manence (Walk-In Klinik) und der planbaren ambulanten und stationären Orthopädie der gemeinsamen Spitalgruppe. Daneben wird auf dem Standort Bruderholz die ambulante und stationäre Rehabilitation weitergeführt. Durch die Konzentration der planbaren Orthopädie der ganzen Spitalgruppe wird der Standort Bruderholz deutlich gestärkt. Er wird in einer längeren Transformationsphase schrittweise umgewandelt.
Der Standort Laufen wird zu einem bedarfsorientierten Gesundheitszentrum, welches sowohl die Weiterführung der stationären geriatrischen Rehabilitation als auch die Einrichtung einer Permanence mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten umfasst. In Laufen werden zudem ausgewählte Sprechstunden angeboten und die stationäre chronische Schmerztherapie der gesamten Spitalgruppe konzentriert.
Die Einrichtung einer Permanence am Standort Bruderholz und am Standort Laufen hat zum Ziel, die Notfallversorgung über die Standorte hinweg zu optimieren, damit ungeplante ambulante Fälle vom frühen Morgen bis zum späten Abend an allen Standorten betreut werden können.
Mindestens 70 Millionen Franken Einsparungen
Das neue Modell der Zusammenarbeit führt "auch bei konservativen Schätzungen" zu Einsparungen von mindestens 70 Milionen Franken pro Jahr. Ermöglicht werden die Kosten-Reduktionen durch den Abbau von Doppelspurigkeiten, das Ausschöpfen von Synergien und Skaleneffekten sowie die gemeinsame Planung von Investitionen.
Die grössere Spitalgruppe und die Schwerpunktbildung bieten überdies optimale Bedingungen für die langfristige Sicherung der Hochschulmedizin in der Region und die bestmögliche Ausgangslage für Aus- und Weiterbildung, klinische Forschung und Entwicklung.
Der Zusammenschluss soll "personalverträglich umgesetzt" werden, wie es heisst. Falls in bestimmten Fällen aufgrund der Angebotsverschiebung kein Stellenangebot am gleichen Standort unterbreitet werden könne, werde versucht, "eine andere Stelle innerhalb der Spitalgruppe anzubieten". Alle Anstellungsbedingungen sollen in einen neuen gemeinsamen Gesamtarbeitsvertrag überführt werden, der mit den Sozialpartnern ausgearbeitet wird. Dasselbe gilt für die künftige Pensionskassenlösung, deren konkrete Ausgestaltung derzeit noch offen ist.
Name offen – Sitz in Basel
Der Name der neuen Spitalgruppe ist noch offen und Teil der Positionierung des künftigen Unternehmens. Als Rechtsform wird eine gemeinnützige Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel angestrebt. Das kapitalmässige Beteiligungsverhältnis wird gemäss Eigenkapitalwerten am Stichtag vor Vollzug festgelegt. Der Stand am 31. Dezember 2015 betrug 71,5 Prozent Basel-Stadt und 28,5 Prozent Baselland.
Da für den Erfolg der Gruppe beide Spitäler gleichermassen notwendig sind, haben sich die beiden Regierungen auf gleiche Stimmrechte für beide Eigentümer geeinigt. Somit besteht Parität zwischen den beiden Kantonen mit je gleicher Stimmkraft. Die beiden Basel bleiben Mehrheitsaktionäre zu mindestens 70 Prozent. Maximal 30 Prozent können zu einem späteren Zeitpunkt an weitere öffentliche oder gemeinnützige Institutionen veräussert werden. Es bestehe "das Interesse, die Spitalgruppe langfristig regionaler zu positionieren, um den gesamten Gesundheitsraum Jura-Nordbogen abzudecken".
Weiterführende Links:
- Engelberger und Weber suchen Gespräch mit Bevölkerung
- Basler Augenspital soll geschlossen werden
- Volksinitiative: Bruderholz soll Spital-Standort bleiben
- Kantonsspital Bruderholz bleibt auf dem Bruderholz
- Bruderholzspital-Neubau wird nicht weiter verfolgt
- 150 Millionen für neues Universitäts-Kinderspital
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"Alle müssen jetzt am selben Strick ziehen"
Es kann nicht genug betont werden, welch grosser Stellenwert dem Schritt beizumessen ist, den nun die beiden Kantone Basel-Stadt und Baselland durch ihre Gesundheitsdirektoren Lukas Engelberger und Thomas Weber bekannt gegeben haben. Es steht völlig ausser Zweifel, dass in beiden Basel ein erhebliches Überangebot an stationären Leistungsmöglichkeiten (sprich: Spitalbetten und allgemein -kapazitäten) besteht, das – auch dies völlig zweifelsfrei – absolut ungeeignet ist, die laufend wachsenden Gesundheitskosten etwas besser in den Griff zu bekommen. Überdies dient ein medizinisches Überangebot gerade nicht der Qualität der Gesundheitsversorgung einer Bevölkerung, sondern birgt das Risiko der Überbehandung, was als Gefahr für gesundheitliche Nachteile bestens dokumentiert und nachgewiesen ist.
Es gilt nun, dass alle vernünftigen Einwohnerinnen und Einwohner der beiden Halbkantone mit ihren Gesundheitsdirektoren am selben Strick ziehen und dem vorgestellten Projekt wohlwollend gegenüber stehen, selbst wenn noch nicht alle Fragen der Zukunft gelöst sind (das sind sie ja bekanntlich nie). Man soll jetzt den beiden verantwortlichen Regierungsräten keine Knüppel zwischen die Beine schmeissen, sondern sie bei ihrem Vorhaben mit – durchaus kritischem, wachsamem – Vertrauen begleiten!
Florian Suter, Basel