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"Transparent und respektvoll": Vorschau-Kritik der "Weltwoche"
Frenkendörfer Messer-Mord: Richter hebt Publikums-Ausschluss auf
Das allgemeine Publikum soll den Prozess in einem separaten Raum verfolgen – unter Ausschluss brutaler Opfer-Bilder
Von Peter Knechtli
Im bevorstehenden Strafprozess um den Frenkendörfer Messer-Mord hebt Gerichtspräsident Andreas Schröder den von ihm erlassenen Publikums-Ausschluss auf: Die Verhandlung vom 25. April ist öffentlich. Einzig die brutalen Opfer-Bilder sollen dem allgemeinen Publikum nicht zugemutet werden.
Das Unfassbare geschieht am Abend des 12. November 2015, als die 64-jährige KV-Lehrerin I. K. wie gewohnt von der Schule in Liestal an ihren Wohnort in Frenkendorf zurückkehrt. Im Carport wird sie hinterrücks mit 20 Messerstichen umgebracht.
Als Täter steht Heinz Spring (63) vor dem Baselbieter Strafgericht. Er hatte mit der – immer noch verheirateten, aber vom Ehemann getrennt lebenden – Lehrerin ein kurzes intimes Verhältnis, das sie jedoch gegen seinen Willen beenden wollte.
Die Fotos der Ermordeten, die im Prozessverlauf im Gerichtssaal gezeigt werden sollen, sind von einer solchen Brutalität, dass Gerichtspräsident Andreas Schröder (kleines Bild) beschloss, die Öffentlichkeit teilweise von der Verhandlung auszuschliessen. Grund für diese Massnahme, die auch in Fällen von verbotener Pornografie oder Pädophilie, Tradition hat, "selbstverständlich" nicht den Täter- vor den Opferschutz zu stellen, wie ihm die "Weltwoche" in einem längeren Artikel vorwarf.
Opfer-Fotos als "schwere Belastung"
Vielmehr nimmt Schröder auf die Tatsache Bezug, dass Spring schon 1994 einen Doppelmord begangen hatte: Im solothurnischen Hägendorf exekutierte er seine ehemalige Freundin und ihren Bruder mit vierzig Schüssen aus einem Sturmgewehr. Lebenslänglich musste er ins Zuchthaus, kam aber im Sommer 2011 frei.
Weil im bevorstehenden Strafverfahren auch der Hägendörfer Doppelmord thematisiert wird, sei "das Interesse der Angehörigen der damaligen Opfer, dass ihr Leid nicht erneut vor einer breiten Öffentlichkeit ungefiltert ausgebreitet wird, besonders ernst zu nehmen", wie Schröder auf Fragen von OnlineReports antwortete.
So sei der Sohn des damaligen weiblichen Hägendörfer Opfers heute ein junger Erwachsener, "der damit leben muss, seine Mutter nie bewusst erlebt zu haben". Dass Bilder seiner getöteten Mutter und seines ebenfalls ermordeten Onkels nun "einer anonymen Öffentlichkeit im Zuge dieses Strafverfahrens zur Kenntnis gebracht werden", könne für diesen Sohn "eine schwere Belastung darstellen".
Postmortaler Persönlichkeitsschutz
Schröder ist überdies der Ansicht, dass auch der postmortale Persönlichkeitsschutz von Lehrerin I. K. "eine Zurückhaltung bei der Zugänglichmachung von Tatortbildern" gebiete. Nur "schwer nachvollziehbar" sei der "Weltwoche"-Vorwurf, das Strafgericht habe die Öffentlichkeit ausgeschlossen, um etwas zu "vertuschen".
Denn während des gesamten Verfahrens – so der bisherige Entscheid des Richters – seien sämtliche Parteien, darunter die Angehörigen, und deren Vertreter zugelassen. Ausserdem könne sich jede Partei von höchstens drei Vertrauenspersonen begleiten lassen. Ebenso seien die akkreditierten Journalisten während des gesamten Prozessverlaufs zugelassen, zur Urteilseröffnung das gesamte Publikum.
Klar stellt sich Schröder hinter das Prinzip der "Verhandlungs-Öffentlichkeit", die auch für Tötungsdelikte gilt. Zum Schutz der Prozessbeteiligten, insbesondere des Opfers, oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung könnten sich jedoch Einschränkungen aufdrängen. Im bevorstehenden Prozess seien die Opferbilder "jedoch von aussergewöhnlicher Brutalität", so dass sie "einer breiten Öffentlichkeit vorenthalten werden müssen".
Neuer Entscheid: Nun doch mit Publikum
Entschlossen wehrt sich Richter Schröder, der einen sehr soliden Ruf geniesst, aber gegen den Vorwurf, es werde so etwas wie ein "Geheimprozess" geplant. Hingegen waren ihm die Fragen von OnlineReports als Ergänzung des "Weltwoche"-Berichts Anlass, die ursprüngliche Verfügung zu überdenken, weil es ihm ein "zentrales Anliegen ist, das Verfahren für sämtliche Prozessbeteiligten fair, transparent und respektvoll zu gestalten": Im Sinne einer "vermittelnden Lösung" entschied Schröder jüngst, "das unbeteiligte Publikum nicht von der Hauptverhandlung auszuschliessen, sondern dieses in einem separaten Saal via Videoübertragung an dem Verfahren teilnehmen zu lassen".
Diese Lösung, die eine Video-Übertragung vorsieht, sei "technisch möglich, wenn auch mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden". Die Übertragung könne so gestaltet werden, dass den allgemeinen Prozess-Beobachtern "der Blick auf die fraglichen Bilder verwehrt wird". Dieses Vorgehen gewährleiste auch, dass die Verhandlung "nicht durch den jeweiligen Ausschluss des Publikums beim Zeigen von Tatortbildern unverhältnismässig gestört wird".
30. Januar 2018
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