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"Ausgang völlig offen": Akteure Brunner, Wüthrich, Weirich
Die Honorar-Affäre offenbart Tücken: Staatsanwalt gesucht
Dass die Baselbieter Regierung ihren potenziellen Ermittler wählt, ist eher anzunehmen als ausgeschlossen
Von Peter Knechtli
Der Vorgang ist einmalig in der Baselbieter Justiz: Nachdem sich die Staatsanwaltschaft wegen Anscheins der Befangenheit ein Ausstandsgesuch gestellt hat, ist immer noch ungewiss, wer die Strafuntersuchung in der Baselbieter Honorar-Affäre übernehmen soll. Noch diesen Monat wird durch das Gericht ein Vorentscheid gefällt.
Die Baselbieter Regierung unter dem derzeitigen Präsidium von Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) reagierte in Windeseile: Kaum lag Mitte Dezember der Schlussbericht der unabhängigen staatlichen Finanzkontrolle zur Honorar-Affäre vor, legte sie die Fakten vor den Medien auf den Tisch, die Akten übergab sie samt einer Strafanzeige der Staatsanwaltschaft.
Dort liegen die Akten über die möglicherweise zu Unrecht in die private Tasche gesteckten Mandatshonorare durch ehemalige und aktive Regierungsräte sowie einen früheren Landschreiber und den staatlichen Kultur-Chef immer noch. Doch die Staatsanwaltschaft zauderte nicht lange, um beim Kantonsgericht ihren Antrag auf Ausstand zu deponieren. Es sei nicht so, dass sich die Staatsanwaltschaft befangen fühle, sagte Sprecher Michael Lutz zu OnlineReports. Um in den Ausstand zu treten, reiche schon, wenn – vor allem in der Öffentlichkeit – der "Anschein der Befangenheit" entstehen könnte.
Regierungs-Nähe zur Staatsanwaltschaft
Der brisante Aspekt im Fall der Honorar-Affäre besteht darin, dass ehemalige und amtierende Regierungsräte zentral in den Fall verwickelt sind. Die Regierung aber ist genau jene Instanz, die die Erste Staatsanwältin und die Leitenden Staatsanwälte dem Landrat zur Wahl vorschlägt und die Staatsanwälte selbst wählt. Aus dieser Rollenverteilung könnten der Staatsanwaltschaft Abhängigkeit von der Regierung vorgeworfen werden.
Diese zeigte sich in diesen Tagen im Kanton Solothurn, als die dortige Staatsanwaltschaft zum Schluss kam, der frühere Finanzdirektor Christian Wanner habe kein strafbares Verhalten an den Tag gelegt, als er im Jahr 2012 Sitzungsgelder aus einem Alpiq-Verwaltungsratsmandat in Höhe von 107'000 Franken zu Unrecht in die eigene Tasche gesteckt hatte. Der Entscheid, aus diesem Grund keine Strafuntersuchung gegen Wanner zu eröffnen, stiess sofort auf Kritik.
Ausstands-Antrag: Entscheid noch im Januar
Weniger einfach gestaltet sich in organisatorischer Hinsicht derzeit die juristische Aufarbeitung der Honorar-Affäre im Baselbiet. Zunächst erinnern sich Juristen nicht daran, dass im Kanton je eine Staatsanwaltschaft kollektiv in den Ausstand getreten ist.
Die Eidgenössische Strafprozessordnung sieht wohl die Möglichkeit des Ausstands vor, aber nur für "eine in einer Strafbehörde tätige Person", nicht für eine gesamte Rechts-Institution. Nun lässt sich anführen, dass die Ausstandsgründe für jede Staatsanwältin und jeden Staatsanwalt des Baselbiets gleichermassen individuell gelten, wodurch das Ausstandsbegehren zwangsläufig kollektiven Charakter erhält.
Ob die Staatsanwaltschaft in diesem spezifischen Fall passen kann, entscheidet ein Dreiergericht der Abteilung Strafrecht unter dem Vorsitz von Thomas Bauer (SVP) als Beschwerdeinstanz des Kantonsgerichts. Die Verhandlung ist noch im Januar angesetzt, der Ausgang ist völlig offen. Anfang Februar dürfte die schriftliche Urteilsbegrüdnung der Staatsanwaltschaft eröffnet werden.
Dass das Gericht den Antrag mehr oder weniger durchwinkt, ist ausgeschlossen, denn es gilt der Grundsatz, dass allein die Tatsache, dass ein Fall "unbequem" ist, kein Ausstandsgrund sein darf. Der Ausstandsantrag muss also wohlbegründet sein.
Umstrittene Regierungs-Rolle
Lehnt das Gericht das Begehren ab, muss die Staatsanwaltschaft die Ermittlung gegen Mitglieder ihrer Wahlbehörde in Angriff nehmen. Stimmt das Gericht dem Antrag auf Ausstand aber zu, wird es heikel. Denn laut Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung hat allein die Regierung die Kompetenz, einen ausserordentlichen Staatsanwalt zu wählen.
Ob es sachlich richtig und politisch klug wäre, wenn die Regierung einen externen Ermittler bestimmen würde, der möglicherweise gegen Mitglieder dieser Regierung vorgehen muss, ist umstritten.
Wer bestimmt den Ermittler?
Für Stephan Mathis, Generalsekretär der Justiz- und Sicherheitsdirektion, spricht nichts dagegen, dass die Regierung diese Wahl vornimmt. Denkbar wäre, dass allenfalls durch die Untersuchung tangierte Regierungsmitglieder bei der Wahl in den Ausstand treten.
Laut Verwaltungsorganisations-Gesetz ist die Regierung beschlussfähig, wenn "mindestens drei Mitglieder" anwesend sind. Gemäss Bericht der Finanzkontrollle sind die beiden neuen Regierungsräte – Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor Thomas Weber (SVP) und Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) – von der Untersuchung nicht tangiert, da sie weder Honorare noch Sitzungsgelder und Spesen aus Mandaten in staatlicher Funktion bezogen haben.
Andere Rechtskenner im Kanton hielten es für ungeschickt, wenn die Regierung den Affären-Ermittler auserwählt. Sie könnten sich vorstellen, dass die Regierung die Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) des Landrats oder das von Andreas Brunner präsidierte Kantonsgericht mit der Suche eines unabhängigen externen Strafverfolgers beauftragt. Diesem Vorgehen könnte sich Stephan Mathis anschliessen – allerdings mit der Bedingung, dass die Wahl formell durch die Regierung erfolgt.
Eines zeigt der Fall hingegen mit Sicherheit: Die Honorar-Affäre ist so einzigartig, dass selbst der Rechtsweg noch nicht verbindlich kalibriert ist.
15. Januar 2014
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