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"Vertraglich verpflichtet": Stillstehende Staats-Baustelle Sissacher Werkhof
Sicherheits-Mängel: Suva verfügte Baustopp am Werkhof Sissach
Gefährliche Montage ohne Gerüst: Peinliches Verdikt für österreichisches Holzbau-Unternehmen – und die Baselbieter Baudirektion
Von Peter Knechtli
Brisanter Entscheid der Suva: Der Schweizer Unfallversicherer hat gestern Donnerstag über die Kantons-Baustelle am neuen Werkhof Sissach einen temporären Baustopp verhängt. Grund sind massive Sicherheitsmängel: Die Holzbau-Arbeiten des Grossauftrags wurden ohne Gerüst und Fangnetz erstellt. Es herrscht das grosse Schweigen.
Die Arbeiten an der Errichtung des neuen Werkhofs des Baselbieter Tiefbauamtes waren in vollem Gang. Es handelt sich mit einem Volumen von 1,5 Millionen Franken um einen der grössten Holzbau-Aufträge, die der Kanton je vergeben hat. Zum Zug kam die österreichische Holzbaufirma Sohm. Bauherr ist der Kanton Baselland, vertreten durch die Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD). Die Bauleitung liegt bei Rapp Architekten AG.
"... dann ist er mause"
Gestern Donnerstagmorgen – ein Teil des rund 40 Meter langen Hallendachs ist bereits aufgerichtet – erhielt die Baustelle Besuch eines Suva-Experten. Der zögerte nicht lange und legte die Baustelle still, zu grob war die festgestellte Verletzung der Sicherheitsvorschriften. Zwischen Dachkante und Boden liegen rund sieben Meter. "Wenn da einer runterfällt, ist er mause", sagte ein mit der Materie vertrauter Profi zu OnlineReports. Der Suva-Experte gab OnlineReports indes "keinerlei Angaben zum Fall, "weil wir dem Datenschutz unterstehen".
Ein Augenschein von OnlineReports gestern Donnerstagnachmittag ergab, dass am Bau weder ein Fangnetz noch ein Gerüst installiert war. BUD-Sprecher Nico Buschauer sagte zu OnlineReports, alle 10 bis 15 seit längerer Zeit arbeitenden Zimmerleute seien "durch einen Fünf Punkte-Sicherheitsgurt gesichert" gewesen. Auf Anfrage von OnlineReports sagte David Schreiber, Präsident des Branchenverbandes "Holzbau Schweiz Region Basel", die Gurtsicherung sei "für maximal einen Tag" erlaubt: "Auf diese Weise tagelang aufzurichten, ist nicht erlaubt."
Buschauer sagte weiter, der Gerüstbauer habe "Verzögerung gehabt". Ein Schild am Eingang zur Baustelle verlangt gebieterisch "Helmtragpflicht für alle". OnlineReports sah aber einen Arbeiter ohne Helm mit Hammer hantieren.
Projektleiterin "darf nichts sagen"
Somit stellen sich verschiedene Fragen, wer für die beanstandeten Sicherheitsmängel die Verantwortung trägt. Projektleiterin Margot Meier, Geschäftsleitungs-Mitglied der Rapp Architekten AG, zeigte sich kurz angebunden auf die Frage, ob sie nicht auch eine Verantwortung für die Baustellen-Sicherheit trage: "Ich darf nichts sagen." Statt dessen sagte sie bloss, die Baustelle sei wieder in Betrieb und verwies an das Baselbieter Hochbauamt.
Tatsächlich steht neben der Bauleitung und dem Holzbau-Unternehmen Sohm auch der Kanton in der Pflicht. Denn gerade er sollte als Bauherr mit dem guten Beispiel vorangehen und sich auf seinen eigenen Baustellen nicht die Spur eines Risikos leisten. Brisant ist, dass aus Ausschreibungs-Unterlagen hervorgeht, dass ein Fassadengerüst "bauseits vorhanden" sei. Laut Verbands-Präsident Schreiber ist diese Formulierung allen Handwerkern klar: "Der Bauherr zahlt das Gerüst, die Bauleitung organisiert es."
Laut BUD-Sprecher Buschauer wird "die Schwere der Verstösse jetzt abgeklärt". Der Unternehmer sei "vertraglich dazu verpflichtet, dass sämtliche Sicherheitsvorschriften eingehalten werden". Mögliche Sanktionen könnten bis zum temporären Ausschluss von Submissionen im Kanton Baselland gehen. Auf die Frage, wie weit auch der Kanton in der Verantwortung stehe, sagte Buschauer: "Der Kanton hat die Gesamtverantwortung, aber auch der Unternehmer und die Bauleitung stehen in der Pflicht."
Das Schweigen der Firma Sohm
Wie potent die im sanktgallischen Widnau gegründete Schweizer Tochtergesellschaft des Mutterhauses im nahen vorarlbergischen Alberschwende ist, bleibt im Dunkeln. Dort befindet sich jedenfalls keine Produktionsstätte. Es dürfte sich mehr oder weniger um eine Domizilgesellschaft handeln. Beim Anruf von OnlineReports nahm eine Dame ab, die sogleich mit Kilian Sohm, dem Sohn des Firmeninhabers, verbindet. Er ist Marketing-Chef des Mutterhauses, das in der Branche einen guten Ruf hat.
Der gab sich komplett zugeknöpft. Auf Fragen nach der Verantwortung für den Baustopp, dem Namen des Schweizer Geschäftsführers und der in der Schweizer Niederlassung beschäftigten Mitarbeitenden wollte er sich "sicherheitshalber nicht äussern". Vielmehr verwies er an die Rapp-Architekten in Münchenstein.
OnlineReports richtete sich darauf an CEO Thomas Sohm. Er lässt sich auf seiner Firmen-Website im besten Licht erscheinen: Seine Visionen vom Baustoff Holz "wecken Begeisterung und sorgen in Fachkreisen – auch über die Landesgrenzen hinaus – für Aufsehen". Doch auf Fragen zur Verantwortung, zum Verzicht auf ein Gerüst oder zur Herkunft des verwendeten Holzes schwieg auch der Oberboss: keine Antwort.
Wirbel schon bei der Auftragsvergabe
Reputationsfördernd ist solches Abblocken nicht. Dabei löste schon die Auftragsvergabe nach GATT/WTO-Richtlinien an die österreichische Firma beträchtlichen Wirbel unter den Schweizer Holzbaufirmen aus. Im November 2016 hatte SVP-Landrat Christoph Häring erfolgreich eine Motion eingereicht, die die Regierung verpflichtet, "die Projektspezifikationen und wo möglich, die Beschaffungsrichtlinien zu Gunsten ressourceneffizienter Baustoffe aus lokaler oder nationaler Herkunft anzupassen".
Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Buser zu OnlineReports: "Das ist der Preis dieser Vergabepraxis. Wenn ausländische Anbieter kommen, sind sie sich nicht im Klaren, welche Sicherheitsvorschriften in der Schweiz gelten. Da muss die Submissionsbehörde künftig stärker den Finger drauf halten."
Durch die Mauer des Schweigens und die gegenseitige Abschiebung der Verantwortung um die Sicherheit dieses Grossauftrags dürfte die politische Diskussion um die staatliche Baustelle des Sissacher Werkhofs nochmals Auftrieb erhalten.
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Kommentar
13. Juli 2018
Weiterführende Links:
"Holz in Hülle und Fülle"
Sehr gut recherchiert, vielen Dank. Mich stört die Aussage Busers, es müsse eben mehr kontrolliert werden.
Aus meiner Sicht liegt der Hauptfehler bei der Vergabe an einen ausländischen Anbieter, justement hier, wo Holz aus unserer Region in Hülle und Fülle vorhanden ist. Waldwirtschafts-Präsident Schoch hat sich an der letzten Jahresversammlung zurecht geärgert, dass die Absicht der Behörde, einheimisches Holz zu fördern, in solchen Fällen reine Lippenbekenntnisse bilden.
Elmar Gächter, Hölstein