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Häusliche Gewalt: Ehefrau verweigerte die Aussage

Im Basler Prozess um häusliche Gewalt trat heute Montagmorgen ein, was befürchtet wurde: Die Ehefrau als Opfer verweigerte die Aussage. Der Beschuldigte Ehemann gab ein schlechtes Bild ab, die Staatsanwältin verlangte viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe, der Verteidiger Freispruch.
Basel, 28. Januar 2013

Der türkischstämmige 48-jährige Deutsche, der sich heute Montag vor dem Strafgericht der Vergewaltigung und der Körperverletzung gegenüber seiner dritten Ehefrau verantworten musste, gab in seinem Auftreten eine denkbar schlechte Visitenkarte ab: Immer wieder fiel er Dorrit Schleiminger, der Vorsitzenden des Dreiergerichts, unbeherrscht ins Wort, immer wieder richtete er erboste Vorwürfe und finster strafende Blicke an Staatsanwältin Lea Lanz: Sie hatte dem Beschuldigten besonders krasse Fälle von häuslicher Gewalt wie Vergewaltigung und andere physische Übergriffe sowie psychische Pression vorgeworfen (Prozessvorschau siehe Link unten).

Kleiner Tumult zum Prozessauftakt

Mehrere Angehörige bis aus Skandinavien waren zum Prozess angereist, drei von ihnen durften der Verhandlung teilweise folgen. Zum Prozessauftakt entwickelte sich ein kleiner Tumult, als sich der kräftig gebaute Angeschuldigte lautstark über die siebenmonatige Untersuchungshaft ("das ist unmenschlich!") und die Strafverfolgung beschwerte, so dass die Gerichtspräsidentin ihm mit dem Ausschluss von der Verhandlung drohen musste. Offensichtlich war angesichts der emotional aufgeladenen Atmosphäre auch die Polizeipräsenz im Gerichtssaal verstärkt worden: In seiner latent aggressiven Verfassung besetzte er zumindest anfänglich die ganze Atmosphäre im Raum.

"Stimmt nicht!", entgegnete er in gebrochenem und oft nur schwer verständlichem Deutsch immer wieder, wenn ihn die Gerichtspräsidentin mit Vorwürfen konfrontierte. Stimmt nicht, dass er seine um 22 Jahre jüngere Ehefrau während über einem Jahr dutzendfach oder häufiger vergewaltigt habe (das Einverständnis zum Sex sei "gegenseitig" gewesen). Stimmt nicht, dass er gegenüber der Frau Gewalt angewendet habe (er habe seine Frau bisher "nie geschlagen"). Stimmt nicht, dass er damals auf einem Kleinbasler Grillplatz versucht habe, mit einer Eisenstange seine Frau und ihre Kolleginnen anzugreifen. Nicht er, sondern sie habe das gemeinsame Kind an den Haaren gezogen und geschlagen. Nie habe er, von einer Ausnahme abgesehen, seiner Frau den Kontakt zu andern Personen verboten.

Was er einräumte: Er wollte immer genau wissen, wo sich seine Frau ausser Hauses aufhielt. Nein, er habe die Gruppe auf dem Grillplatz, worunter sich seine Frau und das gemeinsame zweijährige Kind befanden, bei der Aktienmühle nicht angreifen wollen.

Unklares Zeugen-Bild

Die Zeugen-Befragung ergab ein ambivalentes Bild. Eine junge Frau, die während der bedrohlichen Situation auf dem Grillplatz dabei war und ihren Ex-Mann zu Hilfe gerufen hatte, schilderte die Ehefrau als "ganz ängstlich", weil sie sich vom Mann eingesperrt und schlecht behandelt gefühlt habe. Wiederum habe das Opfer, das nach dem Vorfall während drei Wochen bei ihr zu Hause Zuflucht fand, den Kontakt zu ihr ohne Erklärung plötzlich abgebrochen. Offenbar vertraut mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in der Türkei, sagte die Zeugin: "Das ist bei uns so: Wenn eine Frau keinen Sex will, wird sie geschlagen."

Der Ex-Mann der Helferin vom Grillplatz, wo der Sozialhilfe-Empfänger gemäss Meinung der Strafuntersuchung eine Metallstange aus dem Boden reissen wollte, widersprach der Anklageschrift: Er habe den Beschuldigten nicht "gepackt" und ihm vom Platz gezogen, sondern ihn nur gehalten. Eine Beschimpfung der Ehefrau durch ihren eifersüchtigen Mann habe er "nicht gehört".

Opfer verzeiht dem Angeklagten

Nur kurz dauerte der Zeugen-Auftritt der mutmasslich gepeinigten Ehefrau: Sie verweigerte die Aussage, verwies darauf, dass sie damals ihre Anzeige nach wenigen Tagen zurückgezogen hatte, und verzieh ihrem Ehemann "wegen meiner Tochter".

Eine klare Beweislage ergab sich aus den Zeugenaussagen jedenfalls nicht. Immerhin räumte der Angeklagte ein, dass er in seiner "Ehre" verletzt worden sei, als seine Ehefrau immer häufiger das Haus verliess um in die Stadt zu gehen. "Da dreht jeder Mann durch. Ich musste annehmen, dass sie untreu war." Er habe den Eindruck gehabt, dass die Frauen vom Grillplatz ("Giftschlangen") seine Gattin gegen ihn aufgewiegelt hätten.

Schon Vorstrafe wegen sexueller Belästigung

Die Staatsanwältin forderte in ihrem Plädoyer Anfang Nachmittag eine Freiheitsstrafe von 4,5 Jahren. Alle dem Deutschtürken vorgeworfenen Delikte seien erwiesen. Es gebe, so die Anklägerin weiter, keine strafmildernden Umstände, jedoch belastende – wie etwa, dass die zweite Ehe des Mannes auch schon von Gewalt geprägt gewesen sei, und dass er wegen sexueller Belästigung vorbestraft ist. Der Beschuldigte habe vor Gericht zudem einen ungünstigen, cholerischen Eindruck hinterlassen.

Dieser schlechte Eindruck wurde dadurch, dass der Angeklagte die Staatsanwältin während ihrem Plädoyer zwei Mal wütend unterbrach und deswegen durch die Präsidentin des Saales verwiesen wurde, noch verstärkt.

Laut der Staatanwältin sei Vergewaltigung auch dann gegeben, wenn das Opfer unter psychischem Druck gesetzt werde. Vergewaltigungen hätten ganz klar mehrfach stattgefunden. Der Angeklagte habe ein "beträchtliches Aggressionspotenzial" und bereue sein "repressives Verhalten" nicht. Die früheren Schilderungen des mutmasslichen Opfers seien glaubhaft. Dass sie vor den Schranken des Gerichts nicht aussagte, sei darauf zurückzuführen, dass sie gestern Sonntagabend nochmals von der Familie des Ehemannes unter Druck gesetzt worden sei und deswegen "müde und erschöpft" wirkte.

Griff zur Eisenstange "war Imponiergehabe"

Verteidiger Urs Grob fordert in seinem Plädoyer einen Freispruch seines Mandanten von allen Delikten mit Ausnahme der versuchten einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand. Für diese Tat, die er als "Imponiergehabe" abtut, solle der Beschuldigte mit einer bedingten Geldstrafe von höchstens 30 Tagessätzen bestraft werden. Für seine sieben Monate dauernde Sicherheitshaft solle er finanziell entschädigt werden. Eine Verurteilung des Deutschtürken würde alleine schon an den "Verletzungen des Anklageprinzips" der Staatsanwältin scheitern. Denn die in der Anklageschrift formulierten Vorwürfe seien zu unpräzise. Der Verteidiger kritisierte weiter, dass die Staatsanwaltschaft dem Sistierungsantrag des Opfers nicht stattgegeben habe.

Den aggressiv wirkenden Angeklagten charakterisierte er als einen "liebevollen Vater und Ehemann, mit einem traditionellen Wertesystem". Sein Mandant sei ganz klar kein Vergewaltiger, er hätte höchstens "mangelndes Feingefühl" bewiesen und nicht bemerkt, dass seine Ehefrau keinen Sex wolle. Ausserdem sei der Ehefrau, die ihren Mann am Grillplatz als "Hundesohn" beschimpft haben soll, eine erfolgreiche Gegenwehr durchaus zuzutrauen. Er unterstellte dem mutmasslichen Opfer zudem, es habe ein "klares Motiv", gegen ihren Mann falsch auszusagen: Sie wolle sich als Opfer darstellen, um so eine im türkischen Kulturkreis "unübliche" Scheidung zu rechtfertigen.

Das Urteil wird morgen Dienstagmorgen um 11 Uhr eröffnet.

 

Mitarbeit: Peter Knechtli




Weiterführende Links:
- Aus der blühenden Zukunft wurde ein Macho-Horror
- Ehemann: Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung


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