© Foto by Peter Knechtli, OnlineReports.ch
"Die Sache gut überlegen": Mögliches Rochade-Duo Wyss-Jans
Nur vielleicht: Der elegante Move von Beat Jans und Sarah Wyss
Der Nationalrat in die Regierung, die Grossrätin in den Nationalrat: Aber goutieren dies die SP-Frauen?
Von Peter Knechtli
Nach der Rücktritts-Ankündigung des Basler Baudirektors Hans-Peter Wessels bringen sich mögliche Nachfolgende in Stellung. Auf den ersten Blick liegt eine Rochade als die eleganteste auf der Hand: Nationalrat Beat Jans wechselt in die Regierung und Sarah Wyss rückt auf Jans' Sessel in Bern nach. Aber auch andere Optionen liegen in der Luft.
Mit der Ankündigung seines Rücktritts nur gut zwei Wochen nach den eidgenössischen Wahlen hat Wessels alle kalt erwischt. Noch hatten sich Freude und Enttäuschung über die Ergebnisse nicht aus den Köpfen der Kandidierenden verflüchtigt, stellten sich mit der Eröffnung von Wessels' Entscheid für die einen oder andern plötzlich ganz neue Perspektiven. Denn in genau einem Jahr bestellt Basel-Stadt Parlament und Regierung neu. Weil keine weiteren Abhänge zu erwarten sind, stellt sich hauptsächlich die Frage, wer aus der SP den frei werdenden Wessels-Sitz beerben soll.
SP hat kein Personalproblem
Im Gegensatz zu einigen andern Basler Parteien gerät die SP nie in Verlegenheit, wenn es gilt, exekutive Nachfolgen zu regeln. Nur sind die Namen möglicher Papabili seit einiger Zeit bekannt und an gut einer Hand abzuzählen. Man spürt als Beobachter aufgrund von Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten ja schnell, wer will – oder zumindest möchte.
Würde die Wessels-Nachfolge am Reissbrett entschieden, dann läge das, was man Neudeutsch "den grossen Move" nennt, rasch auf der Hand: Nationalrat Beat Jans, am 20. November glanzvoll für weitere vier Jahre nach Bern gewählt, könnte in einem Jahr zur Wahl in die Regierung antreten und damit der Erstnachrückenden Sarah Wyss (31) Platz machen, die schon vor Jahren für ein Nationalrats-Mandat kandidiert hatte.
Jans gilt als Crack der Basler SP
Vorteil dieses Szenarios: Mit dem heute 55-jährigen Jans kehrte ein erfahrener und als früherer Kantonalpräsident äusserst erfolgreicher Politiker in die heimatlichen Gefilde zurück, der letzten Januar seine intakten Ständerats-Ambitionen zugunsten der jetzt tatsächlich gewählten übermächtigen Frauen-Kandidatur von Eva Herzog zurückzog. Kehrte Jans nun in seiner aufgrund der Amtszeitbeschränkung ohnehin letzten Legislatur vorzeitig zurück, um im Chefbüro am Münsterplatz einzuziehen, gewänne der Nationalrat durch Sarah Wyss eine weitere weibliche Stimme und die Basler SP eine Nachwuchspolitikerin in Bern.
Auch wenn sich für das Rochade-Duo Jans/Wyss verlockende Perspektiven eröffnen, stehen beide gleichzeitig vor einem Dilemma: Mit ihrer Nationalrats-Kandidatur haben sie das Basler Wahlvolk soeben noch im Glauben gelassen, wie wichtig ihnen der Sitz in der Grossen Kammer wäre. Es dürfte insbesondere an der kritischen SP-Basis nicht zwingend goutiert werden, wenn die Karriere-Pläne nun plötzlich eine andere Richtung nähmen.
Ein Departement im rauen Wind
Beat Jans signalisiert im Gespräch, dass er sich ein Regierungsmandat "heute eher vorstellen kann als auch schon". Er wolle sich "die Sache aber gut überlegen". Dazu besteht auch Grund. Denn nach heutigem Stand steht keine Auswahl zur Diskussion: Zu besetzen geben wird es vermutlich, falls allen Bisherigen die Wiederwahl gelingt, einzig das Bau- und Verkehrsdepartement.
Es ist jenes Departement, von dem ehemalige Amtsträger sagen, es erfahre aus der Bevölkerung überdurchschnittlich viel Dankbarkeit – aber auch überdurchschnittlich viel Kritik und Beckmesserei. Unter der Führung von Hans-Peter Wessels geriet das BVD zusätzlich zum Projektions-Stigma bürgerlicher Parteien und Verbände.
Gefragt wäre also eine Persönlichkeit, die damit umgehen kann. Das Departement wollen die Sozialdemokraten nicht aus der Hand geben. Dies nicht zuletzt, weil es auf den Bau günstiger und genossenschaftlicher Wohnungen Einfluss nehmen kann, was sich angesichts des Erfolgs der Wohnschutz-Initiativen günstig auf Wahlen auswirkt.
Enttäuschte Sarah Wysss
Baudirektorin Sarah Wyss? Wie Beat Jans liebäugelt nämlich auch sie mit dem Regierungs-Mandat. Nachdem es mit dem Nationalratssitz erneut nicht geklappt hat, muss die Enttäuschung so gross sein, dass sie dem Neugewählten Mustafa Atici bisher nicht von Angesicht, sondern nur über social media gratuliert und am Wahlsonntag-Abend vorzeitig das SP-Zentrum "Clara 13" verlassen hat. Das hat einige Parteifreunde irritiert.
Für die engagierte Gesundheitspolitikerin, die sich zügig "von der Juso-Göre zur Madame Politik" ("Basler Zeitung") hochgearbeitet hat, ist die "Regierungsrätin" auch deshalb in den Fokus gerückt, weil Basel-Stadt in vier Jahren einen Nationalratssitz verliert, was die Wahlchancen schmälert.
Die Zeichen des Interesses, die Sarah Wyss aussendet, sind ein Indiz dafür, dass die Basler SP-Frauen ihren Mandats-Anspruch noch nicht aufgegeben haben und den Frauenstreik-Schwung weiter ausnützen wollen. Nachdem Tanja Soland im ersten Wahlgang der Sprung in die Regierung geglückt ist, soll nun eine zweite Frau im regierungsrätlichen SP-Trio für feminine Dominanz sorgen.
"Frauen stehen bereit"
Zwar steht mit Kaspar Sutter (43), Eva Herzogs früherem Generalsekretär, ein weiterer ebenso profilierter wie ambitionierter Linker in der Frontlinie, während Fraktions-Chef Thomas Gander gegenüber OnlineReports klares Desinteresse an der Wessels-Nachfolge erklärt hat: "Für eine nächste Vakanz überlege ich mir eine Kandidatur."
Die Zahl potenzieller Frauen-Kandidaturen ist mindestens so gross. Für Michela Seggiani, Co-Präsidentin der SP-Frauen, ist angesichts der bisherigen Quote – je zwei SP-Männer in Regierung und Nationalrat – klar, dass die Wessels-Nachfolge weiblich sein muss. Und Frauen, so Seggiani, "stehen bereit". Es sind jene Interessentinnen, die vor der Soland-Wahl durch die Blume ihr Interesse bekundet, sich aber bis dahin zurückgehalten haben. Und es sind gestandene Frauen, die viel Parteiarbeit geleistet haben.
Bereits offen ihre Bereitschaft zur Kandidatur bekundet hat Partei-Vizepräsidentin und Grossrätin Kerstin Wenk. Die gelernte Hochbauzeichnerin ist seit sechs Jahren für Bildung und Soziales zuständige Gewerkschaftssekretärin des VPOD. Wie Wenk kursiert auch die frühere Fraktionschefin Beatriz Greuter seit längerem in Evaluationsgesprächen. Die Direktorin der privaten Hirslanden-Klinik "Birshof" hat ihr Ja-Wort noch nicht gegeben, aber doch deutliche Interessens-Signale gegeben.
Sollen Männer warten?
Wie stark die Geschlechterfrage allerdings die Nomination bestimmt, zeichnet sich noch nicht eindeutig ab. OnlineReports traf in der Recherche auch auf meinungsführende Sozialdemokratinnen, die nicht zwingend der Meinung sind, es müsse für die Wessels-Nachfolge nochmals eine Frau antreten.
Die Frauen-Frage könnte durchaus auch erst beim Rücktritt von SP-Wirtschaftsminister Christoph Brutschin, der nochmals zur Wahl antreten dürfte, wieder aufgeworfen werden. Andere (männliche) Stimmen sind genau gegenteiliger Meinung: Jetzt müsse nachmals eine Frau her, die in der Gunst führenden Männer könnten sich dann um die Brutschin-Nachfolge duellieren.
Sicherlich tun die jetzt als in der Pole-Position gehandelten Bewerbenden deshalb gut daran, sich noch auf die eine oder andere unerwartete Strömung an der Parteibasis gefasst zu machen. Denn dort wird letztlich der Nominations-Entscheid getroffen.
Mehr über den Autor erfahren
8. November 2019
Weiterführende Links: