© Foto by Historisches Museum Basel
Mit dem GPS auf den Spuren von Erasmus durch Basel
Erasmus von Rotterdam (um 1466-1536) war einer der grossen Gelehrten im europäischen Humanismus. Von epochaler Bedeutung war seine philologische Übersetzung des Neuen Testaments ins Griechische und Lateinische. In Basel wird er in diesem Jahr gefeiert und gewürdigt.
Basel, 18. Mai 2016
Erasmus, der um 1466 in Rotterdam geboren wurde und aus diesem Grund den Namen seiner Geburtsstadt trägt, war einer der grössten Humanisten seiner Zeit. Er vereinigte den Theologen, Philologen, Bibelübersetzer und Gelehrten in seiner Person. Er liebte die geschliffene Sprache und beherrschte die kunstvolle Disputation. Sein Einsatz für Toleranz und Mässigung machte ihn europaweit bekannt.
Basel wird 2016 in seinem Zeichen stehen. Der Grund dafür liegt darin, dass er 1516, vor 500 Jahren, die erste Druckausgabe des Neuen Testaments in griechischer und lateinischer Sprache vorgelegt hat, die in Basel in der Offizin von Johannes Froben gedruckt wurde.
Diese textkritische Edition hatte weitreichende Folgen. Sie war ein Aufbruchszeichen. Buchdruck, Bibelübersetzung und Reformation bilden bis heute die drei Säulen des Humanismus und stehen für ein neues, offenes Denken, auch wenn der grosse Erasmus zwischen Protestantismus und katholischer Kirche sowie mit dem Polterer Martin Luther manchen Streit austragen musste.
Das Grab im Münster
Das alles sind ausreichende Gründe zum Feiern, erst recht, wenn man berücksichtigt, dass Erasmus zu drei verschiedenen Malen insgesamt zehn Jahre in Basel gelebt hat. Hans Holbein der Jüngere hat ihn 1523 gemalt, im Profil, mit Schreibfeder in der Hand; eine Fassung wird im Kunstmuseum aufbewahrt, eine andere im Louvre. In Basel ist Erasmus 1536 auch gestorben. Im Basler Münster ist im linken Seitenschiff seine Grabplatte angebracht.
Viele von Erasmus' Schriften sind in Basel gedruckt worden. Sein Werk umfasst über hundert Werke, die meisten davon sind nur Fachgelehrten geläufig. Erasmus lebt von seinem Ruf als Humanist. Bekannt ist heute höchstens noch das "Lob der Torheit", in dem der gelehrte Autor eine fiktive, mit den Mitteln der klassischen Rhetorik verfasste Lobrede auf die Torheit, das heisst die Dummheit, hält.
Die Ironie des Werks besteht darin, dass der kunstvolle Preisgesang in Wirklichkeit eine umgekehrte Kritik auf die menschlichen Schwächen, Eitelkeiten, Prahlereien, Sturheiten zu lesen ist. Auch die Theologen sind dem Spott des Erasmus nicht entgangen, genauso wie seine kritische Bibellektüre und seine Verteidigung des freien Willens des Menschen weitherum Missfallen erregten. Aber es war der unumgängliche Schritt auf dem Weg in die Zukunft.
Mehrere Ausstellungen werden im Verlauf des Jahres aufeinander folgen und sich von unterschiedlichen Seiten dem grossen Humanisten nähern.
Modernste Kommunikations-Technik im Einsatz
Den Auftakt macht das Historische Museum, das unter den Auspizien von Marcel Henry, der das Projekt "Erasmus MMXVI" kuratiert hat, dem Publikum die geistige Welt des Erasmus erschliessen will (ab 19. Mai).
Die Stationen des Lebenswegs, der Erasmus durch ganz Europa führte; die Menschen, mit denen er im geistigen Austausch stand; einzelne Sachgebiete wie zum Beispiel die Praxis des Schreibens zur Zeit von Erasmus' Wirken werden behandelt. Auch die persönlichen Gegenstände des Menschen, von denen das Museum eine grosse Zahl besitzt, werden gezeigt und im Kontext erläutert. Für den Erasmus-Rundgang durch die Räume der Dauerausstellung des Museums wird die moderne Technik der Augmented Virtuality eingesetzt. Der Besucher und die Besucherin erhalten ein Tablet und begeben sich von einer punktuellen Interventionsstation zur anderen.
Auch ein Erasmus-Trail von Oliver Hangl (Technik) und Lukas Lindner (Text) wird angeboten. Mit einer App und einem Stadtplan werden die Besucher auf einen Audio-Walk (Bild) durch den Stadtraum geschickt. Was es zu vermitteln gibt, erfahren die Wanderbesucher durch ein Hörspiel, für das bekannte Theaterleute aufgeboten wurden.
Das ist viel Kommunikations-Technologie, die eingesetzt wird. Aber die Zeit ruft nach ihren Möglichkeiten. Ausdrücklich wollten die Ausstellungsmacher damit ein moderbes Äquivalent zur Buchdruckerkunst herstellen, die zu Erasmus' Zeit, fünfzig Jahre nach ihrer Erfindung, auch eine ganz und gar neue Kommunikationsform bildete. Für Besucher, die auf dem Rundgang Schwierigkeiten haben sollten, stehen gute Geister zur Hilfe bereit.
Weiter wird eine Performance von Florian Graf am Rheinufer durchgeführt, in deren Verlauf sich die Städte Basel und Rotterdam symbolisch verbinden. Auf dem Programm stehen ein "Tag der Poesie" und ein "Tag der Typografie"; der Schweizerische Lateintag wird ein Erasmus-Panel veranstalten. Für die Veranstaltung wurde auch eine eigene Schrift entwickelt, für die sich Katharina Wolff, die Gewinnerin des Wettbewerbs, an die Handschrift von Erasmus gehalten hat.
Drei weitere Ausstellungen bis Jahresende
Im Verlauf des Jahres sind noch drei weitere Ausstellungen zu erwarten. In einer von ihnen wird die Universitätsbibliothek im Münster Erasmus zum Begründer der neuzeitlichen Bibelwissenschaft erheben (ab 24. Juni). Im Pharmazie-Museum am Totengässlein im Haus zum Sessel richtet die Papiermühle eine alte Druckereiwerkstatt ein, also genau an dem Ort, wo in der Vergangenheit die Druckerei von Johannes Froben untergebracht war (ab 5. Juli).
Später folgt im Kunstmuseum eine von Bodo Brinkmann und Katharina Georgi kuratierte Ausstellung mit dem Thema "Archäologie des Heils" über das Christusbild im 15. und 16. Jahrhundert, das vom Einfluss von Erasmus' Bibelübersetzung nicht losgelöst werden kann (ab 10. September).