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BVB-Wahlen: Der "reichsdeutsche" Kandidat nimmt Stellung
Sechs Personalvertreter der Basler Verkehrsbetriebe (BVB) kandidieren für den einen Sitz im Verwaltungsrat. Der umstrittenste ist Joachim Widera (56). Er träumt vom Grossdeutschen Reich und kritisiert, wie die BVB-Gewerkschaften seine Bewerbung ausbooten.
Basel, 1. November 2017
Der in badisch-Rheinfelden wohnende "Reichsdeutsche" (so seine Selbstbeschreibung) ist beruflich BVB-Bus-Chauffeur und politisch Vorsitzender der etwa 200 Mitglieder starken Partei "Deutsches Zentrum". Er kandidiert als Einzelperson ohne Support der in den BVB aktiven Gewerkschaften.
OnlineReports: Herr Widera, Sie wollen als Personalvertreter der BVB in den Verwaltungsrat. Welches ist Ihr Motiv?
Joachim Widera: Ich bin selbst betroffen von der BVB-Geschäftspolitik als Bus-Chauffeur und ich kenne viele Kollegen, die mir ihr Leid bei den BVB geklagt haben. Und da ich Menschen- und Sachkenntnisse habe, will ich mich im Verwaltungsrat als oberstes Entscheidungsgremium einbringen.
OnlineReports: Wie gross schätzen Sie das Vertrauen ein, das Ihnen das BVB-Personal entgegenbringt?
Widera: Ich arbeite seit bald zwei Jahren in den BVB und stosse auf grosses Verständnis bei den Menschen, die mich täglich sehen und mit denen ich zusammenarbeite. Allein aus dem Fahrdienst kennen mich viele, man grüsst sich und unsere Wege kreuzen sich. Man spricht miteinander, dann erfährt man dieses und jenes.
OnlineReports: Aus den BVB hören wir, Sie würden als rechtsradikal eingestuft. Wo sehen Sie sich im politischen Spektrum?
Widera: Rechtsradikal bin ich nicht. Ich bin christlich-humanistisch aufgewachsen und habe Wirtschaftsgeografie studiert. Ich kenne die Prozesse, die in der Welt ablaufen, und habe gegen niemanden Vorbehalte. Aber es ist legitim, dass ich die Interessen einer Nation vertrete. Ich habe überhaupt kein Problem, mit fremdländischen Menschen umzugehen. Aber ich verlange, dass sich alle den Regeln der Gesellschaft in einem Land anpassen, und ich bin gegen Gettoisierung.
OnlineReports: Sie sind, was gemeinhin als "Reichsbürger" bezeichnet wird: Sie lehnen die Bundesrepublik Deuschland in der heutigen Form ab und glauben, die Grenzen des Deutschen Reichs mit den Grenzen von 1937 seien heute noch gültig.
Widera: Ja, aber dies ist bis heute nicht geregelt. Es gibt keinen Friedensvertrag. Ein Reichsbürger bin ich aber nicht.
OnlineReports: Immerhin promoten Sie auf Facebook ein in Brasilien domiziliertes Generalkonsulat der "Exilregierung Deutsches Reich".
Widera: Das ist legitim. Dieser Mann ist mit seiner Familie nach Brasilien ausgewandert und hat ein Einreisevisum in seinem Reisepass des "Deutschen Reichs" erhalten.
OnlineReports: Anerkennen Sie die heutige Bundesrepublik Deutschland als Ihren Heimatstaat?
Widera: Die Bundesrepublik Deutschland nur ist ein politisches System. Meine Heimat ist aber der deutsche Grund und Boden mit den Bürgern und ihrer Kultur.
OnlineReports: Tragen Sie einen "Reisepass Deutsches Reich", mit dem Sie sich schon mal für Zeitungen fotografieren liessen?
Widera: Ich habe den Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland und den Reisepass des Deutschen Reiches.
OnlineReports: Mit welchen Papieren reisen Sie von badisch-Rheinfelden zur Arbeit nach Basel ein?
Widera: Mit dem Reichs-Pass. Er wird von den Schweizer Zollbeamten akzeptiert.
OnlineReports: Die Basler SP-Politikerin und VPOD-Sekretärin Toya Krummenacher sagte gegenüber OnlineReports, Sie verträten "menschenverachtende Werte". Was sagen Sie dazu?
Widera: Die Frau kennt mich nicht und ich sie nicht. Was sie über mich behauptet, ist eine Lüge. Ihre Behauptungen sind unqualifiziert. Die Gewerkschaften, die bei den BVB involviert sind, sind mir gegenüber unfair und unkollegial. Sie unterstellen mir Dinge, die nicht wahr sind. Sie hängen meine Flugblätter von den Wänden ab und hängen ihre eigenen darüber. Die Gewerkschafter versuchen im Wahlkampf, mich auszubooten, indem sie Behauptungen aufstellen, die nicht wahr sind.
OnlineReports: Welche Wahl-Chancen rechnen Sie sich aus?
Widera: Aufgrund von Rückmeldungen rechne ich mir gute Wahl-Chancen aus. Gerade weil ich nicht in einer Gewerkschaft organisiert bin, vertrauen mir meine Kollegen.
Weiterführende Links:
- "Reichsbürger" will als Personal-Vertreter in den BVB-Verwaltungsrat
- Fantasie-Pass: "Deutsches Reich"-Ausweis nicht akzeptiert

"Manko an demokratischem Verständnis"
Herr Widera scheint eine etwas schillernde Figur zu sein und aus diesem Grund möglicherweise nicht die beste Wahl für einen Einsitz in den BVB-Verwaltungsrat. Wenn aber seine Aussage zum Benehmen seiner Gegner in den Gewerkschaften den Tatsachen entspricht: "Sie hängen meine Flugblätter von den Wänden ab und hängen ihre eigenen darüber ...", dann sehe ich dort auch ein beträchtliches Manko an demokratischem Verständnis.
Wenn nur Kandidaten genehm sind, welche die eigene politische Gesinnung vertreten, dann unterscheidet man sich nicht mehr überwältigend vom Gedankengut eines "Reichsbürgers" oder dessen, was man meint, würden diese vertreten.
Wenn, wie Toya Krummenacher sagt: "Mein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ist der Motor meines Handels. Ich kann schlicht und einfach nicht akzeptieren, dass Menschen unterschiedlich behandelt werden, ..." (Zitat Webseite T. Krummenacher), stelle ich mir vor, dass sie darauf Wert legt, dass der Wahlkampf in demokratisch korrekter Form abläuft. "Das bunt gemischte Personal" wird letztlich mündig genug sein, dem geeignetsten Kandidaten oder der geeignetsten Kandidatin die Stimme zu geben.
Lucas Gerig, Bürgerrat, Basel
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