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Die "echten Grünen" grenzen sich von Grünliberalen ab
Mit vier Frauen und einem Mann ziehen die Basler Grünen in die Nationalratswahlen, um den Sitz von Anita Lachenmeier zu verteidigen: Sie distanzieren sich deutlich von ihrer bürgerlichen Konkurrenz, den Grünliberalen.
Basel, 12. September 2011
Fliegt die grüne Anita Lachenmeier, seit vier Jahren Basler Nationalrätin, aus dem Berner Parlament? Oder nistet sie sich erst recht in der Grossen Kammer ein? Suchen auch andere Basler Politikerinnen der grünen Liste das Weite, um das Bundeshaus nicht nur aus der Vogelperspektive zu betrachten? Hat das Basler Grüne Bündnis etwa einen Vogel?
Die haben einen Vogel
Ja, das hat es. Die gefiederten Freunde, die symbolhaft sind "für Freiheit, Fröhlichkeit, Gesang und schonenden Umgang mit Ressourcen" (so die Fraktionspräsidentin Patricia Bernasconi heute Montag an einer Medienpräsentation), sind im Nationalratswahlkampf die Maskottchen der Grünen. Jeder und jedem der fünf Kandidierenden ist auf dem grossformatigen Plakat prominent ein Vogel zugeordnet: der früheren Grossratspräsidentin Brigitta Gerber ein Graureiher, Grossrat Michael Wüthrich eine Bachstelze, Mirjam Ballmer ein Kleiber, Grossrätin Sibel Arslan ein Storch und Nationalrätin Anita Lachenmeier ein Rotkehlchen.
Egal, welche Anspielungen die Vogelarten auf die jeweiligen Kandidierenden zulassen: Auffällig an der grünen Liste sind die 80-prozentige Übermacht der Frauen – UVEK-Präsident Wüthrich ist der einzige Mann – und die beträchtliche Bekanntheit, die sämtliche Bewerbenden aufweisen.
Positionsvorwurf an Grünliberale
Parteipräsident Jürg Stöcklin, an sich eher moderat in seinen politischen Statements, wurde heute doch im einen oder andern Satz ungewohnt deutlich, als er seine Partei als "die echten Grünen" bezeichnete, die "konsequent, gradlinig und kontinuierlich" seit 30 Jahren ökologische Politik betrieben. Grüne Gruppen schössen in der Parteienlandschaft zwar derzeit wie Pilze aus dem Boden. Doch, so Stöcklin: "Nicht alle diese Pilze sind geniessbar."
Von OnlineReports um eine Präzisierung gebeten, nannte der Parteipräsident die grüne Unterliste der Basler Freisinnigen. Genauso aber nahm er die Mitte-Partei GLP ins Visier: "Die Grünliberalen führen einen grenzenlosen Opportunismus vor." Einmal mit den Grünen und dann wieder mit der SVP zusammen sei "längerfristig kein Rezept". Weniger stark wirkte die Abgrenzung der Grünen zum Listenverbindungspartner SP, die "beim Strassenbau mehr Kompromisse" mache. Auch wenn Grüne und GLP in Umweltfragen zusammenarbeiten, glaubt Anita Lachenmeier nicht, dass ihr persönlich mit den tendenziell erstarkenden bürgerlichen Grünwählern Konkurrenz erwachse: "Ich wurde nicht mit den Stimmen der Grünliberalen gewählt."
Umsteigen auf ÖV "hat nicht stattgefunden"
Mit einem Budget von 70'000 Franken und eine 120 Personen starken überparteilichen Personenkomitee für Anita Lachenmeier zieht das Grünen-Quintett in den Wahlkampf mit dem Ziel, 13 Prozent (so Stöcklin) oder gar 15 Prozent (so Lachenmeier) der Wählerstimmen zu erobern. Die Grünen hätten als "Speerspitze der grünen Bewegung" (Stöcklin) massgeblich dazu beigetragen, dass Basel-Stadt das "strengste Energiegesetz der Schweiz" habe, das von den Bauherren auch akzeptiert werden, wie Wüthrich sagte. Obschon Basel nur erneuerbaren Strom verwende, sei der Kanton "unter den sechs billigsten Anbietern der Schweiz". Auch werde die Basler Energiepolitik insbesondere mit der Diskussion um den Ausstieg aus der Atomenergie "jetzt auch auf Bundesebene diskutiert".
Zwei landesweite Volksinitiativen dienen den Grünen als Wahlkampf-Antreiber: Die Atomausstiegs-Initiative und die Initiative für eine "grüne Wirtschaft". Insbesondere mit der Wirtschaftsinitiative wollen sich die Grünen weg vom Image einer monothematischen Partei begeben. Sie sind überzeugt, dass das Land ohne einen ökologischen Umbau "an die Wand gefahren" werde.
Anita Lachenmeier sagte, das steigende Passagier-Aufkommen im öffentlichen Verkehr dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der private motorisierte Verkehr weiter anwachse: "Das Umsteigen hat nicht stattgefunden. Vielmehr stellen wir eine Ausweitung der gesamten Mobilität fest." Um den totalen Kollaps zu verhindern, seien Road Pricing und Tempolimiten erforderlich. Die Schweiz hinterlasse – unter anderem durch Elektronik-Schrott – einen um ein Dreifaches zu grossen ökologischen Fussabdruck, der eine Kreislaufwirtschaft erforderlich mache.
Gegen eine Verdrängung aus den Städten
In ihren Statements sprachen sich die Kandidatinnen auch für eine "Migrationspoltiik ohne ausländerfeindliche Stimmung", gegen die Unterscheidung in wertvolle (Expats) und wertlose Einwanderer, für eine Kreislaufwirtschaft und gegen die Verdrängung von einkommensschwachen Haushalten an den Rand der Städte.
Foto in der vogelschrarmartigen Formation von links: Brigitta Gerber, Anita Lachenmeier, Mirjam Ballmer, Sibel Arslan und Michael Wüthrich.
"Lieber Original als lauer Abklatsch"
Wer den Leistungsausweis anschaut, der muss Anita Lachenmeier wieder nach Bern wählen. Ich wähle auf jeden Fall Anita Lachenmeier, weil sie sich nicht
nur für Basel, sondern für die ganze Schweiz und für eine gerechtere und ökologischere Welt einsetzt. Nicht nur mit Worten, nicht nur im Walhkampf,
sondern mit Taten, das ganze Jahr über. Anita Lachenmeier muss nicht mehr beweisen – wie das Herr Linder antönt – dass sie neben den "grünen Themen" auch in anderen Bereichen kompetent ist, sie tut es längst, nicht nur in der Verkehrspolitik und der entsprechenden Kommission, auch in der Sicherheitskommission des Nationalrates oder als Teilhaberin im Malergeschäft ihres Mannes. Mir auf jeden Fall ist das Original viel lieber als ein lauer Abklatsch.
Thomas Mächler, Basel
"Grüne Partei hat nicht mehr Alleinvertretungsanspruch"
Gemäss dem Forschungsinstituts gfs.bern von Politwissenschaftler Claude Longchamp haben die Grünliberalen vor allem von der SP Stimmen gewonnen in der ersten Phase ihres Bestehens. In der aktuellen Phase ist es uns gelungen – vor allem nach dem Versagen der Bürgerlichen Parteien in Sachen Ökologie – Stimmen bei FDP und CVP zu holen. Natürlich hat die Grüne Partei nicht mehr den Alleinvertretungsanspruch in Sachen Ökologie wie vor einigen Jahren. Ökologische Politik machen muss nicht mehr heissen linke Politik mitzutragen. Auch die Grünen werden nun akzeptieren müssen, dass die Grünliberalen jetzt Mitbewerber sind auf dem politischen Parkett. Interessant scheint, dass es den Grünen nicht gelingt, ökologische Vorbehalte gegenüber unserer Partei zu äussern; Die gibt es nämlich auch nicht.
Es ist zu begrüssen, dass die Grünen "weg vom Image einer monothematischen Partei" weg wollen; Als Regierungspartei wäre dies schon länger Pflicht gewesen. Auch die Arbeitsmarkt-, Finanz- und Wirtschaftspolitik muss nämlich nachhaltig geführt werden, soll sie jetzt und in Zukunft erfolgreich wirken. In diesen Bereichen muss die Grüne Partei aber erst beweisen, dass sie dazu die Leute hat, um hier kompetente Politik zu machen.
Karl Linder, Vorstandsmitglied Grünliberale Basel-Stadt, Basel
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