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"Mir geht es um die Sache": Messe-Basel-Chef Jürg Böhni, Messe-Zürich-Chef HanspeterMeyer
"Zwei und zwei gibt mehr als vier"
Vom Lokalpatriotismus zur Kooperation: Die Messen Basel und Zürich bereiten den Boden für die "Messe Schweiz"
Von Peter Knechtli
Jahrzehntelang war sie bloss eine Fiktion. Jetzt wird die enge Zusammenarbeit der Messen von Basel und Zürich konkret. Die neue Fachmessen-Strategie ausgeheckt haben Jürg Böhni, Chef der Messe Basel, und sein Zürcher Kollege Hanspeter Meyer. In der Recherche von OnlineReports macht Böhni deutlich, dass er die Idee einer "Messe Schweiz" verfolgt. Ebenso ist ein massiver Einsatz des Internets zu erwarten.
Proteste gegen den Armee-Auftritt, wütige Attacken auf das Plakat mit der nackten Schwangeren und fetziger Bigband-Sound auf dem Basler Messeplatz. Einen fulminanteren Auftakt zur diesjährigen Muba hätten sich die Strategen der Messe Basel nicht wünschen können. In Scharen erwies das Publikum der "Mutter aller Messen" (so der missratene Plakat-Slogan) die Ehre. "Ich gönne den Baslern, dass sie derart in die Schlagzeilen kamen", freut sich der Berner Bea-Direktor Karl Bürki schon fast kameradschaftlich über das gelungene publizistiche Spektakel.
Diabolische Lust an der Binnen-Kanibalisierung
Weniger Freude dürfte der erfahrene Berner Messe-Profi daran haben, dass die älteste Schweizer Publikumsmesse am selben Tag öffnete wie seine Hauptveranstaltung Bea - und darüber hinaus auch noch mit der Luzerner Luga terminlich kollidierte. Bürki: "Dies ist dem Messewesen nicht unbedingt förderlich."
Dass die Schweizer Messeplätze zwar "untereinander fair sind" (Bürki), aber letztlich ihren eigenen Interessen folgten und gelegentlich eine diabolische Lust an der Binnen-Kanibalisierung entwickelten, ist nicht neu - und wohl auch eine anerkannte Eigenheit des hiesigen Messemarktes: Die Freude, sich gegenseitig die Schau zu stehlen.
So versetzte die erfolgreiche Basler Computermesse Orbit mit der Integration der Unterhaltungs-Elektronik der Zürcher Fera den Todesstoss. Anderseits freuen sich die Berner und Zürcher, dass sie ab 2001 alternierend eine neue Messe eines Bundesamtes durchführen dürfen und das Duo Basel/Lausanne ausstachen.
Erst zwischen Böhni und Meyer sprang der Funke
Doch das Zeitalter, in dem sich die Schweizer Marktplätze die Mütter aller Schlachten lieferten, neigt sich zu Ende. Schon in den frühen achtziger Jahren skizzierte der damalige Muba-Generaldirektor Frédéric Walthard die Vision einer "Messe Schweiz". Aber die Direktoren der kleineren Konkurrenten vermuteten hinter der Idee des ebenso verdienstvollen wie schlitzohrigen Messe-Doyens nicht mehr als den Versuch, seine Vormachtstellung landesweit zu arrondieren. Auch unter seinen Nachfolgern waren die Voraussetzungen nicht gegeben, die Tradition der Fürstentümer aufzugeben.
Der Funke sprang erst, als sich der neue Messe-Basel-Chef Jürg Böhni (57) und sein gleichaltriger Messe-Zürich-Berufskollege Hanspeter Meyer am 8. Januar 1998 an einem Treffen näher kamen. "Wir fassten zu einander Vertrauen", erinnert sich Böhni an den Ursprung einer Beziehung, die sich nicht nur auch ins Private entwickelte, sondern in einer praktisch "deckungsgleichen Beurteilung" der internationalen Branchenentwicklung gipfelte.
Ohne neue Strategie droht ein "ferner liegen"
Der Trend: Die beiden bedeutendsten Messeplätze Basel (1,3 Millionen Besucher) und Zürich (über 750'000 Besucher) verlieren im europäischen Vergleich an Boden. Gleichzeitig bauen die deutschen Messe-Zentren, in denen heute schon 80 Prozent der Welt-Leitmessen stattfinden, mit öffentlichen Investitionsmitteln und Betriebszuschüssen ihre Kapazitäten aus - verbunden mit aggressiver Akquisitionstätigkeit, auch in der Schweiz.
Unter diesen Rahmenbedingungen kamen Böhni und Meyer rasch überein, den ernsthaften baslerisch-zürcherischen Flirt zu wagen. Böhni zu ONLINE REPORTS: "Wir möchten die Grund-Idee einer Messe Schweiz anstreben." Nur schon bei einem gemeinsamen Auftritt von Basel und Zürich "könnten wir unter die ersten sechs in Europa vorstossen".
Verwaltungsräte ziehen mit
Bereits ist die Umwandlung der Basler Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft beschlossen, eine Liste mit "rund einem halben Dutzend guten Namen" für das gemeinsame Projekt liegt bei Böhnis Akten. Auch zogen beide Verwaltungsräte geschlossen mit, nachdem der Basler Präsident Robert A. Jeker "den Marschallsstab in die Hand genommen hatte" (Meyer) und vor den Zürcher Ausschuss-Kollegen die Beurteilung der beiden CEOs bekräftigte.
Bis kommenden Herbst sollen die Entscheidungsgrundlagen vorliegen. Die Bandbreite der möglichen Kooperation reicht von der pragmatischen Projektebene - Austausch oder gemeinsame Konzeption von Veranstaltungen - bis hin zur faktischen Fusion.
Formell sind die Hürden niedrig. In den Verhandlungsdelegationen sind mit dem amtierenden Basler SP-Wirtschaftsminister Ralph Lewin und seinem früheren Zürcher Amtskollegen Ernst Homberger (FDP), der öffentlichen Beteiligung an den Gesellschaften entsprechend, auch die Behörden eingebunden. Im Falle einer Holding-Gründung müssten die Generalversammlungen mit Zweidrittelsmehrheit entscheiden, die Projektzusammenarbeit erfordert bloss einen Entscheid auf Verwaltungsratsebene.
Mit Kooperation 20 bis 40 Prozent höhere Umsätze
"Mit einem gemeinsamen Vorgehen können die Umsätze innerhalb von fünf Jahren um 20 bis 40 Prozent erhöht werden", weiss Messe-Zürich-Direktor Hanspeter Meyer aus Markt-Abklärungen und zieht daraus den Schluss: "Zwei und zwei gibt mehr als vier."
Damit diese Gleichung aber aufgeht, müssten die "Portfolios optimiert" werden. So könne die erstmalige Trennung der Orbit für Fachanwender (Basel) und Publikum (Zürich) kommendes Jahr "modellhaft" sein. Gleichzeitig wollen die Messen aus einer Position der Stärke heraus - neue Hallen und erfolgreiche Basler Weltmessen wie jene für Uhren und Schmuck oder die "Art" - "substanziell attraktiver" werden und auch verstärkt im Ausland um Aussteller werben. Ein "riesengrosses Thema" soll auch das Internet werden. Böhni spricht bereits von Portalen und "vielversprechenden Kontakten" zu potenziellen Partnern, ohne sich weiter in die Karten schauen zu lassen.
Längerfristig weitere Schweizer Messeplätze einbinden
Bei der Achse Zürich-Basel soll es längerfristig nicht bleiben. Auch die andern Zentren, die meist noch stark von regional verankerten Publikumsmessen geprägt sind, sollen bedarfsweise eingebunden werden. Der St. Galler Olma-Direktor René Käppeli sieht die Zukunft in Projekt-Kooperationen, wie sie sein Unternehmen mit der Intertech Bodensee schon seit zehn Jahren alternierend mit Friedrichshafen und Dornbirn praktiziert: "Man muss für eine Zusammenarbeit nicht fusionieren."
Aehnlich auch die Meinung von Bea-Direktor Karl Bürki, den die Neustrukturierung auf der Ebene internationaler Fachmessen wenig tangiert: "Wir haben nichts zu befürchten." Der Messe-Standort im Scharnier von deutschsprachiger und welscher Schweiz sei ein "riesiges Plus". Angesichts anders gelagerter Interessen der Ausstellungsplätze ohne internationale Fachmessen gibt sich auch der Luzerner Luga-Messeleiter Markus Lauber gelassen: "Im Moment bezweifle ich, dass wir in 15 Jahren unter dem Dach der Messe Schweiz Holding sind."
Messe-Manager mit Wir-Gefühl
Sicher aber ist heute eine Generation von Messedirektoren am Werk, die unternehmerisch weitsichtig entscheidet und weniger nach lokalchauvinistischen Vorteilen und persönlicher Prestige-Sucht agiert. Jürg Böhni, der sich "Vorsitzender der Geschäftsleitung" und nicht "Generaldirektor" nennt: "Mir geht es um die Sache." Aber auch um neuen Stil: Die Aufschrift "Eingang Verwaltung" an der Porte zum Management-Trakt will er gelegentlich ersetzen. Denn der Vater aller Dinge heisst Sieg.
30. April 2000
"Frage der Leitung ist noch offen"
Messe-Basel-Chef Jürg Böhni zum Flirt mit der Messe Zürich
OnlineReports: Herr Böhni, wer wird Chef der sich als Vision abzeichnenden "Messe Schweiz"?
Jürg Böhni: Es geht zunächst nicht um die Realisierung der Idee "Messe Schweiz", sondern um die Prüfung des Zusammengehens mit der Messe Zürich. Zur Zeit ist noch alles offen, auch die Frage der Leitung.
OnlineReports: Wann werden auch die andern Messeplätze in St. Gallen, Genf, Lausanne, Bern und Luzern unter das Dach einer "Messe Schweiz Holding" genommen?
Böhni: Im Moment geht es um die Zusammenarbeit Basel und Zürich. Alles andere wird sich weisen.
OnlineReports: Birgt die Vision einer Messe Schweiz nicht auch die Gefahr einer Monopolbildung in sich?
Böhni: Eine Vision an sich ist nie gefährlich. Zudem ist das Messewesen in der Schweiz föderalistisch strukturiert mit einer Zahl von nicht weniger als über einem Dutzend Messeplätze. Unsere Absicht ist unter anderem die Bündelung der Kräfte im Hinblick auf die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, und das bedeutet auch, dass wir eine im internationalen Vergleich gute Grösse und Kraft aufweisen müssen.
OnlineReports: Aber eine Messe Schweiz AG hätte doch gegenüber den Messeveranstaltern eine deutlich grössere Macht als ein Messeplatz Basel, der sich gegen den Messeplatz Zürich oder Genf ausspielen lassen kann.
Böhni: Es geht nicht um Macht. Wir sind zudem selber Veranstalter fast aller unserer Messen. Es ist unser klares Ziel, gemeinsam mit Zürich dieses Know How verstärkt zu nutzen aber auch weiterhin attraktiver Partner für Gastveranstalter zu sein.
OnlineReports: Würden durch eine "Messe Schweiz AG" bestehende Messen sterben und andere neu entstehen?
Böhni: Diese Frage kann ich beantworten, wenn es wirklich einmal zu einer Messe Schweiz kommen sollte. Unser Ziel mit Zürich ist selbstverständlich, die Palette an Messen zu vergrössern.