© Foto by Noel Burkhead
"Wir wissen ja noch fast nichts": Letourneux' Roter Buntbarsch
Mit Tauchanzug und Sauerstoffflasche auf der Jagd nach Evolutions-Erkenntnis
Forscher aus Basel untersuchen in Ostafrika Buntbarscharten, die sich verblüffend schnell entwickelten
Von Ruedi Suter
Forschende der Region Basel werden zunehmend von ostafrikanischen Buntbarschen in den Bann gezogen: Die Fische gelten als Geheimnisträger wichtiger Evolutionsschritte. Walter Salzburger, Professor und Evolutionsbiologe an der Universität Basel, erhielt als Anerkennung vom Europäischen Forschungsrat 1,2 Millionen Franken, um die artenreichen Buntbarsche besser erforschen zu können. Man darf gespannt sein.
Woher stammt der Artenreichtum der Erde, wie kam es zur Entstehung der biologischen Vielfalt? Walter Salzburger (33), Professor am Zoologischen Institut der Universität Basel, versucht solchen Fragen nicht nur im Labor, sondern auch mit Tauchanzug und Sauerstoffflaschen auf den Grund zu gehen. Dazu gehört jedes Jahr mindestens eine Afrikasafari.
Und zwar an die Grossen Seen Ostafrikas, an die Gestade des Tanganjikasees, des Malawi- und Viktoriasees. Dort schwimmen die Antworten – eine unglaubliche Fülle an wunderschönen Buntbarschen, die von Salzburger und seinem Team bewundert, beobachtet und untersucht werden. Die Wissenschaftler und Wissenschafterlinnen aus Basel stossen bei ihren Unterwasser-Expeditionen auf hunderte verschiedenster Buntbarscharten – ein ideales Forschungsparadies, um jenen Merkmalen auf die Spur zu kommen, die den Fischen eine vergleichsweise schnelle Anpassung an ihre Umgebung ermöglichten.
Doch Forschungen dieser Art und dann noch in den eher abgelegenen Gebieten Afrikas kosten Geld, viel Geld, das der seit genau einem Jahr am Institut arbeitende Assistenzprofessor nicht von der Uni erwarten kann. Aber Walter Salzburger - er hat in Innsbruck studiert - ist begabt, jung und von einem interessanten Forschungsgebiet gefesselt. So hat sich der Evolutionsbiologe mit seinem ausgeklügelten Buntbarsch-Projekt um die sogenannten "Starting Grants" des Europäischen Forschungsrats (ERC) beworben.
9000 Bewerber und eine Handvoll Gewinner
Kein einfach Ding, bewarben sich doch neben ihm noch rund 9000 weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren Projekten um einen finanziellen Zustupf. 97 Prozent der Bewerbenden hatten Pech und fielen beim Wettbewerb zur Förderung der wissenschaftlichen Güte durch. Drei Prozent hingegen wurden erhört – darunter der Bewerber aus Basel, dem der Forschungsrat die erkleckliche Summe von 1,2 Millionen Franken zugesprochen hat.
Erfreut teilt Hans Syfrig vom Informationsdienst Wissenschaft der Universität Basel nun dies mit: "Der ERC-Jungforscher-Preis erlaubt es Salzburger, die modernsten Methoden aus dem Bereich der Genetik und Genomik einzusetzen, um die Gene zu identifizieren, die für schnelle Anpassung und für das schnelle Entstehen von neuen Arten verantwortlich zeichnen."
"Extrem schnelle Entwicklung"
OnlineReports wollte von Walter Salzburger wissen, wie er das Geld nun einsetzen werde. Der Forscher: "Damit können wir den Laborbetrieb finanzieren und für unser fünf Jahre dauerndes Projekt Teilstellen für zwei Doktoranden und zwei Postdoktoranden beschäftigen." Im September wird Salzburger wieder nach Afrika reisen, nach Sambia an den Tanganjikasee, wo unter anderem auch Boote und Tauchausrüstungen zur Verfügung stehen.
Die Cichliden seien aus Sicht der Forschung deshalb so interessant, weil sie in nur 100 000 Jahren 500 verschiedene Arten entwickelten. "Das ist extrem schnell und darum auch aufschlussreich für die Wissenschaft." Hauptproblem dieser Forschung sei, herauszufinden, welche Funktion einem bestimmten Fisch-Gen zuzuordnen ist. Bei 30 000 bis 35 000 Gene pro Organismus gehe einem vorderhand die Arbeit wohl nicht aus.
"Wir wissen ja noch fast nichts über die Vielfalt der Buntbarsche", beschreibt Salzburger die hohen Anforderungen. Allein schon die Frage, was Fisch fressende Barsche spitze Zähne, Algen fressende Barsche Zähne zum Raspeln und Schnecken fressende Barsche Zähne mit extremem Druckvermögen wachsen lässt, sei eine spannende Herausforderung. Dies ist exakt das, was der junge Forscher und sein Team mögen. Weil die Möglichkeit, auf dem Fachgebiet der Evolutionsbiologie neue Erkenntnisse zu erlangen, gerade mit den Buntbarschen in greifbare Nähe rücken.
Ehrendoktor für Buntbarschforschung
Davon und von der Attraktivität der ostafrikanischen Buntbarsche profitieren wird jedenfalls auch die Universität Basel. Die Rheinstadt zählt mit Walter Salzburger übrigens bereits den dritten Preisträger eines "Starting Grants" des Europäischen Forschungsrats. Vor ihm hatten bereits Professor Dominik Zumbühl vom Departement Physik-Swiss Nanoscience Institute und Dr. Dirk Schübeler vom Friedrich-Miescher-Institute die Ehre.
Und was die Evolution der Buntbarsche im Tanganjikasee betrifft, gibt es in der Region Basel noch einen weiteren international anerkannten Experten: Heinz Büscher-Hager (66) aus Pratteln, Entdecker von 16 neuen Fischarten und Verfasser von 80 Publikationen über Buntbarsche. Ihm, dem begnadeten Buntbarsch-Autodidakten und einstigen Novartis-Laborleiter, wurde Ende 2006 der Ehrendoktor verliehen. Nicht von der Uni Basel, von der Universität Bern.
6. August 2008