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"Eine unaufgeregte Diskussion": Liberale Strategen Iselin und Eymann
"Wir strecken die Hand zum Gespräch aus"
Die Basler Liberalen entschuldigen sich für Kommunikations-Fehler - und spielen weiter Powerplay
Von Peter Knechtli
Die liberale Basler Parteipräsidentin Maria Iselin hat sich heute Montag an einer eilends einberufenen Medienkonferenz bei ihren bürgerlichen Allianz-Partnern für "Fehler in der Kommunikation" entschuldigt. Während FDP, CVP und SVP weitere Verhandlungen über eine Listenverbindung mit der "Liberalen Gewerbeliste" ausschlugen, wollen die Liberalen das Gespräch noch einmal suchen und auf einer Fünfer-Listenverbindung beharren.
Messerscharf kam heute Montagnachmittag die Absage der bürgerlichen Parteien FDP, CVP und SVP: Die Gespräche mit der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) über das Wochenende seien ergebnislos verlaufen. Damit werde nicht weiter über die "Liberale Gewerbeliste" verhandelt und das Traktandum sei erledigt. Kurz zuvor hatte die liberale Parteispitze die Medien zu einer kurzfristig anberaumten Medienkonferenz eingeladen. Den Journalisten bot sich im "Safran"-Saal ein ungewöhnliches Bild: Nicht weniger als zehn Parteiexponenten (Bild) stellten sich wie als ein Zeichen der Geschlossenheit ins Scheinwerferlicht, darunter alle fünf Nationalratskandidatinnen und -kandidaten.
"Es tut mir sehr, sehr leid"
Einleitend bedauerte Iselin, dass die kurzfristige Lancierung der "Liberalen Gewerbeliste" bei den drei bürgerlichen Verbundpartnern eine derartige "Irritiation" ausgelöst habe. Dann fügte sie an: "Das tut mir sehr, sehr leid. Es war nicht die Absicht unserer Partei." Sie strecke gegenüber den Präsidien von CVP, FDP und SVP die Hand zum Gespräch aus: "Es ist eine offene Hand ohne bösen Zeigefinger."
Dann übernahm eher erstaunlicherweise der liberale Regierungsrat Christoph Eymann als "einfaches Parteimitglied" (Iselin) weitgehend die Regie der Medienkonferenz. Dies, wie er sagte, "aus Loyalität zur Parteipräsidentin". Eymann: "Es beelendet mich, wie Frau Iselin ungerechtfertigterweise Prügel bezieht." Sowohl Iselin wie Eymann räumten dabei "Fehler in der Kommunikation" ein.
Dritter Sitz an Liberale oder CVP?
Inhaltlich aber nahmen die Liberalen nichts zurück. Die Stossrichtung der Argumente: Hauptziel der bürgerlichen Listenverbindung sei die Rückeroberung des dritten bürgerlichen Nationalratssitzes, was von allen Verbundpartnern "besondere Anstrengungen" (Eymann) erfordere. "Zusätzliche Ressourcen zu erschliessen", hätten sich die Liberalen besonders zu Herzen genommen, nachdem die Freisinnigen schon die Idee einer speziellen Frauenliste und die CVP eine Soziusliste ihrer "Mittelstandsvereinigung" aufgeworfen hätten. Selbst mit der "Schweizerischen Bürger-Partei", so die Liberalen heute in einem Communiqué, soll das Gespräch nochmals gesucht werden. Allerdings hat sich diese Partei letzte Woche öffentlich gegen eine "Vereinnahmung" durch die traditionellen bürgerlichen Parteien und gegen eine Listenverbindung ausgesprochen. "Wir gingen davon aus, dass andere Parteien auch Aktivitäten unternehmen", ergänzte LDP-Vizepräsident Felix Werner.
Er sei zwar nicht der Vater der "Liberalen Gewerbeliste", so Eymann, doch habe er deren Zustandekommen "sehr begrüsst". Seine "Freude" sei "gross" gewesen, dass sich zusätzlich zumeist liberale Persönlichkeiten gemeldet hätten, um eine "Korrektur" der Sitzverteilung im Nationalrat herbei zu führen. Dass die Liberalen als Einzige eine zusätzliche Liste lancierten, begründete Eymann mit dem Argument, dass ein dritter bürgerlicher Sitz nicht an die FDP oder die SVP fiele, sondern an die Liberalen oder die CVP.
Umgerechnet auf die Wahlen im Jahre 2003 hätten der heutigen Vier-Parteien-Allianz nur 4'000 Listenstimmen gefehlt, um den dritten Sitz zu erringen, rechnete Nationalratsbewerber und Grossrat Conradin Cramer vor: "Es braucht jetzt weitere Gespräche mit den Allianzpartnern."
Eymann spricht von "Rückzugsposition"
In diesen Gesprächen wollen die Liberalen ihre ursprüngliche Idee einer Unterlistenverbindung mit der "Liberalen Gewerbeliste" fallen lassen und CVP, FdP sowie SVP dafür gewinnen, diese Liste als unabhängige fünfte Kraft in die Listenverbindung aufzunehmen. Diesen Ansatz bezeichnet Eymann als "Rückzugsposition". Doch auf die Frage, ob damit letztlich nicht die liberale Strategie aufgehe – immerhin trägt die Gewerbeliste im Namen den Begriff "liberal" -, war keine klare Antwort zu erhalten.
Viel Zeit bleibt den Liberalen nicht: Bis 10. September, morgens um 9 Uhr, müssen die Bündnisse amtlich gemeldet sein.
Die Parteivorsitzende Iselin erklärte, heute Montagmorgen sei per Mail bei den Allianz-Partnern ein neuer Termin für eine Elefantenrunde aller vier Parteien, der drei Wirtschaftsverbände und der "Gewerbeliste" sondiert worden. Dies verträgt sich indes schwer mit der kategorischen Absage an weitere Gespräche durch FDP, CVP und SVP von heute Montagmittag. Über die LDP-Medienkonferenz war das Parteien-Trio nicht informiert worden ("diese betrifft nur uns").
Trotz Verständigung auf die "Rückzugsposition" war bei den Liberalen heute keinerlei Unterwürfigkeit zu spüren. So bezeichnete Eymann die offenbar vertretene Forderung der drei Parteien, die "Gewerbeliste" habe "auf eine Kampagne zu verzichten", als "Schindluderei mit unserem Wahlsystem": Eymann: "Die Leute auf der Gewerbeliste sind keine Jux-Kandidaten."
Kritik an "Besitzstandsdenken"
Auf die OnlineReports-Frage, mit welchen Argumenten die drei Parteien in den Gesprächen der letzten Tage denn die Aufnahme der "Liberalen Gewerbeliste" als fünfte Kraft in der Listenverbindung abgelehnt hätten, sagte Iselin: "Ich weiss es nicht. Es war irrational." Während Nationalratskandidat und Handelskammer-Direktor Andreas Burckhardt einräumte, dass er im Umfeld des Andreas-Albrecht-Wahlfestes Unterschriften für die Gewerbeliste sammelte, zeigte sich Eymann über die "heftige Reaktion" überrascht: "Damit hatte ich nicht gerechnet." Erklären könne er sich diese Reaktion nicht aus dem gemeinschaftlichen Ziel, den dritten bürgerlichen Sitz zu erobern, sondern nur "aus Besitzstandsdenken" der drei Parteien.
Eymann machte denn auch transparent, dass eine verbundene Fünferliste nicht nur für den Ausgang der Nationalratswahlen entscheidend sei. Vielmehr hätte ein Sieg auch starke politische Signalwirkung im Hinblick auf die bevorstehenden kantonalen Wahlen, in denen erstmals ein verkleinertes Parlament gewählt und - vor allem - ein Regierungspräsident erkoren wird. Daraus darf interpretiert werden: Wer die Herbstwahlen gewinnt, erhöht Anspruch und Chancen auf das Stapi-Amt.
Eine liberale Generalstabsübung?
Die heutige Verlautbarung der Liberalen rief zwar beim einen oder andern Journalisten erneut Kopfschütteln hervor ("dass dieses Vorgehen Krach gibt, hätte doch an einer Hand abgezählt werden können"). Doch allmählich zeichnet sich ab, dass die Dramaturgie der LDP einem eiskalten Kalkül oder gar einer Generalstabsübung nicht fremd ist: Die drei Parteien werden nun in die Ecke gedrängt als Gruppierungen, die im Kern gar nicht gemeinsam für den dritten bürgerlichen Sitz zu kämpfen, sondern nur je für ihre eigenen Interessen, wie heute Morgen schon im OnlineReports-Kommentar beschrieben. Es geht um eine Art Voraus-Verteilung der Sündenbock-Rolle für den Fall, dass weder die Nationalrats- noch die Ständeratswahlen mit einem bürgerlichen Sieg enden werden.
Die Linke hat indes keinen Grund zur Schadenfreude. Wahlkämpfe werden heute nicht mehr mit Podiumsgesprächen gewonnen, sondern mit taktischen Grossmanövern unter Einbezug der Medien. Das haben die bürgerlichen Parteien schneller begriffen als die rot-grünen. Im Moment deutet nichts auf die grosse Versöhnung hin, aber das Ausbleiben einer aussergewöhlichen bürgerlichen Mobilisierung kann aufgrund der derzeitigen Vertrauenskrise noch nicht abgeleitet werden. Denn es geht am 21. Oktober um mehr als ein Würstchen - es geht um die Wurst.
3. September 2007
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