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"Stolz auf Basel": Blick vom "Bau 1" auf das frühere Roche-Hochhaus
Roche-Chef Schwan: "Jetzt geht es erst richtig los"
Heute eröffente der Pharmakonzern das höchste Gebäude der Schweiz – einen Büro-Turm mit 2'000 Arbeitsplätzen
Von Peter Knechtli
Historischer Tag für den Basler Pharmakonzern Roche: Heute Freitag eröffnet er nach einer Bauzeit von fünf Jahren den "Bau 1" – mit 178 Metern das höchste Gebäude der Schweiz. Die Investition von 550 Millionen Franken ist laut Konzernchef Severin Schwan ein klares Bekenntnis zum Standort Basel.
Was für ein umwerfender Blick: Wir befinden uns auf der Terrasse im 38. Stockwerk von "Bau 1", 162 Meter über dem Boden. Da unten erkennen wir das Münsterlein, das Messe-Hochhäuschen, die putzigen Trämlein, die wie Schlänglein durch Strässlein kurven, das Flugplätzchen, das Badische Bahnhöfchen, das OnlineReports-Bürolein und eventuell das Rathäuschen. Nur der Ort des Ausblicks ist kein Türmchen, sondern ein Turm. Der Turm.
Neckisch: Der Blick auf das frühere türkisfarbene "Roche"-Hochhäuschen (Bild oben), das sich heute wie ein Stöckli ausnimmt. Es ist wie der Blick auf eine Modelleisenbahn-Landschaft. Alles relativiert sich.
Wir stehen im Zentrum des Zentrums des Dreiländerecks. Hier oben befindet sich die Mitarbeiter-Kantine, die an allen vier Seiten die Sicht dorthin freigibt, wo der neue Roche-Turm wie ein Leuchtturm den Standort Basel markiert: In die Vogesen, in den Schwarzwald, ins Fricktal, in den Jura – und natürlich auf die zu Füssen liegende Stadt Basel.
Gut gelaunter Konzern-Chef
550 Millionen Franken hat Roche (Jahresumsatz: 47,5 Milliarden Franken) in das insgesamt 41 Geschosse umfassende, erdbebensichere und 178 Meter hohe Büro-Hochhaus investiert. Da das Unternehmen an seinem Konzernsitz keinen Raum hat, sich horizontal auszudehnen, erneuere es sich nun in die Höhe, sagte ein sichtlich erfreuter CEO Severin Schwan im grosszügigen Auditorium, das 500 Sitzplätze bietet und im Riesenbauch dieses kleinen Wolkenkratzers bequem Platz findet.
Aber damit nicht genug: "Jetzt geht es erst los", sagte der Konzernchef weiter auf Pläne anspielend, in unmittelbarer Nachbarschaft weiter zu verdichten – so mit einem neuen Forschungszentrum und einem Schwester-Büroturm, der mit einer Höhe von 205 Metern den "Bau 1" um fast dreissig Meter überragt.
Die Basler Architekten Herzog & de Meuron entwarfen einen getreppten Turm, von dem zwölf Terrassen begehbar sind und den Mitarbeitern einen Ort der Entspannung bieten. Schwan zeigt sich besonders beeindruckt, wie es den Architekten durch den Einbau von zwei- und dreistöckigen Kommunikationszonen gelang, die Etagen-Vertikalität aufzubrechen.
Pikant: Wie eine Hommage an die berühmte vom früheren Roche-Archtekten Otto Salvisberg geschaffene Wendeltreppe am Konzernsitz sind auch die diese neuen stockwerkverbindenden Treffpunkte über Wendeltreppen erreichbar.
2,5 Millionen Arbeitsstunden
Die Bürolandschaften präsentieren sich – von 11'000 LED-Lampen beleuchtet – hell, grossräumig, mit perforierten Stellwänden unterteilt oder schalldicht abgeschlossenen, transparenten Räumen. Die Umgebungstemperatur, das Licht, die Storen können die Mitarbeitenden individuell nach Bedarf steuern. Der Minergie-Standard werde "deutlich übertroffen", sagt Roche. Elf Personenlifte und zwei Warenlifte verkehren – was am Ohrendruck spürbar ist – mit einer Geschwindigkeit von sechs Metern pro Sekunde.
Der neuen Turm verbraucht fünfmal weniger Energie als der aus Anfang der siebziger Jahre stammende Problem-Bau 74 am Rand des Firmengeländes, der rückgebaut werden soll. Zufälligerweise sind einige rheinseitige Korridore so angelegt, dass das Fenster am Ende den Blick aufs Münster freigibt. Im Untergrund des Gebäudes stehen 1'500 Veloabstellplätze bereit.
In Spitzenzeiten arbeiteten bis 680 Arbeiter auf der Baustelle – immer häufiger in Schwindel erregender Höhe. Der Basler Standortleiter Jürg Erismann erklärte gegenüber OnlineReports, es sei während der 2,5 Millionen Arbeitsstunden dauernden Bauzeit zu keinen Unfällen gekommen, die über einen Knöchelbruch hinausgingen. Roche habe grosse Anstrengungen zur Unfallprävention unternommen.
Es brauchte zwei Anläufe
Roche-Chef Schwan betonte am heutigen Medien-Termin den optischen "Austausch mit der Stadt, der uns ganz wichtig ist". Deutlicher könnte sein Bekenntnis des Pharmakonzerns zum Standort Basel nicht sein: "Wir sind stolz, in Basel zu sein."
Die jetzige Form des aus vielen Kilometern erkennbaren Turms entstand erst im zweiten Anlauf. Den früheren Entwurf in Spiralform einer Doppelhelix verwarf Roche aus verschiedenen Gründen – umso glücklicher zeigte sich Architekt Jacques Herzog darüber, dass seine Gestalter auch mit der neuen Lösung beauftragt wurden.
Die jetzige Lösung eines den ganzen Basler Grossraum optisch dominierenden Symbols spaltet die Gemüter. Eine beträchtliche Zahl an Bewohnern empfindet den Bau als "alles andere dominierend", die unmittelbar benachbarten Bewohner fürchten mehr Lärm, mehr Verkehr und mehr Schatten. Auch Architekten wie der frühere Basler Kantonsarchitekt Carl Fingerhuth üben heftige Kritik am Bau.
Jacques Herzog: "Motoren der Städte"
Architekt Jacques Herzog (Bild links, mit Severin Schwan und Pierre de Meuron) verteidigte seinen Bau mit deutlichen Worten. "Die meisten nehmen ihn an", sagte er und wies darauf hin, dass sich die Stadt Basel in einer "Transformation" befinde, die "Brennpunkte" wie den neuen Roche-Cluster entstehen liessen und mit ihrer Dynamik die "Motoren der Städte" würden. Fingerhuth, so Herzog, habe "ein eingefrorenes Bild der Stadt".
Ich bin hier gleicher Meinung wie Herzog: Einem für den Bestand an Arbeitsplätzen und Wohlstand in der der Region so wichtigen Unternehmen wie Roche muss die Gelegenheit zur Entwicklung geboten werden. "Bau 1" ist nur der Anfang. Andere periphere Teile der Stadt werden bis in fünfzig Jahren ebenso so hohe oder höhere Türme aufweisen. Anderseits gilt es – und dies sieht auch Herzog so –, in andern sensiblen Orten der Stadt gegenüber Veränderung äusserste Zurückhaltung, ja sogar Strenge walten zu lassen.
Grenzacherstrasse aufgewertet
Über Geschmack lässt sich streiten. Es ist aber nicht zubestreiten, dass die Grenzacherstrasse mit ihren allee-artig begrünten Inseln und einer Reihe von Kunstwerken eine klare Aufwertung erfahren hat. Es ist ausserdem zu hoffen, dass die Roche-Pläne auch dazu führen, dass der öffentliche Verkehr im Wettsteinquartier ausgebaut wird.
Nur auf eines wird die Basler Bevölkerung verzichten müssen: Der grandiose Ausblick aus "Top of Basel" bleibt den Roche-Mitarbeitenden vorbehalten. Ein öffentlicher Zugang ist ausgeschlossen. Dass busweise Aussichts-Begeisterte vor dem neuen Basler Wahrzeichen aufkreuzen, so Schwan, sei für ihn eine "fürchterliche Vorstellung".
Blick vom Roche-Turm auf Basel
18. September 2015
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