© Foto by Staatskanzlei / Montage by OnlineReports.ch
"Wachsende Dynamik": Basler Regierung, offiziell
So sieht eine starke Regierung aus
Die neue Basler Exekutive publiziert ihr offizielles Foto – OnlineReports sprach mit einer Expertin für Bildsprache
Von Peter Knechtli
Die neu zusammengesetzte Basler Regierung publizierte soeben das offizielle Gruppen-Foto. OnlineReports legte das Bild einer unabhängigen Bildsprache-Expertin zur Beurteilung vor. Erstaunlich, was sie aus dem Dokument alles herausliest.
Wie jede Regierung, die etwas auf sich hält, liess es sich auch das Basler Herrschafts-Septett die Gelegenheit wiederum nicht nehmen, sich im Internet in neuer Zusammensetzung und in hoher (technischer) Auflösung downloadfähig zu präsentieren. Seit heute Donnerstag ist das Bild online abrufbar.
Auf den ersten Blick zu sehen sind acht Personen in einem Raum aus edlem Täfer und Parkett, die in der einen oder andern Weise geistig-politisch zusammengehören, gelegentlich aber auch mit dem politischen Gegner heimlich paktieren, Absprachen treffen – und schliesslich zum Wohle des Kantons Basel-Stadt grundkollegiale Beschlüsse fassen.
Von links nach rechts zu sehen sind: Barbara Schüpbach-Guggenbühl (Staatsschreiberin), Christoph Brutschin (Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt), Eva Herzog (Finanzdepartement), Regierungsvizepräsident Carlo Conti (Gesundheitsdepartement), Regierungspräsident Guy Morin (Präsidialdepartement), Christoph Eymann (Erziehungsdepartement), Hanspeter Gass (Justiz- und Sicherheitsdepartement) und Hanspeter Wessels (Bau- und Verkehrsdepartement).
Politik im Goldenen Schnitt
Doch ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte, weshalb wir Antje Schmidt, Professorin am Institut für Bildsprache und Fotoästhetik an der Universität Hamburg, kurzfristig um eine fachliche Interpretation des zeitgeschichtlichen Dokuments gebeten haben.
Nach einer ersten Betrachtung kam die Expertin – mit Basler Verhältnissen nicht im Geringsten vertraut – zur Auffassung, dass die Komposition eine Regierung "von hoher Homogenität und Durchsetzungskraft" sowie "wachsender Dynamik" verrate. Erkennbar sei dies einerseits am wellenförmigen Verlauf der Köpfe, der den Naturgesetzen entsprechend ein nie endendes Anbrausen und gelegentliches Aufpeitschen gegen die Brandung (Parlament) signalisiere, was Hartnäckigkeit und Beissfestigkeit verrate. Eine der unverfänglichen Aussagen des Bildes sei ausserdem, dass die Regierung "zwar konsequent die Hände, nie aber die Köpfe hängen lasse".
Anderseits falle die Aufteilung in eine Dreier- und eine Fünfergruppe auf, was entsprechend den Proportionen des Goldenen Schnitts "sowohl eine für das Auge angenehme Spannung wie operative Triebkraft" vermittle und keineswegs auf die üblichen Mehrheitsverhältnisse schliessen lassen dürfe.
Ambivalente Stuhl-Symbolik
Der von der linken Rückseite gezeigte Stuhl zwischen Eva Herzog und Carlo Conti habe "als dramaturgisches Element" deshalb nicht trennenden, sondern viel eher verbindenden Charakter, weil es bei aktuem Ruhebedarf – sei es nach dem Studium von Zahlenbeigen, sei es nach einer strapaziösen China-Reise – Beiden "etwa gleich schwer fallen dürfte, sich spontan in die Sitzgelegenheit fallen zu lassen".
Eher kritisch äussert sich die Hamburger Dozentin über den notdürftig platzierten Stuhl hinten links und sein doch recht offen in Frontalsicht assortiertes Pendant rechts aussen. Die beiden Elemente seien "möglicherweise eher versteckte Botschaft als eine bewusst eingesetzte Assoziation der Spontaneität": Sie könnten den "verdrängten Wunsch" des Exekutiv-Gremiums nach "mehr Sitzen" symbolisieren – eine personelle Erweiterung des Kollegiums, beispielsweise in Form eines Alters-Regierungspräsidenten und, zur Unterstützung desselben, eines Staatssekretärs für spezielle interdepartementale Angelegenheiten.
Zwingt Farbe rein!
"Harmomie und Kollektivwillen" dagegen verrate das ohne Absprache aufgelegte "von ungefähr gleichmässiger Intensität" geprägte Lächeln, das aber ebenso ein "Bedürfnis nach Leistungsanerkennung und emotionaler Gratifikation" ausstrahle. Conti, als Einziger leicht seitlich zur Linse positioniert, zeigt sein David Niven-Lächeln von der charmantesten Seite, Eymann wie Herzog deuten das Lachen eher nur an, Wessels, ein Bein locker vorangestellt, lässt bei geschlossenem Mund die Lachfalten spielen, Gass zeigt sich aufgeräumt, als müsse er sogleich zu einem Spatenstich anheben, Brutschin betont die rechte Hand wie bei der Beglückwünschung eines 100-Jahre-Jubilars. Schüpbach-Guggenbühl lässt eine weisse Zahnfront und einen gewissen Abstand zu Brutschin erkennen. Schon fast Achtungstellung hat Morin angenommen. Obschon eine Regierungsmehrheit Rad fährt, wurde auf Hosenbinder konsequent verzichtet.
Eingemittet steht der Regierungspräsident im Zentrum des Bildes, dessen Formatierung sich mit recht konservativer baulicher Umgebungs-Anmutung abzufinden hatte, wie sie das Vorzimmer zum Grossratsssaal nun einmal bietet. Dem Odeur des Verstaubten, Rückwärtsgerichteten begegneten die Bild-Autoren, indem sie – Motto: Zwingt Farbe ins Badezimmer – eine blaufarbene gewölbte Mobilwand mit Basler Wäppli und Aufschrift "Kanton Basel-Stadt" zum Fototermin herbeifugten. Expertin Antje Schmidt hält den Beizug modernistischer, aber raumfremder optischer Ingredienzien in die Bildkomposition für "absolut legitim", da offizielle Behördenbilder per definitionem "artifizielle Momentaufnahmen" und die in Basel gewählten Zusatz-Dekorationen "erst noch kostengünstig" seien.
Zu den verschiedenen Hosenlängen und -überlängen mochte sich die Hamburger Dozentin nicht äussern: Für individuelle modische Präferenzen sei sie nicht zuständig.
Die geheimnisvolle goldene Armatur
Dass sich, wie in der Politik üblich, die Wahrheit erst bei genauem Betrachten manifestiert, zeigt sich auch auf dem "offiziellen Gruppenfoto" (offizieller Name) der Basler Regierung. Die goldene Armatur, die oben in der Mitte etwas erklärungsbedürftig ins Bild ragt, ist nicht, wie Insider nun vermuten, der untere Abschluss des Leuchters. Es ist der Ort, wo der Basler Regierungspräsident (Nein, nicht Oberbürgermeister, Frau Schmidt) bei kollegialen Fototerminen jeweils seine Krone ablegt.
PS: Antje Schmidt, Professorin für Bildsprache und Fotoästhetik an der Universität Hamburg, ist nicht existent. Ihre Zitate sind frei erfunden. Oder sagen wir: inszeniert.
Bild in Grossformat
Für die Aufnahme verantwortlich ist das Fotoatelier Andi Cortellini & Ursula Sprecher.
30. April 2009