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"Mir fehlen die Worte": Designierter Präsident Blumenthal, Vize Rüst
Baumgartner fristlos entlassen – Bont Interims-CEO
Sexuell anrüchige Fotos und Texte an Mitarbeiterinnen wurden dem BVB-Direktor zum Verhängnis
Von Peter Knechtli
Schlüpfrige Bilder und entsprechende SMS an Mitarbeiterinnen haben dazu geführt, dass BVB-Direktor Jürg Baumgartner heute Morgen fristlos entlassen wurde. Interims-CEO wird Infrastruktur-Chef Michael Bont. Doch ein "Letter of intent" gibt weiterhin zu reden.
"Das ist die absolut dramatischste Entwicklung, die ich dieser Form noch nie erlebt habe", eröffnete der designierte BVB-Verwaltungsrats-Präsident Paul Blumenthal (Bild links) heute Donnerstagnachmittag ein erneutes kurzfristig anberaumtes "Mediengespräch". Den zerknitterten und teils geröteten Gesichtern von Blumenthal, Vizepräsident Paul Rüst (Bild rechts) und Kommunikations-Chef Stephan Appenzeller war die Hektik der vergangenen Tage und Stunden anzusehen.
Schlüpfrige Handy-Bilder und SMS
Noch am Montag hatte der Verwaltungsrat eher widerwillig beschlossen, Baumgartner nochmals eine Chance zu geben. Doch nachdem die "Basler Zeitung" heute Donnerstag berichtete, der BVB-Direktor habe Mitarbeiterinnen anzügliche Fotos und SMS-Texte geschickt, "da war mehr als die rote Linie überschritten", wie Blumenthal sagte. Nachdem er die kompromittierenden Bilder und Texte gesehen habe, sei er "schockiert" gewesen: "Für so etwas fehlen mir einfach die Worte." Er sei auch darüber schockiert gewesen, "mich in einem Menschen derart getäuscht zu haben". Baumgartner musste vor Mittag die Schlüssel abgeben, sein Mail-Account wurde geschlossen.
Baumgartner wollte goldenen Fallschirm
Auf die Nachfrage von OnlineReports, ob es sich um "Nacktbilder" gehandelt habe, wie die SVP in einem Communiqué behauptete, präzisierte Blumenthal, Baumgartner habe sich vor einem Spiegel mit nacktem Oberkörper in Macho-Pose und entblössten Beinen und Armen gezeigt. Die SMS jedoch seien, so Blumenthal "eindeutig zweideutig" gewesen. Baumgartner habe den Versand der Handy-Botschaften nicht bestritten.
Heute morgen kam es zum fristlosen Rausschmiss. Baumgartner habe erst noch einen "goldenen Fallschirm zur Bedingung gemacht". Doch darauf sei Blumenthal nicht eingetreten worden. Noch am Abend zuvor war mit Baumgartner eine reguläre Aufhebungsvereinbarung ausgehandelt wurden, die einen operativen Ausstieg Ende Januar mit Freistellung und eine ordentliche Kündigungsfrist vorsah.
"Eine menschliche Tragödie"
Der Anwalt und Notar Paul Rüst bezeichnete das Risiko als "sehr klein", dass die fristlose Kündigung gerichtlich nicht bestätigt würde. "Den juristischen Kampf müssen wir vielleicht fechten, aber davor habe ich unter diesen Randbedingungen keine Angst." Der Sachverhalt der Belästigung sei an sich schon gravierend – erst recht aber begangen durch einen Mann "in dieser Stellung". Blumenthal ergänzte: "Wir müssen hier eine Unternehmung schützen und nicht irgendwelche Einzelpersonen."
Es sei nicht Sache der BVB wegen der sexuellen Belästigung Strafanzeige gegen Baumgartner zu erstatten, sondern allenfalls "Sache der betroffenen Frauen". Für den entlassenen Direktor sei dies eine "menschliche Tragödie, da fällt alles zusammen", sagte Blumenthal. Es sei auch das Care Team aufgeboten worden.
Michael Bont Interims-CEO
Um den Betrieb weiter zu gewährleisten, setzte der Verwaltungsrat den BVB-Infrastrukturchef Michael Bont (Bild) interimsweise als Direktor ein. Da der neu zusammengesetzte Verwaltungsrat die Stelle erst ausschreiben müsse, könne das Interregnum Bonts "bis zu einem Jahr dauern". An die Politik appellierte Blumenthal: "Man soll uns jetzt einfach in Ruhe lassen. Lasst uns unseren Job machen. Es gibt hier viel aufzuräumen."
Die Rücktritts-Forderung der SVP lehnte Blumenthal ab: "Ich kann gar nicht zurücktreten, denn ich bin erst designiert. Wenn ich zurücktreten könnte, dann erst am 1. Januar. Aber ich mache weiter."
BVB für Veröffentlichung des Untersuchungsberichts
Inzwischen häufen sich die Forderungen, den brisanten Untersuchungsbericht der staatlichen Finanzkontrolle, der zu den personellen Konsequenzen an der Firmenspitze führte, zu veröffentlichen. Auf eine OnlineReports-Frage erklärte Paul Rüst, es sei an der Finanzkontrolle, zu bestimmen, was mit dem Bericht geschehe. Aber: "Die BVB wehren sich nicht gegen eine Veröffentlichung." Es sei für die BVB sehr unangenehm, wenn dauernd scheibchenweise Details aus dem Bericht ans Tageslicht kämen.
Verwaltungsrat billigte Dienstwohnung und -auto
Eines der pikanten Details des Untersuchungsberichts ist der "Letter of intent" als Ergänzung zu Baumgartners Anstellungsvertrag. In diesem Dokument war dem CEO ein Dienstwagen und eine Basler Dienstwohnung zugesichert worden – was klar gesetzswidrig ist. Unterschrieben wurde dieses Papier von Blumental und seinem Vorgänger Martin Gudenrath.
Wie weit Regierungsrat Hans-Peter Wessels von dieser Spezialregelung Kenntnis hatte oder sie sogar sanktionierte, ist noch unklar. Immerhin lässt sich daraus ableiten, dass es unkorrekt ist, das Auto- und Wohnungsprivileg Baumgartner anzulasten: Sein Arbeitgeber hatte es ihm als "hartem Verhandler" (Blumenthal) zugestanden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des "Letters of intent" habe er die kantonalen Gesetze nicht gekannt, räumte der designierte Präsident ein: "Ich ging in Treu und Glauben davon aus, dass das konform ist."
Zusatz-Mandat für Blumenthal
Klarheit schaffte Rüst in der Frage eines weiteren Mandats Blumenthals in seiner Funktion als BVB-Verwaltungsrat. Es habe sich vor über drei Jahren um eine Strategie-Beratungsmandat gehandelt, für das Blumenthal mit 20'000 Franken entschädigt wurde. Er, Rüst, habe diese Mandatsvergabe vorgeschlagen. Aufgrund einer Nachfrage Gudenraths beim Kanton sei das Mandat nach etwa drei Monaten "abgestellt" (Blumenthal) worden.
Wenig wurde über die überraschende Nichtwiederwahl von Dominik Egli durch die Basler Regierung bekannt. Scheinbar war Egli dadurch so sehr vor den Kopf gestossen, dass er am Montag die Verwaltungsratssitzung vorzeitig verliess. Die Nichtwiederwahl hatte keinen Zusammenhang mit den Kritikpunkten der Finanzkontrolle, wie Rüst erklärte.
Blumenthal will kritischen Verwaltungsrat
Da der ehemalige Verwaltungsrat unter Gudenrath scheinbar schlecht informierte und Selbstreflexion offensichtlich nicht zu seinen Stärken zählte, stellte OnlineReports dem künftigen Chef die Frage, wie sehr im neuen BVB-Aufsichtsgremium Kritik erwünscht sei. Blumenthal: "Ein Verwaltungsrat, der nicht kritisch ist, ist ein schlechter Verwaltungsrat. Jede Art, sich einzubringen, wird höchst willkommen sein."
12. Dezember 2013
Weiterführende Links:
GPK prüft Fall BVB – geheim
Die Gschäftsprüfungskommission (GPK) des Basler Grossen Rates unter dem Vorsitz von Tobit Schäfer (SP) ist im Besitz des BVB-Schlussberichts der Finanzkontrolle. Er wurde ihr durch das Bau- und Verkehrsdepartement unter Hans-Peter Wessels (SP) zur Verfügung gestellt. Für die Beratung des Berichts sei Geheimhaltung beschlossen, wie die GPK heute in einem Communiqué festhält. Die Kommission berichte zu gegebener Zeit über die Ergebnisse der Beratungen und gebe Empfehlungen ab, "soweit sie von öffentlichem Interesse sind".