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"Nicht nur ein Problem des Präsidiums": Führungs-Kritikerin Kerstin Wenk*
Die Basler SP wollte kaum Fetzen fliegen lassen
Delegierte stehen klarmehrheitlich hinter den Basler SP-Präsidenten Martin Lüchinger
Von Peter Knechtli
Die Basler SP-Delegierten stehen mit deutlicher Mehrheit hinter ihrem Kantonalpräsidenten Martin Lüchinger: An der Jahres-Delegiertenversammlung heute Dienstagabend flogen nur wenige Fetzen, aber eine diffuse Unzufriedenheit mit der Führung war dennoch unverkennbar. Nur: Vor den Medien wollten die Delegierten keine Personal- und Stil-Diskussion.
"Einiges ist in letzter Zeit passiert", eröffnete Präsident Martin Lüchinger (53) die Versammlung der gegen 200 Delegierten im vollbesetzten "Volkshaus"-Saal. Er sprach dann aber überraschenderweise nicht über das Thema der Woche, sondern über das Referendum zur Parkraum-Bewirtschaftung ("eine ganz wichtige Abstimmung"), indem er den Basler Gewerbedirektor Peter Malama und den Baselbieter Direktor der Wirtschaftskammer, Hans Rudolf Gysin scharf angriff: "Der Gewerbeverband soll sich nicht von aussen diktieren lassen."
Nur kurz ging Lüchinger auf die Kontroverse um seine Parteispitze ein. Er verurteilte die "die Kampagne der letzten Tage". Das schade der Partei sehr. Es ist nicht der Zeitpunkt und der Ort, über Verursacher und Verdächtiger zu debattieren. Lüchinger bat die Delegierten "um die nötige Zurückhaltung". Die SP "kann debattieren, aber nicht so, wie es in den letzten Tagen passiert ist".
Ein "offenes Gespräch" mit dem Präsidenten
Vorstandsmitglied Kerstin Wenk meldete sich als eine der wenigen Rednerinnen zu Wort, um "meine Sicht zum sogenannten Putsch-Versuch" darzulegen. Sie sei tatsächlich "von einigen engagierten Genossinnen und Genossen angefragt" worden, ob sie bereit wäre, das Präsidium zu übernehmen. Sie habe zugesagt unter der Bedingung, dass es nicht zur Kampfwahl komme. Wie Kerstin Wenk ausführte, gibt es in der Basler SP eine "grosse Unzufriedenheit und Ratlosigkeit". Sie habe mit Lüchinger "ein offenes Gespräch" geführt, in dem ihm ihre Unzufriedenheit dargelegt habe, unter anderem "seine vielen Abhängigkeiten". Es gebe "nicht nur ein Problem des Präsidiums, es gibt auch andere Gremien, die nicht gut funktionieren". Aber "mit einer guten Stimmung bewirken wir viel mehr als wir meinen".
Der Delegierte Daniel Goepfert sagte, Fragen seien berechtigt, sie sollten aber in den Gremien und nicht vor den Medien besprochen werden.
"Wir leben in einer Vier-Augen-Partei"
Der frühere Parteipräsident Roland Stark, der die Diskussion über Stil, Präsenz und Wirkung in einem Gast-Kommentar in OnlineReports auslöste, wehrte sich dagegen, die "in die Ecke von Putschisten gestellt" zu werden. Ebenso widersprach er der präsidialen Meinung, die Delegiertenversammlung sei der falsche Moment, um über den Kurs der Partei zu diskutieren. Stark: "Die Partei tritt in der Öffentlichkeit praktisch nicht auf. Sie lahmt hinter den aktiven Mitglieder der Regierung nach." Zu behaupten, die Stimmung in der Partei sei gut, "ist Schönfärberei".
Stark sprach an, was auch weitere Delegierte empfinden: "Wir leben in Vier-Augen-Partei. Es wird gemeckert über Parteileitung, aber an Sitzungen schlagen sich die Kritiker in die Büsche. Wenn Zustand gut wäre, würde man sich auch an der Parteiversammlung die Meinung sagen." Sein Anliegen sei "nicht ein neuer Parteipräsident". Das Hauptanliegen sei, "dass die Partei wieder in Bewegung kommt". Auf der Partei-Homepage seien "nur Inzucht-Veranstaltungen" auf der Agenda. Dies sei "alles schön, hat aber nichts mit Politik im eigentlichen Sinn zu tun", schloss Stark sein mit mässigen Applaus quittiertes Votum.
Warnung vor Selbstzerfleischung
Mehr Beifall für ihr kurzes Votum erntete die zurücktrende Fraktionspräsidentin Christine Keller, die sich hinter Lüchinger stellte. Inhaltliche Auseinandersetzungen müssten geführt werden, "aber wir wollen keine Verdächtigungen und Gerüchte". Die SP habe "eine aktive Fraktion", die "keine Selbstzerfleischung nötig" habe.
Zum Zerwürfnis zwischen Parteipräsident Lüchinger und der Politischen Sekretärin Paola Gallo (ein Votant: "Sie wurde in die Kündigung getrieben") wollte sich Lüchinger vor den Delegierten nicht äussern, was die Delegierten ohne Widerrede akzeptierten. Der Vorstand empfahl sodann das gesamte vierköpfige Sekretariat zur Wiederwahl.
Lüchinger klar bestätigt – dicke Luft im Sekretariat
Die Parteiführung setzte sich in den Wahlen grossmehrheitlich durch: Lüchinger wurde mit grossem Mehr und mit Applaus bei keinen Gegenstimmen und 17 Enthaltungen für ein weiteres Jahr gewählt. Neuer Ko-Vizepräsident neben Beatrix Greuter wurde anstelle des zurücktretenden Tobit Schäfer der 34-jährige Pascal Pfister. Der Ethnologe ging aus den Jusos hervor.
Dass im Sekretariat dicke Luft herrscht, die nicht nur mit dem Konflikt Lüchinger-Gallo zu tun hat, wurde auch deutlich, als Sekretariats-Mitarbeiter Sabine Suter schriftliche Wahl beantragte, die "uns zeigen soll, ob wir von der Basis noch getragen sind". Lüchinger hatte offene Wahl beantragt. Alle vier Kandidierenden wurden im ersten Wahlgang gewählt, was als klarer Vertrauensbeweis gewertet werden kann.
* beim Verlassen des "Volkshaus"-Saales
Kommentar
23. März 2010
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