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"Eigenes politisches Menü": Bürgerliche Wahlempfehlung für Vierer-Ticket
Entweder oder: Die beiden FDP-Frauen entscheiden Baselbieter Wahlkampf
Die Wählergunst von Sabine Pegoraro und Monica Gschwind entscheidet darüber, wie die neue Baselbieter Regierung aussieht
Von Peter Knechtli
Darüber, wie die künftige Baselbieter Regierung zusammengesetzt ist, hängt zentral von der Wählergunst zweier FDP-Frauen ab: Sabine Pegoraro und Monica Gschwind. Um sie dreht sich die Frage, ob aus der SP die Opposition wird oder die Grünen ihren Sitz wieder verlieren werden.
Der Baselbieter Wahlkampf 2015 war fast einmalig kurz: Nur gut einen Monat hatten die Kandidierenden für die Regierungswahlen Zeit, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Für sie und ihre Wahlhelfenden war die Zeit sicherlich intensiv. Es wurden Plakate und Stände gestellt, Flyer und Äpfel, Zimtchrömli und Dreikönigskuchen verteilt, Leserbriefe getextet. Auf den sogenannten Sozialen Medien herrschte Hochbetrieb der Aspiranten, in der Hoffnung, hier wohl die entscheidenden Reststimmen holen zu können.
Kompakt, aber kein gemeinsames Programm
Doch weder Twitter noch Facebook entscheiden den Ausgang der Wahlen. Die grossen Bruchlinien kreisen um die beiden Kandidatinnen Monica Gschwind (neu) und Sabine Pegoraro. Das freisinnige Frauen-Duo ist Teil eines bürgerlichen Vierer-Tickets, das Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) und Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor Thomas Weber (SVP) ergänzen.
Das straff geführte, in Werbung und Aktionen kompakt und ohne Ausreisser auftretende Kandidaten-Quartett führte keinen inhaltlichen Wahlkampf im Sinne eines gemeinsamen Programms, sondern einen eigentlichen Macht-Kampf: Anstelle der bisherigen bürgerlichen 3:2-Majorität strebt die traditionelle Allianz von SVP, FDP und CVP jetzt eine noch deutlichere Absicherung und Berechenbarkeit der Machtverhältnisse in der Regierung an mit dem Ziel, das Baselbiet künftig bürgerlicher zu regieren als es den politischen Verhältnissen in der Bevölkerung entspricht.
Egal, ob die Sozialdemokraten (Regula Nebiker oder Daniel Münger) oder die Grünen (mit dem bisherigen Sicherheitsdirektor Isaac Reber) den fünften Sitz belegen – ihr Einfluss im Regierungs-Kollegium wäre marginalisiert.
Fokus wie bei einer Ersatzwahl
Wie sich die künftige Baselbieter Regierung nach den Wahlen vom kommenden Wochenende parteipolitisch zusammensetzt, hängt am entscheidensten von der Wählergunst ab, die die beiden FDP-Frauen Gschwind und Pegoraro mobilisieren können. In der ersten Phase des Wahlkampfs hatte die Hösteiner Gemeindepräsidentin und Landrätin Gschwind die Nase klar vorn.
Als Erste preschte sie schon am 11. Dezember mit einer markanten Breitseite gegen die Bildungspolitik des abtretenden Sozialdemokraten Urs Wüthrich vor und sicherte sich später die Unterstützung eines vom grünen Landrat Jürg Wiedemann inszenierten Wüthrich-kritischen Komitees. Die ausgebildete Treuhänderin Gschwind gewann schlagartig an Bekanntheit – aber sie agierte stark bildungsfixiert und positionierte sich als neue Bildungsdirektorin, als ginge es um eine Ersatzwahl.
Die seit zwölf Jahren regierende Bau- und Umweltschutzdirektorin Pegoraro hielt sich anfänglich zurück und setzte dann lediglich einige Akzente etwa zum möglichen jahrelangen Stau-Debakel um die Sanierung des Schänzli-Tunnels oder zur Wirtschaftsoffensive. Von innerparteilichen Widerständen gegen ihre Wahl in der Mitte der Amtsperiode scheint sie sich – wie es zumindest nach aussen scheint – erholt zu haben.
Zweifache FDP-Frauen-Power?
Die zentrale Frage wird sein, ob die bürgerlichen Wählerinnen und Wähler den angebotenen Viereranspruch mit zwei Freisinn-Frauen goutieren. Jahrelang kämpft die deutlich wählerstärkere SVP gegen eine FDP-Zweiervertretung in der Regierung und schnappte sich mit dem Rücktritt von FDP-Finanzdirektor Adrian Ballmer einen der beiden FDP-Sitze. Ob nun insbesondere SVP- und CVP-Wählende dem Freisinn wieder zwei (Frauen-)Sitze zugestehen wollen, ist eher zweifelhaft.
Mindestens ebenso bedeutend wird unter dem bürgerlichen Elektorat die Überlegung sein, ob es zielführend sei, die SP aus der Regierung zu werfen und die neu zusammengesetzte straff bürgerliche Exekutive einer wohl kämpferischer als bisher agierenden sozialdemokratischen Opposition auszusetzen. Sollte die SP nach dem Willen einer Mehrheit in der Regierung bleiben, so stellen sich mit der auf eine Erneuerung des Kantons drängenden Liestaler Stadträtin Regula Nebiker und dem früheren SP-Fraktions-Chef Daniel Münger aus Münchenstein zwei Kandidierende, die ohne Zweifel über Regierungsformat verfügen.
Nebiker, Münger, Reber
Münger kann vielleicht als der "Weichere" und der "Arrangeur" beschrieben werden. Er ist es, den Wirtschaftskammer-Chef Christoph Buser durch die Blume für all jene empfahl, die die fünfte Linie auf dem Wahlzettel doch nicht frei lassen mögen. Anderseits folgen die Wählenden den Vorgaben der Parteien nur beschränkt; vielmehr wollen sie noch eigene Farbtupfer und Durftmarken setzen – etwa zum Geschlechter-Verhältnis.
Da kann gut möglich sein, dass zwar eine Frauen-Doppelvertretung im fünfköpfigen Gremium durchaus erwünscht ist, aber nicht eine doppelte FDP-Vertretung. Bei jenen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern wird Regula Nebiker als Linke mit familiärer SVP-Vertrautheit – ihr Vater Hans-Rudolf war langjähriger SVP-Nationalrat – zur valablen Option.
Da ist aber noch der grüne Sicherheitsdirektor Isaac Reber, der vor vier Jahren überraschend die Wahl schaffte und den SVP-Bisherigen Jörg Krähenbühl nach nur einer Amtsperiode aus der Regierung verdrängte. Er konnte als politischer Polizei-Chef des Baselbiets sein grünes Profil bisher wenig zur Geltung bringen, was sicherlich zu einer gewissen Enttäuschung geführt hat. Anderseits sieht er sich heute weniger einer Parteilinie als vielmehr ein dem Teamgeist und der sachlich und finanziell vernünftigen Lösung verpflichteter Regierungsrat eher bürgerlicher Prägung. Ob er im überparteilichen Spektrum jene Stimmen erobern kann, die er in einem leicht verärgerten SP-Lager verliert, ist offen, aber denkbar.
Prognose: Bisherige im Vorteil
Fazit: Eine Prognose zu wagen, ist schwierig, da alle genannten Bewerbenden unabhängig von ihrer politischen Haltung über "Regierungsfähigkeit" verfügen. Persönlich halte ich eine Variante für die realistischste: Alle vier Bisherigen werden wiedergewählt, der fünfte Sitz geht an die SP. Da allerdings heute das Parteibüchlein nicht mehr dieselbe Rolle spielt wie früher und die Stimmbürger gern ihr politisches Menü selbst arrangieren, muss (und darf!) auch mit Überraschungen gerechnet werden.
4. Februar 2015
Weiterführende Links:
"Sind solche Wahlen noch repräsentativ?"
Da im Baselbiet kein eigentlicher Wahlkampf stattgefunden hat und die jeweiligen KandidatInnen nicht mit einem eigentlichen politischen Programm angetreten sind, sondern sehr moderat und zurückhaltend agiert und nur punktuell und äusserst vage ihre Meinungen zu Belanglosem abgegeben haben, ist die Übungsanlage eher eine Farce. Politik im Schongang. Wer steht für was? Was kann ich erwarten? Wer ist für mich wählbar? Und warum? Man lässt die WählerInnen systematisch im Ungewissen.
Die so genannten Gesamterneuerungs-Wahlen sind eher mit einer grossen Lotterie zu vergleichen. Ausgang ungewiss. Motto: Die WählerIn hat gefälligst die Katze im Sack zu kaufen. Ergo werden sich die meisten WählerInnen frustriert abwenden und sich in Abstinenz üben. Prognose: Wahlbeteiligung knapp 30 Prozent.
Es stellt sich daher zu guter Letzt eher die Frage, ob solche Wahlen noch repräsentativ sind? Sind KandidatInnen, welche bei einer entsprechend niedrigen Wahlbeteiligung gewählt sind, als VolksvertreterInnen noch legitimiert? Oder etwas zugespitzter: Ab welcher Wahlbeteiligung müssten solche Wahlen für ungültig erklärt werden?
Christoph Meury, Birsfelden