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© Foto by Courtesy PaceWildenstein
"Neuer Zusammenhang": Glut von Robert Rauschenberg

Von der Abfallhalde in den White Cube – Robert Rauschenberg und Jean Tinguely

Das Museum Tinguely in Basel dokumentiert eine Künstlerfreundschaft


Von Aurel Schmidt


Es war ein dezisiver Augenblick in der Kunst, als die Menschen begriffen, dass Kunst nicht das Abbild von etwas ist, sondern dass sie als materielles Objekt in Erscheinung tritt und mit ihrer realen Präsenz zu tun hat. Von da an waren die Collage, das Materialbild, die Aktion, zuletzt die Attitüde möglich. Nicht mehr das Sehen (Rezeption, Interpretation) war entscheidend, sondern das Machen (Produktion, materieller Prozess). Kunst wird als Akt verstanden, als Ereignis. Nicht auf das Thema des Bildes kommt es entscheidend an, sondern auf die Herstellung, auf den Umgang mit der Farbe, auf die Verwendung des Materials.
 
Urvater dieser Auffassung war Marcel Duchamp, der 1917 in New York sein „Urinoir“ ("Fontaine") aufstellte und unverfroren und zur Konsternation des Publikums erklärte: This is it.

Von Duchamp gehen viele Drähte zur modernen Kunst aus: unter anderem zum amerikanischen Künstler Robert Rauschenberg (1925-2008), den die Erlauchten "Bob" nennen durften, und Jean Tinguely (1925-1991). Beide Künstler werden im Basler Museum Tinguely in zwei neuen Ausstellungen vorgestellt. Die eine präsentiert Rauschenbergs "Gluts", die zweite, komplementäre geht auf die "Collaborations", die künstlerische Übereinstimmungen, von Rauschenberg und Tinguely ein.

Beide waren freundschaftlich und im selben künstlerischen Geist vereint. Darauf einzugehen müsste aber zunächst heissen, einen Plan zu zeichnen, ein Netz zu ziehen, wie sie miteinander und mit den Künstlern und Künstlerinnen der Zeit verbunden. Ausgehend von der "Homage to New York" von Tinguely 1960 ergibt sich ein Kontaktmuster mit den namhaften Künstlern der Zeit, das auch Künstler wie John Cage, David Tudor, Merce Cunnigham und andere einschliesst, auch wenn dabei ein wenig Hagiografie betrieben werden muss – ein vergleichbarer Nukleus wie 30 Jahre zuvor der Kreis mit Picasso, Breton, Lacan, Sartre, Leiris. Offenbar gibt es in der Kunst immer wieder solche kreativen Ballungen von aussergewöhnlicher Ausstrahlung, die aber nur eine gewisse Zeit anhalten.

 

"Rauschenberg war stolz, Tinguely
einen Schraubenzieher reichen zu können."


Im Jahr 1960 stellte Tinguely in New York seine "Meta-Matic"- Zeichnungsmaschinen aus und führte in einer Art Happening seine "Homage à New York" im Garten des Museum of Modern Art vor, die sich in 27 Minuten selber zerstörte. Rauschenberg war angetan. Er soll gesagt haben, dass er es als Privileg empfunden haben soll, Tinguely einen Schraubenzieher reichen zu können. Er durfte auch seinen "Money Thrower" beisteuern, eine Maschine, die Geldstücke herausschleudert.

Wenn man die beiden neuen Ausstellungen im Museum Tinguely besucht, wird man auch am Objekt selbst feststellen, wie weit die künstlerischen Übereinstimmungen gingen. Die Materialbilder von Rauschenberg, "Combines" genannt und Anfang der sechziger Jahre entstanden, sowie Tinguelys Maschinen ergänzen sich. Sie stehen nebeneinander und geben sich sinnbildlich die Hände, mit denen sie diese Werke geschaffen haben – als Handwerker, Mechaniker, Ingenieure. Auch das war damals konzeptuell neu.

Beide Künstler sammelten Material, Abfälle, Fundstücke und setzten sie neu zusammen. So entstanden Kunstwerke als Synthese vom Kombinationen in unendlichen Variationen. Es entstand dabei eine neue Ästhetik und Ironie. Die "Combines", bestehend aus Dingen des Alltags, erhalten durch die Zusammensetzung und Übersetzung aus einem Kontext (Abfallhalden, im konkreten Fall Rauschenbergs der Iron and Metal Junkyard ausserhalb von Fort Myers, Florida) in einen anderen (den White Cube des Museums oder der Galerie) "etwas eminent Malerisches" (Roland Wetzel bei der Präsentation seiner ersten Ausstellung als neuer Direktor des Museums Tinguely).

Nicht anders ist Rauschenberg mit den "Gluts" verfahren, die direkt an die "Combines" anzuschliessen scheinen. Gluts heisst soviel wie Überangebot, Mehrwert, in der kryptischen Etymologie kann man aber auch eine Spur zu Begriffen wie Cross-Over, Plattform, Austausch finden. Auch das sind Begriffe, die helfen können, Rauschenbergs Gluts zu verstehen, wenn sie diese Hilfe überhaupt benötigen. Sie sprechen für sich durch ihre leuchtende, ästhetische Erscheinung.

 

"Was die Werke bedeuten, ist das,
was man sehen kann, nichts Anderes."


Aus verschiedenen Materialien wie gestauchtem Autoblech, Lamellen, Schrift- und Verkehrssignaltafeln, Veloteilen, Matratzensprungfedern und dergleichen entsteht durch Zusammensetzung und -fügung etwas Neues, das, mit etwas Toleranz und einem Augenzwinkern, als Kunstwerk mit Reliefcharakter oder als skulpturale Aufstellung im Raum bezeichnet werden kann, aber in einem neuen Geist und Verständnis. Manchmal ist noch die ursprüngliche Verwendung zu erkennen, manchmal noch Schriften ("FULL SERVICE") oder nur zufällige Buchstabenfolgen, Zeichen (Pfeile), Zahlen und so weiter. Rauschenberg hat die Assoziation mit Ruinen gemacht und von "Erinnerungen ohne Nostalgie" gesprochen. Wer diese Kunst-Objekte betrachtet, soll an das Material  denken und an die vielen, darin enthaltenen Möglichkeiten. Oder anders ausgedrückt: Was sie bedeuten, ist das, was man sehen kann, nichts Anderes. Es führt kein Weg daran vorbei. This is it. Alles andere ist Beilage und Interpretation.

Die "Gluts" kommen aus dem Rauschenberg Estate und wurden zum ersten Mal vor Kurzem, vom 30. Mai bis 20. September, ein Jahr nach dem Tod des Künstlers, in der Peggy Guggenheim Collection in Venedig präsentiert. Von dort ist jetzt eine Auswahl direkt nach Basel gekommen.

Parallel dazu wird in einer zweiten Ausstellung mit Fotos, Filmen und Zeichnungen die schon erwähnte Zusammenarbeit von Rauschenberg und Tinguely dokumentiert. Zu beiden Ausstellungen sind Kataloge erschienen, die wohl ihren Wert lange über die Ausstellungszeit behalten werden.

Museum Tinguely, Basel. Bis 17. Januar 2010. www.tinguely.ch

13. Oktober 2009


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