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Selbst Grossräte lehnen eine Bannmeile für Demos ab
Die Forderung der Basler Grossrats-Spitze, Demonstrationen rund um das Basler Rathaus an Sitzungstagen zu verbieten, stösst selbst innerhalb des Grossen Rates auf wenig Begeisterung: Eine Umfrage von OnlineReports ergab kein einziges vorbehaltloses Bekenntnis zur Einführung einer Demo-Bannmeile.
Basel, 23. Mai 2016
In den zwei Jahren ihrer Parlamentszugehörigkeit hat Beatrice Isler erst einmal eine Demonstration erlebt, die zeitgleich mit der Grossratssitzung stattfand. Eine Einschränkung der Meinungsäusserungs-Freiheit oder der Grundrechte erkennt sie mit einer Bannmeile nicht, da der Polizeieinsatz zum Schutz von Regierung und Parlament "enorm und äusserst kostenintensiv" gewesen sei. Von Demonstranten dürfe "ein wenig Rücksicht" verlangt werden.
Ähnlich argumentiert die GLP-Regierungsrat-Kandidatin Martina Bernasconi, die Mitglied des Grossrats-Büros ist. Auch sie bezieht sich auf die Anti-Pegida-Demonstration vom Februar, wegen der die Tribüne für die Öffentlichkeit am Nachmittag gesperrt werden musste und Grossräte um 18 Uhr unter Polizeischutz zum Präsidentinnenfest ins Gundeldinger-Quartier gefahren werden mussten. Laut Bernasconi wäre es aureichend, wenn die zuständigen Behörden bei Bewilligungen von Demonstrationen die Grossratstage "in ihre Überlegungen einbeziehen". Dem Grossratsbüro sei es "nie um die Einschränkungen grundlegender demokratischer Rechte" gegangen. Im Gegenteil würden die Traktanden bezogenen Informationsaktionen im Rathaushof "sehr geschätzt".
Bannmeile "unangebracht"
Für den Basler LDP-Grossrat André Auderset ist die Forderung nach einer Bannmeile "ein weiteres Beispiel für ein leider immer mehr auftauchendes Verhalten der Politik: Wenn ein einziges Mal etwas nicht nach Gusto läuft, wird gleich nach einer gesetzlichen Regelung gerufen". Auderset lehnt "in solches Bannmeilen-Gesetz" ab. Wenn das Volk "halt mal seine Meinung so nahe und so laut kundtut, dass man es im Rathaus hört, ist von den gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertretern auszuhalten". Unwürdig dagegen sei gewesen, dass das Ratsbüro während der Anti-Pegida-Demonstration "uns zwang, das Rathaus durch die Hintertüre via Martinsgasse zu verlassen". Er persönlich, so Auderset zu OnlineReports, "hätte die Diskussion auf dem Marktplatz nicht gescheut".
Die Juristin und SP-Grossrätin Danielle Kaufmann wertet die Meinungsäusserungs-Freiheit höher als die unbeschwerte Zugänglichkeit zum Rathaus. "Einzig wenn die Sicherheit des Parlamentsbetriebes in Gefahr wäre, sähe ich eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit, dies würde die Polizei aber so oder so im Einzelfall prüfen."
Die neue "Basta"-Grossrätin Tonja Zürcher hält "die Forderung nach einer Einschränkung der Demonstrationsfreiheit vor dem Rathaus nicht für angebracht". Für die Co-Parteipräsidntin ist "wichtig, dass die Bevölkerung auch an Tagen mit Grossratssitzungen ihre Position öffentlich und beim Rathaus vertreten kann, also dort wo die Entscheidungen gefällt werden". Sei die Sicherheit der Parlamentarier ernsthaft gefährdet, sei es "auch ohne Spezialregelung möglich, Demonstrationen nicht zu bewilligen".
Verbot wäre "völlig falsch"
Klartext spricht auch der liberale Regierungsrats-Kandidat Conradin Cramer. Er fände es "völlig falsch, Demonstrationen in der Nähe des Rathauses während Grossratssitzungen generell zu verbieten". Gerade in der Nähe des Parlaments "sollen Menschen ihre Meinung äussern dürfen, egal, ob diese Meinung der Mehrheit passt". Cramer zu OnlineReports: "Das ist ein Grundsatz unserer freiheitlichen Ordnung und dieser Grundsatz ist für mich nicht verhandelbar." Nur wenn eine Demonstration die allgemeine Sicherheit oder die Durchführung einer Grossratssitzung abesehbar gefährde, soll die Polizei eine solche Demonstrationen verbieten können.
Ähnlich der Tenor der Riehener EVP-Grossrätin Annemarie Pfeifer. Nach ihrer Meinung soll die Freiheit der Meinungsäusserung "nicht punktuell eingeschränkt werden". Die Mitglieder des Grossen Rats vertreten das Volk. Sie sollen sich deshalb dessen Wünschen, welche sich auch mittels Demonstrationen ausdrücken können, aussetzen – auch am Grossratstag. Die Bewilligungspraxis der Polizei gewährleistet in der Regel, dass nicht Extremgruppen demonstrieren dürfen und die Grossräte gefährden können.
"Verfassungswidrig und unverhältnismässig"
FDP-Grossrat Stephan Mumenthaler erachtet das Ansinnen der Parlamentsspitze als "ein anschauliches Beispiel, dass es oft keine neuen Regeln braucht, sondern die konsequente Anwendung bestehender Regeln". Nach seiner Meinung sollte "das Demonstrations-Recht nicht beschränkt werden", da es ein Grundrecht darstelle und deshalb zu schützen sei. Allerdings müssten die Demonstranten "alle Regeln der Sicherheit befolgen, ansonsten müssen sie sich Massnahmen der Polizei zu Recht gefallen lassen".
SP-Grossrätin Edibe Gölgeli finde ich ein Demonstrations-Verbot während der Sitzungen des Grossen Rates überzogen. Ein solches Verbot wäre "verfassungswidrig und unverhältnismässig". Dieses Grundrecht sollte "nicht wegen Einzelfällen" in Frage gestellt werden. Entscheidend sei, dass alle Demonstrationen "im Detail überprüft" und von den Behörden "mit Auflagen bewilligt" werden.
"Eher Demo-Verbot in der Innenstadt"
Wenig Begeisterung für ein Demo-Verbot an Sitzungstagen versprüht auch SVP-Regierungsrats-Kandidat Lorenz Nägelin. Die Anzahl an störenden Demonstrationen an Grossratstagen sei "äusserst gering". Ihn störe viel mehr, "dass grosse Demonstrationen beispielsweise während Vorweihnachts-Verkäufen oder an Samstagen in der Innenstadt stattfinden und das Gewerbe tangiert wird, oder wenn Leute am Lädele gehindert werden und sogar Angst haben müssen". Der Fraktionschef könnte sich eher vorstellen, Demonstrationen an Samstagen durch die Innenstadt zu verbieten.
FDP-Fraktions-Chef Andreas Zappalà sieht "die Angelegenheit zwiespältig": Einerseits hat er "grundsätzlich Verständnis für das Anliegen des Büros". Allerdings dürfte die Forderung "an unseren Grundrechten, insbesondere der Meinungs-und Versammlungsfreiheit scheitern". Die eine Grossdemonstration vom Februar als Aufhänger für ein solches generelles Verbot zu nehmen, gehe "zu weit". Die Demonstration habe ja trotz Verbot stattgefunden. Hinzu komme, dass solche Grossdemonstration vor dem Rathaus an einem Sitzungstag "nicht an der Tagesordnung" seien. Vielmehr empfindet Zappalà "das Spiessrutenlaufen zu Beginn einer Sitzung, wenn Interessengruppierungen jede Grossrätin und jeden Grossrat mit irgendwelchen Flyern oder Bhaltis in der Stimmabgabe zu beeinflussen versuchen, als unangenehmer".
Weiterführende Links:
- Basler Grossrats-Spitze will am Demonstrations-Recht rütteln
"Wie kam dieser Büro-Beschluss eigentlich zustande?"
Grossratsmitglieder aus praktisch allen Parteien von LDP, FDP, SP, GLP bis zum Grünen Bündnis lehnen das Ansinnen mit guten Gründen ab. Da stellt sich schon die Frage, mit welcher Mehrheit das Demoverbot im Büro des Grossen Rates zustande gekommen ist. Üblicherweise werden doch derart wichtige Themen vorab in der Fraktion diskutiert. Es kann doch eigentlich nicht sein, dass alle Büromitglieder gegen den Willen ihrer Fraktion einen so heiklen Beschluss gefasst haben. Oder doch?
Roland Stark, a. Grossratspräsident (SP), Basel
"Ich sehr gar keine Probleme"
Nicht nur das Demoverbot erstaunt, auch der Entscheid andere "Kundgebungen" während der Grossrats-Sitzungstage zu verbieten. Dies ist unverhältnismässig. Als Petitionskommissions-Präsidentin bin ich selbstverständlich der Ansicht, dass Petitionen auch an einem Grossratstag im Hof abgegeben und entgegengenommen werden können. Bei der Entgegennahme muss es der Petentschaft zudem möglich sein, ihr Anliegen in irgend einer Form (auch medial attraktiv) zu unterstreichen. Sie haben dies bisher jeweils in äusserst anständiger Form getan, ich sehe deshalb auch hier gar keine Probleme – schon gar keine Sicherheitsprobleme. Ich begrüsse deshalb die entschiedene Ablehnung der Regierung.
Brigitta Gerber, Fraktionspräsidentin "Grünes Bündnis", Basel
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