© Foto by OnlineReports.ch
"Sechs Wochen Luxus kosten sechs Milliarden Franken"
Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien in beiden Basel sagen der Initiative "Sechs Wochen Ferien für alle" der Gewerkschaften den Kampf an. Tenor: Mit generell sechs Wochen Ferien würden Firmen und Arbeitnehmende zugleich bedroht.
Basel, 20. Januar 2012
Die Volksabstimmung über die eidgenössische Initiative "Sechs Wochen Ferien" des Gewerkschaftsdachverbands "Travail.Suisse" findet zwar erst am 11. März statt. Doch die Anzeichen deuten auf eine Debatte von überdurchschnittlicher Heftigkeit hin. Gestern Donnerstag eröffnete das regionale Nein-Komitee, bestehend aus einer breiten Allianz* von Wirtschaftsverbänden und bürgerlichen Parteien, den Abstimmungskampf. Der Basler FDP-Nationalrat und Gewerbeverbands-Direktor Peter Malama brachte es auf den Punkt: "Diese sechs Wochen Luxus kosten sechs Milliarden Franken." Die Botschaft der Initiativen-Gegner ist deutlich: Die Ferien-Initiative bedrohe insbesondere exportorientierte Unternehmen, die heute schon unter dem schwachen Franken litten, aber auch den Detailhandel und Gewerbebetriebe, die mit dem Ausland in direktem Kontakt sehen. Angesichts des globalen Wettbewerbs stehe das Begehren "völlig quer in der Landschaft". Mehr Ferien als gesetzlich vorgeschrieben Malama kritisierte die Anspruchshaltung der Gewerkschaften und mahnte an ihre Adresse: "Das Halten des sozialen Standards ist auch schon ein ehrwürdiges Ziel." Ein neun Mitarbeitende starkes Unternehmen müsse jährlich während zusätzlichen 18 Wochen auf seine Mitarbeitenden verzichten. Heute liegt der gesetzliche Ferienanspruch bei vier Wochen. Marc Jaquet, der Präsident des Arbeitgeberverbandes Basel, erinnerte aber daran, dass heute viele Arbeitnehmende dank sozialpartnerschaftlichen Regelungen mehr Ferien beziehen können als gesetzlich vorgeschrieben. Unter 50-Jährige hätten durchschnittlich 4,8 Wochen Ferien, über 50-Jährige gar 5,4 Wochen. Die "starre Verfassungslösung" (Jaquet) sei der "falsche Weg" und "in mancherlei Hinsicht kontraproduktiv": Sie schade vielen KMU, die mehr als zwei Drittel der Werktätigen in der Schweiz beschäftigen, aber auch dem Werkplatz Nordwestschweiz. Im Extremfall Betriebsschliessung Gerade die von Jaquet erwähnte starre Lösung verhindert laut Barbara Gutzwiller, der Direktorin des Basler Arbeitgeberverbandes, nicht nur freiwillige Engagements von Unternehmen, sondern die in der Krise besonders dringend gebrauchte Flexibilität. Dank des liberalen Arbeitsrechts sei die Beschäftigungslage in der Schweiz hoch und die Arbeitslosigkeit im europäischen Vergleich sehr tief, gab die Verbandsdirektorin zu bedenken. Im Bauhauptgewerbe, das starke körperliche Belastungen aufweist, würden über 50-Jährigen heute schon sechs Ferienwochen gewährt. Laut Christoph Buser, dem designierten Direktor der Wirtschaftskammer Baselland, stünde die Schweiz mit ihrem Sechs-Ferienwochen-Standard "europaweit einsam an der Spitze". Die pauschal verlängerten Ferien und die hohen Lohnkosten könnten "auch internationale Unternehmen davon abhalten, in unserer Region eine Niederlassung zu eröffnen". Diese Zusatzbelastungen könnten dazu führen, dass Unternehmen Arbeitsplätze "ins günstigere Ausland" verlagern, Arbeitsplätze abbauen oder im Extremfall schliessen müssten. Lange Ferien sind nicht das A und O Für die Baselbieter CVP-Präsidentin Sabrina Mohn ist die Ferien-Länge "nicht das wichtigste Argument, wenn es um die Zufriedenheit am Arbeitsplatz geht. Viel wichtiger seien Selbstbestimmung, flexible Arbeitszeiten und individuelle Job-Modelle, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen. Solche auf die Arbeitnehmenden abgestimmte Modelle würden aber durch die Ferieninitiaitve "gefährdet". Weil ausserdem "die gleiche Arbeit innert kürzerer Zeit erledigt werden müsse, käme es zu einer zusätzlichen Belastung der Lohnempfangenden. Der Basler SVP-Kantonalpräsident und Nationalrat Sebastian Frehner verwies auf die zusätzlichen Kosten für Bund, Kantone und Gemeinden im Falle einer Annahme des Volksbegehrens. Allein den Kanton Baselland koste die kürzlich beschlossene Erhöhung des Ferien-Minimums von vier auf fünf Wochen jährlich acht Millionen Franken. In Basel-Stadt gelten für die 15'000 Staatsangestellten schon heute mindestens fünf Wochen Ferien. Unternehmer spricht von "Sargnagel" An der Medienkonferenz traten mit Theodor Burckhardt, dem CEO der in der Metallbranche tätigen Christoph Burckhardt AG (30 Mitarbeitende), und Nicole Weiland, Inhaberin des kleinen Life science-Betriebs Xenometrix AG in Allschwil (sieben Mitarbeitende), zwei Exponenten des hart gebeutelten gewerblichen Exportflügels auf. Die Annahme der Ferien-Initiative, so Burckhardt, wäre für seinen Betrieb "einfach ein weiterer Sargnagel". Das Hightech-Unternehmen Weilands, das 95 Prozent seines Umsatzes im Export erzielt, geriet letztes Jahr wegen des starken Frankens und der hohen Lohnkosten trotz gutem Wachstum in die roten Zahlen. Dass am Ende doch kein Verlust geschrieben werden musste, ist der Inhaberin und Firmenchefin zu verdanken: Sie verzichtete auf ihren Lohn.
* Arbeitgeberverband Basel, Gewerbeverband Basel-Stadt, Handelskammer beider Basel, Wirtschaftskammer Baselland, CVP, FdP, LDP und SVP. Die Grünliberalen seien noch unentschieden, sagte Marc Jaquet. Es gebe in dieser Partei auch Gegner der Ferieninitiaitve; sie wollten sich aber nicht öffentlich in Komitees engagieren.
"Ausgerechnet Lehrerin will Ferien beschneiden"
Interessant, dass eine mit 13 Wochen Ferien gesegnete Lehrerin behauptet, die Länge der Ferien sei nicht wichtig, andere soziale Standards hätten höhere Bedeutung. Schade, dass es Politikern oft sehr schwer fällt zu erkennen, dass sie eigene Aussagen im Blick auf die eigene Situation und Interessenslage überprüfen sollten.
Eine Lehrerin, die sich gegen mehr Ferien stellt, müsste dann eine deutliche Reduktion der Ferien der Lehrkräfte verlangen. Da könnten gewaltige Kosten eingespart werden. Und ob in der heutigen Wirtschaftslage die Lehrerschaft mehr gefordert wird als die in anderen Branchen tätigen Arbeitnehmenden, müsste doch wohl neu überprüft werden. Einmal mehr Politiker vertreten Interessen und das ist gut so, wenn sie das transparent tun.
Wenn die hochgelobte politische Mitte so sehr den durchaus wichtigen wirtschaftlichen Interessen Raum gibt, und die Interessen der Arbeitnehmerschaft nicht mitbedenkt, dann ist die Mitte eher ein Feigenblatt und keine staatspolitisch bedeutsame politische Kraft, die den Ausgleich zwischen zum Beispiel den Arbeit Gebenden und den Arbeit Nehmenden sucht und aktiv fördert.
Xaver Pfister, Basel
|