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"Entscheid erst nach dem ersten Wahlgang": Konkurrenten Nussbaumer, Graf
Ständeratswahlen BL: Grün lässt Rot im Ungewissen
Graf oder Nussbaumer: Die Grünen wollen erst am 20. Oktober festlegen, wer in den zweiten Wahlgang gehen soll
Von Peter Knechtli
Zwischen der Baselbieter SP und den Grünen herrscht derzeit Funkstille, was das Vorgehen im zweiten Wahlgang der Ständeratswahlen betrifft: Die Grünen wollen sich nicht im Voraus zum Grundsatz bekennen, dass nochmals gegen Daniela Schneeberger antreten soll, wer im ersten Wahlgang mehr Stimmen macht. Das gefällt den Sozialdemokraten nicht, aber sie halten taktisch Ruhe.
Für den Baselbieter SP-Ständerats-Kandidaten Eric Nussbaumer ist klar: Wenn die Grüne Maya Graf im ersten Wahlgang mehr Stimmen auf sich vereinigt als er, wird er im zweiten Wahlgang nicht mehr antreten. Er begründet dies als logische Folgerung aus einem demokratischen Volksentscheid. So hat er es mehrmals öffentlich kommuniziert.
Anders ist die Haltung bei den Grünen, die sich bis zum Wahltermin vom 20. Oktober zieren werden: Sie wollen nicht Gegenrecht halten und den Rückzug Maya Grafs versprechen, sollte sie am Wahltag hinter Nussbaumer liegen. Vielmehr wollen sie erst nach Vorliegen der Ergebnisse aus dem ersten Wahlgang über das weitere Vorgehen mit Partner SP diskutieren. In dieser Frage herrscht zwischen den beiden politisch sich nahestehenden Parteien Funkstille.
Grüne wollen Option offen lassen
Diese Position lässt nur eine Interpretation zu: Die Grünen wollen ihren Anspruch auf einen Ständeratssitz auch dann nicht aufgeben, wenn Nussbaumer auf Platz zwei und Maya Graf auf Platz drei landen sollte.
Läge die seit 18 Jahren als Nationalrätin amtierende Biobäuerin aus Sissach wider Erwarten klar hinter Nussbaumer, wäre der Anspruch, dennoch in den zweiten Wahlgang steigen zu wollen, zwar nicht durchzusetzen. Weil die Grünen aber kaum mit einem solchen Wahlausgang rechnen, ist möglich, dass sie sich die folgende Option offenhalten wollen.
Falls Maya Graf nur knapp hinter Nussbaumer liegen wird, wollen sie den Fokus von der Stimmenmehrheit im ersten Wahlgang verlagern auf die Frage: Welche der beiden Kandidierenden von SP und Grünen hat im zweiten Wahlgang die besseren Karten gegen die freisinnige Nationalrätin Daniela Schneeberger als einzige bürgerliche Kandidatin, die auch in der SVP- und konservativen Teilen der CVP-Wählerschaft Stimmen buchen wird?
Die Chancen im 1:1-Kampf gegen Schneeberger
Ihre Argumentation unter den Bedingungen des zweiten Wahlgangs, in dem nur noch das Relative Mehr zählt, könnte so lauten, dass Maya Graf im 1:1-Kampf gegen Schneeberger die besseren Erfolgsaussichten haben könnte als Nussbaumer, obschon er im ersten Wahlgang besser abschnitt. Graf könnte sich auf den Standpunkt stellen, als grüne Frau und Co-Präsidentin von "Alliance F" gegen eine Bürgerliche, als Klima-Besorgte gegen eine Autostau-Besorgte und mit langjähriger Parlaments-Erfahrung (auch als Nationalrats-Präsidentin) eher für einen Wahlsieg sorgen zu können als Nussbaumer.
Ob sich die SP einer solchen Analyse allerdings widerspruchslos anschlösse, ist indes kaum anzunehmen. Denn auch Nussbaumer, obschon Mann, könnte seine Pluspunkte ins Spiel bringen: Langjährige Erfahrung im Schmieden von Allianzen im Nationalrat und Experte einer nachhaltigen Energiepolitik und in seiner moderaten Ausrichtung ähnlich gelagert wie sein amtierender Parteifreund Claude Janiak, der sein Mandat im "Stöckli" nach zwölf Amtsjahren niederlegen wird. Das "Frauen"-Argument kann er kontern mit der Wahrscheinlichkeit, dass bei seiner allfälligen Wahl in den Ständerat mit grösster Wahrscheinlichkeit eine weitere SP-Frau in den Nationalrat einzieht und die Zahl der Baselbieter Frauen in der Grossen Kammer erhöht.
Majorzwahl kennt andere Regeln
Da Nussbaumer und Graf im ersten Wahlgang getrennt marschieren, wird sich der Kern ihrer Stimmen aus dem Zuspruch der jeweiligen Parteibasis zusammensetzen. Hier ist die SP mit einem Wähleranteil von knapp 21 Prozent (Landratswahlen 2019) vor den Grünen (15 Prozent) deutlich im Vorteil.
Die Frage wird sein, ob Maya Graf – in den letzten Nationalratswahlen erzielte sie mit 36'000 Stimmen das beste Resultat aller Kandidierenden – ihre Fähigkeit als überparteiliche Mobilisierungs-Künstlerin auch in der Majorzwahl ausspielen kann. (Als Erstnachrückende schaffte Florence Brenzikofer 9'000 Stimmen. Auf sie als Nachrückende setzen die Grünen auch dieses Jahr.) Doch auch Nussbaumer wurde weit über die Parteigrenzen hinaus gewählt, wie seine über 33'000 Stimmen zeigen – rund 2'000 Stimmen mehr als der damalige FDP-Ständerats-Kandidat Christoph Buser erzielte.
Sympathiestimmen für die "Zitter-Kandidatin"
Dabei dürfen die Ergebnisse der Nationalratswahlen nicht unbesehen auf die Verhältnisse einer Ständeratswahl übertragen werden. Als Maya Graf vor vier Jahren in den Wahlkampf stieg, waren die Grünen im Tief, zerstritten mit ihrem Abweichler Jürg Wiedemann, der am 25. März 2015 aus der Partei ausgeschlossen wurde. Gut ein halbes Jahr später war Nationalratswahl und Graf da und dort schon als Zitterkandidatin gehandelt.
Ihr erstaunliches Spitzenergebnis ist somit auch Zeichen eines starken Solidaritäts-Effekts, zu dem neben Frauen auch die Roten wesentlich beitrugen: 9'500 Panaschierstimmen – oder ein Viertel von Grafs Stimmen – stammten von SP- und Juso-Listen.
Auf diesen Solidaritäts-Effekt der Listenverbindungs-Partnerin SP kann die grüne Nationalrätin in der Ständeratswahl nicht mehr zählen, da nur ein Name auf den Wahlzettel geschrieben werden kann und die parteigebundenen Wählerinnen und Wähler von FDP, SP, Grünen und EVP ihren Bewerbenden gegenüber wohl strikte Treue halten.
Der Kampf um die Regie
Das Baselbiet votiert in der Regel bürgerlich, doch bei Persönlichkeitswahlen, wie sie Ständeratswahlen sind, gibt es – Beispiel Claude Janiak oder Edi Belser – auch mal gemässigten Sozialdemokraten den Vorzug. Dieses Jahr steht nach Ruth Gonseth (1999) zum zweiten Mal in der Geschichte des Baselbiets noch eine grüne (und weibliche) Kandidatur zur Auswahl.
Zwischen SP und Grünen herrscht derzeit gespannte Ruhe: Mit ihrer Weigerung, vorzeitig das Verhalten nach dem ersten Wahlgang festzulegen, haben die Maya Graf-Partei bei der SP Irritation ausgelöst. Sie wird dadurch noch verstärkt, dass die Grünen die Nomination ihrer Spitzenfrau als Ständerats-Kandidatin öffentlich bekanntgaben, noch bevor Amtsinhaber Janiak seinen Verzicht auf eine weitere Kandidatur offiziell verkündete. Die Grünen, die jetzt ihre historische Chance wittern, rissen das Regie-Ruder an sich.
Eine Prognose über den Ausgang des ersten Wahlgangs ist derzeit nicht möglich. Die Chancen sind gleichmässig verteilt, wobei Daniela Schneeberger das Absolute Mehr – und damit die Wahl auf Anhieb – nicht schaffen aber vermutlich das beste Resultat erzielen wird. Die Entscheidung wird im zweiten Wahlgang fallen.
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30. September 2019
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