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"Wieder eine soziale Stimme": SP-Regierungsrats-Kandidatin Schweizer
Gouvernemental und mütterlich: Der Auftritt von Kathrin Schweizer
Die 49-jährige Muttenzer Politikerin präsentierte sich heute als Regierungsrats-Kandidatin den Medien
Von Peter Knechtli
"Ich möchte gern die soziale Stimme sein." Mit diesen Worten eröffnete heute Freitag Kathrin Schweizer den Wahlkampf, der sie in die Kantonsregierung führen soll. Die erfahrene Muttenzer SP-Politikerin setzt auf das Allgemeinwohl und ein fortschrittliches Baselbiet. Die Blockade-Politik der letzten Jahre müsse beendet werden.
Die 49-jährige Regierungsrats-Kandidatin, die den verlorenen SP-Sitz in der fünfköpfigen Baselbieter Exekutive zurückgewinnen soll, trat vor den Medien gouvernemental auf. In dunklem Anzug, hellblauem Shirt und diskretem Halsschmuck erklärte sie die Grundätze, mit denen sie die Politik als "Experimentierfeld der rechten und konservativen Parteien" der letzten vier Jahre korrigieren will.
Dabei soll ihr die langjährige politische Erfahrung in Legislative wie Exekutive helfen: Seit elf Jahren im Landrat – davon während vier Jahren Fraktionspräsidentin –, seit über drei Jahren Gemeinderätin in Muttenz, wo die verheiratete, kinderlose Frau auch aufgewachsen ist.
Der Rückwärts-Kanton Baselland
Sie sprach unaufgeregt, aber deutlich über einen Kanton, den schon seit längerer Zeit "Abbau, Stillstand oder sogar Rückschritt" prägen und in dem nichts mehr vom Fortschritt zu spüren ist, den sie in ihrer Jugend wahrgenommen hat. Selbst in bürgerlichen Kreisen werde die Blockade-Politik bemängelt, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass die SP bei den letzten Wahlen aus der Regierung flog.
Als Beispiele der Erfolglosigkeit unter bürgerlicher Herrschaft nannte Schweizer die Spar- und Abbaupolitik, die "in der Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen" habe, die gescheiterte Suche nach Deponie-Standorten, die verlorenen Abstimmungen über das "Elba"-Strassenprojekt im Unteren Baselbiet und über die Abschaffung des "Läufelfingerli", oder den durch Rot-Grün per Volksinitiative verhinderten Versuch, das Umwelt-Abonnement zu verteuern. Auf die OnlineReports-Frage, welche Direktionen sie diesbezüglich für besonders kritisch halte, nannte Schweizer die Finanzdirektion und die Bau- und Umweltschutzdirektion.
"Günstlingswirtschaft muss aufhören"
Jetzt brauche es in der Regierung "wieder eine soziale Stimme", die das Wohl der Allgemeinheit im Fall einer Wahl "über Einzel- und Verbandsinteressen" stellen werde, sagte die Biologin, die derzeit im Basler Baudepartement als Verkehrsplanerin arbeitet. Ein aktuelles Beispiel für soziale Verantwortung sei die demnächst zur Abstimmung gelangende Initiative zur Verbilligung von Krankenkassen-Prämien. Ausserdem: Die Bevölkerung müsse wieder Vertrauen in die Regierung gewinnen, "Günstlingswirtschaft, Filz, Kungeleien müssen aufhören".
Handlungsbedarf sieht Schweizer auch in der Wohnbaupolitik. Der Verknappung an bezahlbarem Wohnraum sei mit einer "aktiven Wohnpolitik" zu begegnen: Abgabe von Land im Baurecht statt Verkauf und Förderung von Wohnbau-Genossenschaften und alternativen Wohnformen. Nötig sei auch wieder eine Wertschätzung im Umgang mit dem Staatspersonal, das nicht weiter nur "als Kostenblock" gesehen und mit Lohn- und Rentenabbau belastet werden dürfe. Das belastete Verhältnis zwischen Gemeinden und Kanton soll entspannt werden, indem sich beide Partner künftig "auf Augenhöhe begegnen".
ÖV und Ökologie
Ihre Vision eines fortschrittlichen Kantons konkretisierte sie mit der Notwendigkeit einer "Vorwärts-Strategie" beim öffentlichen Verkehr, neuen und pünktlichen Tramverbindungen und der Verwirklichung des "Herzstücks" als Rückgrat des gesamten Netzes.
"Die SP gehört in die Regierung", sekundierte SP-Präsident Adil Koller seine Kandidatin. In ihrer heutigen Zusammensetzung sei die Exekutive nicht repräsentativ. Koller strich zudem Schweizers Fähigkeit heraus, den "Konsens" und "gute Lösungen" zu suchen. Sie sei eine dossiersichere "Chrampferin, die sich nicht vor Arbeit scheut".
Die Birsfelder SP-Gemeinderätin und frühere Kantonalpräsidentin Regula Meschberger attestierte ihrer Parteikollegin "vorausschauendes strategisches Denken und Handeln". Und weiter: "Die Stimme der SP für tragfähige Lösungen fehlt im Moment im Kanton."
Grüne Spitzenfrau mit im Boot
Das vielleicht bemerkenswerteste Detail der Medienpräsentation war der Auftritt der grünen Landrätin Florence Brenzikofer. Sie gehört zwar dem überparteilichen Unterstützungskomitee für Kathrin Schweizer laut deren Website nicht an, bekannte sich aber an der Medienkonferenz zur Unterstützung der SP-Frauenkandidatur. Bisher hatten Grüne und SP stets angekündigt, völlig getrennt in die Wahlen zu gehen.
Seit 1968 wurden nach Brenzikofers Angaben 21 Männer als Regierugnsräte gewählt, während elf Frauen kandidierten, ohne gewählt zu werden. "Kathrin Schweizer wäre erst die vierte Frau und die erste SP-Frau in der Baselbieter Regierung", rechnete Brenzikofer vor. "Es ist eine Aufbruchstimmung da. Der Frauenanteil in der Schweizer Politik muss ein Thema bleiben."
Auftritt mit Symbolkraft
Florence Brenzikofer präzisierte, sie trete persönlich und nicht als Repräsentatin oder Mandatierte der Partei auf. Dennoch hat die Anwesenheit der früheren Grünen-Kantonalpräsidentin und aktuellen Erstnachrückenden von Nationalrat Maya Graf eine gewisse Symbolkraft. Auf die OnlineReports-Frage, ob auch ein SP-Kopf an der Medienkonferenz des erneut kandidierenden grünen Sicherheitsdirektors Isaac Reber Präsenz markiere, sagte Koller, es gebe "keine Absprachen".
Florence Brenzikofer ist von einem Gegengeschäft nichts bekannt. Immerhin kann ihr Support der Frauenkandidatur Schweizer als eine Positionierung im Hinblick auch auf die nationalen Wahlen verstanden werden, in denen die geduldige Oltinger Politikerin die Nationalrats-Ambitionen noch nicht aufgegeben haben dürfte.
Irgendwie mütterlich
Trotz ihres Regierungs-Anspruchs zeigte sich Kathrin Schweizer nicht als Frau der grossen Worte, Aufsehen und Allüren sind ihr fern, sie wirkte irgendwie mütterlich. Erwartungsgemäss mochte sie sich nicht auf eine Direktions-Präferenz festlegen. Vielmehr betonte die Bewerberin, sie sei vom Sozialen über die Gesundheit und Finanzen "breit aufgestellt". Selbst Radfahren gehört zur Kernkompetenz der langjährigen "Pro Velo"-Geschäftsführerin: Auf zwei Rädern will sie im Wahlkampf dem Volk den Puls fühlen.
P.S.: Kurz nach Publikation dieses OnlineReports-Artikel stellten die Kathrin Schweizer-Supporter fest, dass "vergessen" wurde, die Copräsidentinnen des Komitees – Florence Brenzikofer und Regula Meschberger – auf der Schweizer-Website aufzuführen. Was sodann unverzüglich nachgeholt wurde.
28. September 2018
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