Gewerbler droht "Volksstimme" mit Anzeigenboykott
Sissach, 28. Dezember 2012
Kontroverse um die Auslegung der Pressefreiheit im Oberbaselbiet: Stefan Küng, Vorstandsmitglied des Gewerbevereins Gelterkinden, drohte der Sissacher Lokalzeitung "Volksstimme" mit einem Inserate-Boykott. Was war Dramatisches geschehen? Chefredaktor Jürg Gohl hatte sich in einem Kommentar zur Nachfolge von Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) den Satz zu schreiben erdreistet: "Eine linke Regierung wird wahrscheinlich". Wenn SP-Nationalrat Eric Nussbaumer gewählt würde – anstelle eines SVP-Kandidaten –, wäre dies "keine Katastrophe". Basel-Stadt beweise, "dass eine linke Regierung erfolgreich geschäften kann".
Diese Feststellung ist nicht aus der Luft gegriffen: Auch eine mehrheitllich links-grüne Baselbieter Regierung könnte keine Parteipolitik machen und nicht am Volk vorbei politisieren. SP-Finanzdirektorin Eva Herzog jedenfalls macht eine Finanzpolitik, an der offensichtlich auch Bürgerliche Gefallen finden. Doch für den Rothenflüher Metallbauer Stefan Küng hat der "Volksstimme"-Chef mit diesem Kommentar sozusagen politische Gotteslästerung betrieben. In einem Leserbrief winkte Küng auf seine Weise mit dem Zaunpfahl: "Wir KMU erkennen als Inserenten und Abonnenten sehr wohl, bei welcher Zeitung wir gut aufgehoben sind. Dem 'Volksstimme'-Chefredaktor sei wärmstens empfohlen, hierfür seine Sinne etwas zu schärfen, denn wie heisst es doch so treffend: Es empfiehlt sich nicht, den Ast abzusägen, auf dem man selber sitzt."
Diese Sätze offenbaren ihrerseits ein seltsames Verständnis von Meinungsäusserungs- und Pressefreiheit, das seit den berühmten grossen Anzeigen-Boykotten überwunden schien: Dass nämlich am "Volksstimme"-Schalter nicht nur ein Inserat, sondern gleich auch ein Gesinnungsbefehl zuhanden der Redaktion aufgegeben wird.
"Gewerbetreibende profitieren von Inseraten"
Offenbar ist für Stefan Küng Rothenfluh zu klein geworden. Nachdem er dort politisch so schlechte Stimmung verbreitet hat, dass beinahe keine Gemeinderäte mehr gefunden werden konnten, hat er nun ein neues Betätigungsfeld gefunden. Dass die SVP das Gefühl hat man müsse nun noch der Presse drohen ist in Basel bereits Tatsache. An der Basler Zeitung kann man mit verfolgen, wie aus einer unabhängigen Tageszeitung eine SVP-Zeitung wurde. Dies wurde besonders deutlich beim unsäglichen Artikel über die Regierungsrätin Eva Herzog. Nun wünsche ich mir, dass wir nicht solche Verhältnisse im Bezug auf die Volksstimme erleben müssen. Ich bin ein interessierter Leser dieses Blattes und bin froh, dass es in dieser Form noch solch eine Zeitung gibt. Darum bitte ich im Interesse der Pressfreiheit, dass solch ein Aufruf zum Inserate Boykott keine Früchte tragen wird, denn dies würde den Tot eine solchen kleinen Zeitung bedeuten. Also meine Bitte an die Gewerbler nicht solchen Aufrufen zu folgen, denn auch sie profitieren selber mit den Inseraten in der Lokalzeitung.
Dominique Wyss, Gelterkinden
"So kann der Schock abgefedert werden"
Herr Küng glaubt offenbar an Zaubersprüche: Die Schilderung eines als wahrscheinlich bezeichneten Ausgangs der Neuwahlen und ihre möglichen Folgen wird die Bevölkerung auf die richtige Spur setzen. Davon träumen die meisten Schreiberlinge. Ich sehe es eher so, dass sie ihren Weitblick und ihr Einschätzungsvermögen der Volksmeinung mit Prognosen untermauern. Das ist praktisch für uns Leser, denn daran können sie danach gemessen werden.
Abgesehen davon, Herr Küng, ist es ja auch für Sie hilfreich, wenn Ihnen die "Volksstimme" das Schreckgespenst einer rot-grünen Mehrheitsregierung rechtzeitig vor Augen führt. So kann der Schock etwas abgefedert werden, sollte er wider erwarten eintreffen. Prosit Neujahr!
Viktor Krummenacher, Bottmingen
"Gedankenverzerrung"
Sehr geehrter Herr Studer, ich würde ihnen empfehlen, nicht so viel neben ihrem geliebten Funkgerät zu verbringen, die Nebenwirkungen in Sachen Gedankenverzerrung können verheerend sein. Es reicht schon, wenn Herr Küng vom Gewerbeverein Gelterkinden unter Angstzuständen leidet. Was wohl seine KMU-Mitglieder dazu sagen? Oder haben die gar nichts zu melden? Es scheint so.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Das sind demokratisch gewählte Volksvertreter"
Lieber Herr Armin Studer, Sie stellen mit Ihrem Kommentar nicht nur wie Herr Küng die Pressefreiheit, sondern gleich auch die Demokratie in Frage. Ihre "Gestalten" sind demokratisch gewählte Volksvertreter, ob es Ihnen passt oder nicht. Oder darf nur noch gewählt werden, wer zuvor Ihren höchst persönlichen Eignungstest überstanden hat?
Ruedi Epple, Sissach
"Starker Tabak"
Zu den Linken kann jeder seine eigene Meinung haben, die Drohung von Herr Küng ist aber schon starker Tabak. Hat sich der Gewerbeverein Gelterkinden eigentlich schon offiziell zu diesem Thema geäussert?
Rolf Mangold, Tenniken
"Durchaus Verständnis"
Wenn man sieht, durch was für Gestalten sich die Linken – Sozialdemokraten und namentlich Jungsozialisten – in Bern vertreten lassen, dann kann man für die Reaktion von Stefan Küng durchaus Verständnis haben.
Armin Studer, Frick