© Foto by Marc Gusewski, OnlineReports.ch
"Das stimmt nicht": Umstrittener Solaranlage-Standort Kraftwerk
Widerstand gegen Solar-Anlage auf dem Kraftwerk Birsfelden
Baselbieter Heimatschutz will rechtlich gegen eine Beeinträchtigung des Architektur-Denkmals vorgehen
Von Marc Gusewski
Erbitterter Widerstand gegen die geplante Solaranlage auf dem Dach des Kraftwerks Birsfelden: Der Baselbieter Heimatschutz will sich bis vor Bundesgericht gegen das Photovoltaik-Projekt wehren, das nach seiner Ansicht die herausragende architektonische Qualität des geschützten Bauwerks massiv beeinträchtigt.
"Als ob man das Basler Münster mit Solarzellen eindecken würde." Mit diesen Worten wendet sich Baselbieter Heimatschutzvorstand Jürg Berrel gegen die vom Kraftwerk Birsfelden geplante Solarstrom-Anlage auf dem Falt-Dach des quer zum Rhein stehenden Maschinenhauses.
Gegenüber OnlineReports bestätigte Berrel die Einsprache gegen das Baugesuch und den entschlossenen Einsatz für den uneingeschränkten Erhalt dieses Architekturdenkmals "bis zum Bundesgericht" an. Dies habe der Baselbieter Heimatschutz entschieden, und er sei sich der Unterstützung durch die Basler Schwester-Organisation sowie den Schweizer Heimatschutz gewiss.
Strom für 30 bis 55 Haushalte
Die Kraftwerk Birsfelden AG plant auf der Südseite der Faltdächer eine 200 Kilowatt-Anlage, die, je nach Berechnungsart, Strom für 30 bis 55 Haushalte erzeugen würde. Würden aus ästhetischen Gründen auch die nördlich ausgerichteten Dachseiten genutzt, ergäbe sich eine Leistung von 310 Kilowatt. Je nach gewählter Variante lieben die Investitionskosten zwischen 500'000 und einer Million Franken.
Die Ausschreibung für die Erstellung der Anlage fand im Sommer statt. Kraftwerksleiter Sascha Jäger zu OnlineReports zum Projektstand: "Wir sind vergabebereit. Bis Ende Jahr könnte die Anlage in Betrieb gehen."
Doch so weit kommt es nicht, wie Jäger bestätigt: "Solange der Rechtsstreit nicht beigelegt ist, ruht das Vorhaben." Rein rechtlich stünde einer Überbauung des Dachs nichts im Wege. Faktisch aber zählen die Kraftwerksbauten zum international bekannten Architekturinventar der Schweiz. Darauf setzt der Heimatschutz.
Idee: Schwimmende Solaranlage auf Stausee
Für den Baselbieter Heimatschutz geht es um einen Präzedenzfall, sagt Jürg Berrel. Es sei unverständlich, dass mit international beachtete Architektur-Denkmalen beliebig umgegangen werden dürfe, solange etwa "riesige" Dach-Areale auf architektonisch unauffälligen Einkaufszentren in Land und Stadt nicht sinnvollerweise mit Solaranlagen ausgerüstet werden müssten.
Aus Sicht des Heimatschutzes gäbe es geeignetere Varianten: So könnte das südliche Rheinbord der Kraftwerksinsel eingedeckt oder ein "schwimmendes Sonnenkraftwerk" installiert werden auf dem anderweitig nicht nutzbaren Oberwasserstausee – eine Strategie, die etwa beim Bündner Marmorera-Stausee verfolgt wird. Mit dieser Idee konfrontiert sagte Jäger zu OnlineReports: "Wir konzentrieren uns auf unser Projekt. Alles andere ist kein Thema."
Architektonischer Meilenstein
Der Bundesrat hatte das Kraftwerk Birsfelden erst diesen Juni ins Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (VISOS) aufgenommen. Die 1953 vom "Landi"-Architekten Hans Hofmann entworfenen Kraftwerksbauten gelten international als architektonischer Meilenstein. Die quer in den Rhein gestellte transparente Maschinenhalle schwebt über dem Strom – im Gegensatz zum sonstigen Festungs-Charakter von Kraftwerksbauten. Unterstrichen wird die Leichtigkeit noch durch das von Hofmann bestimmte Farbkonzept. "Eine Solaranlage würde das Konzept zerstören. Das ist der für uns ausschlaggebende Punkt", sagt Berrel.
Der weithin sichtbare Meilenstein-Bau gibt dem Birskopf-Rheinufer sein Gepräge. Berrel: "Das Kraftwerk argumentiert, dass die Solarzellen nicht zu sehen sein werden. Aber das stimmt nicht. Auf dem hellgrünen Dach werden sich die Solaranlagen wie ein schwarzer Belag über alles legen, insgesamt sind die Installationen so voluminös wie das Dach – es wird von überallher gut einsehbar sein und der Gesamteindruck wird ein anderer sein."
Der Heimatschutz kritisiert auch die "leichtfertige Planung", erkennbar daran, dass nicht einmal Visualisierungen zum Projekt vorliegen. Kritik geht auch an die Baselbieter Baudirektion: "Der neulich erstellte Erweiterungsbau wurde nur erlaubt, weil die Dachfarbe der Maschinenhalle angepasst wurde – und nun ist das egal, das ist doch zumindest eigenartig", sagt Berrel.
Denkmalpflege: Kein Kommentar
Der Baselbieter Denkmalpflege gilt das Kraftwerk als Kulturdenkmal, das letztes Jahr sogar mit einer eigenen Postkarte positioniert wurde. Aber der in der Architekturszene als längst überfällig eingestufte Schritt zur Unterschutzstellung unterblieb bis anhin. Darüber ist der Heimatschutz enttäuscht. "Der Kanton argumentiert rein formaljuristisch", beobachtet Berrel.
Mit anderen Worten: Seitens der Baselbieter Regierung ist der Weg für eine Überdeckung des Maschinenhausdaches mit der geplanten Solarstromanlage diskussionslos frei. "Schade", bestätigt Berrel, und "erstaunlich, dass das die Denkmalpflege zulässt. Aber der hat der Regierungsrat bewusst die Zähne gezogen". Die Baselbieter Denkmalpflege lehnte gegenüber OnlineReports einen Kommentar zu den Kraftwerksplänen ab und verwies an den Rechtsdienst der Baudirektion.
Brutschin bedauert Heimatschutz-Widerstand
Die Hoffnungen des Heimatschutzes ruhen nun auf der Basler Regierung, die mit 50 Prozent grösster Kraftwerkseigentümer ist. Weitere 25 Prozent gehören Baselland, auf dessen Territorium das E-Werk liegt; mit 15 Prozent sind die Elektra Birseck (EBM) und 10 Prozent die Elektra Baselland (EBL) beteiligt. Berrel: "Es geht um eine der wenigen international berühmten Kraftwerksbauten der Schweiz – gerade die Strombranche sollte da sensibel sein."
Doch Hoffnung auf Unterstützung durch die Basler Regierung kann sich Berrel keine machen: Der für Energie zuständige Basler Regierungsrat Christoph Brutschin (SP), der gleichzeitig Präsident der Bauherrin Kraftwerk Birsfelden AG ist, bedauerte gegenüber OnlineReports den Widerstand des Heimatschutzes, für den er kein Verständnis aufbringen könne. Das Projekt sei aus den Reihen des Verwaltungsrates entstanden und auch im Hinblick auf seine besondere architektonische Sensibilität sehr sorgfältig entwickelt worden. Die Faltdächer seien zur Nutzung der Sonnenenergie "ideal" gelegen.
Nicht gegen Solarenergie
"Wir sind für die Solarenergie", betont Berrel, der als Architekt routinemässig Solaranlagen in Neubauten einplant; dies etwa im neuen Feuerwehrstützpunkt in Pratteln. Er achte darauf, dass die Solarpanels praktisch nicht sichtbar und sorgfältig in die Umgebung eingepasst seien. Mit einer schwimmenden Solaranlage auf dem Stausee, so Berrel weiter, könnte die Kraftwerk Birsfelden AG "neben der meisterlichen Architektur mit einer weiteren Pioniertat international von sich reden machen – aber das braucht Mut und Sorgfalt."
3. September 2013
Weiterführende Links:
"So kann es nicht weiter gehen"
Alle reden von der Energiewende. Doch solange uns niemand vor den "Schützern" schützt, wird wohl nichts daraus.
Der Widerstand der Heimatschützer und Denkmalpfleger gegen Solarpanels auf dem Dach des Birsfelder Kraftwerkes ist ein weiteres Beispiel dafür, das wir noch weit weg von einer Wende sind. Ich bin überzeugt, dass sich die Kraftwerkbetreiber auch Gedanken über "Aesthetik" gemacht haben und zu einer akzeptablen Lösung gekommen sind. Der jetzige Widerstand erinnert mich an das Lonza-Projekt, das von den gleichen Kreisen verhindert wurde.
Wenn es so weiter geht, wird wohl eher ein AKW unter Denkmalschutz gestellt, als dass vernünftige Lösungen getroffen werden. Was liegt denn näher als ein Wasserkraftwerk mit einer Solaranlage ...
Max Pusterla, Basel
"Hände weg vom Bauwerken dieser Güte"
Es gibt Hunderte von hässlichen Industriebauten mit Flachdächern, welche für Solarprojekte aller Art genutzt werden könnten. Die Kraftwerk Birsfelden AG und damit auch die weiteren Mitbesitzer EBM und EBL, sowie der involvierte Regierungsrat Brutschin wären gut beraten sich nach Alternativen umzusehen und mit ihren Solarpanels andere Liegenschaftsbesitzer zu "beglücken" und die Hände von Bauwerken dieser Güte zu lassen. Das Kraftwerk Birsfelden ist ein schlechtes Beispiel für diese zusätzliche Stromoptimierung. Die sensible Architektur der Faltdächer kann für die Solararchitektur nicht genutzt werden. Das würde diesen architektonischen Meilenstein, diesen einmaligen architektonischen Solitär, beeinträchtigen und wäre ein nicht akzeptabler Eingriff. Das Solar-Contracting wäre für die Bemühungen der Kraftwerk Birsfelden AG die richtige Antwort. Die Kraftwerk Birsfelden AG könnte hier federführend Projekte realisieren.
Christoph Meury, Birsfelden
"Rigoroser Heimatschutz"
Es ist leider zu befürchten, dass solche Diskussionen und Auseinandersetzungen in Zukunft vermehrt geführt werden, da es noch viele solche Objekte gibt, die sich eigentlich gut eignen würden. Ich bin mal gespannt, wer hier was mehr gewichtet und am Schluss das sagen hat. Eines ist sicher, mit rigorosem Heimat- und Denkmalschutz werden wir das Energieproblem bestimmt nicht in den Griff bekommen.
Bruno Heuberger, Oberwil