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![]() "Zwei marode Spitäler am Hals": Basler Gesundheitspolitiker Gysin
"Wir brauchen nicht gleich viele, sondern weniger Spitäler"Remo Gysin, der "Graue Panther"-Ko-Präsident und ehemalige Basler Sanitätsdirektor, lehnt das aktuelle Modell der Spital-Fusion ab Von Peter Knechtli Die geplante Fusion der öffentlichen Spitäler in beiden Basel stösst auf die einhellige Ablehnung der "Grauen Panther". Ko-Präsident Remo Gysin hält nicht den langfristigen Zusammenschluss für falsch, sondern das Modell der kurzfristigen Umsetzung. Es könne nicht sein, dass Baselland nach der Universität und der Kultur jetzt Basel-Stadt auch noch im Spitalbereich zur Kasse bittet. OnlineReports: Herr Gysin, Sie waren von 1984 bis 1992 Basler Gesundheitsdirektor, der damals noch Sanitätsdirektor hiess. Nun schalten Sie sich nach 26 Jahren wieder in eine gesundheitspolitische Debatte ein – nämlich in die Fusion der öffentlichen Spitäler in der Region zur "Universitätsspital Nordwest AG".
OnlineReports: Nun hat sich in Basel-Stadt immer eine Mehrheit für die Wiedervereinigung mit Baselland ausgesprochen. Und jetzt, wo es um die bisher bedeutendste Teil-Kooperation geht, sind Sie dagegen. Gysin: Ich bin nicht gegen die Fusion, sondern gegen das Modell, wie sie umgesetzt werden soll. OnlineReports: Was stört Sie denn konkret? Gysin: Erstens wird keines der Ziele erfüllt: Es wird nicht gespart, die Krankenkassenprämien werden nicht gesenkt, und man kann die Universität ohne das Claraspital, das nicht zur Fusion gehört, so nicht retten. Aus der Sicht von Basel-Stadt gibt es mehrere No-Gos. Wir können doch nicht zwei marode Spitäler aus dem Baselbiet – die Standorte Liestal und Bruderholz – übernehmen und in einer Grössenordnung von mindestens 250 Millionen Franken finanzieren zur Entlastung des Baselbieter Staatshaushalts. Zudem ist der Standort Bruderholz überflüssig. Im Bereich Orthopädie haben wir heute schon Überkapazitäten. Wir brauchen nicht gleich viele, sondern weniger Spitäler, um Einsparungen zu verwirklichen ... OnlineReports: ... und drittens? Gysin: Wenn Basel-Stadt zwei Drittel der Aktien des fusionierten Universitätsspitals übernimmt, aber nur paritätische Mitbestimmung erhält, dann stimmt das Trägerschafts- und Mitbestimmungsmodell nicht. Das geht nicht auf. Übrigens ist auch das ganze System der geriatrischen Versorgung nicht durchdacht. Das Felix Platter Spital ist nicht als Teil der Fusion vorgesehen, obschon es aufs Engste mit dem Universitätsspital verbunden ist. OnlineReports: Es erstaunt, dass Sie als immer noch strammer Linker nun auf der radikalen Nein-Linie fahren, die die Privatspitäler und auch die FDP Baselland vertreten. Gysin: Ich habe keine Probleme mit Privatspitälern wie das Claraspital, das in der Chirurgie im Bauchbereich weiter ist als das Universitätsspital Basel.. Im Orthopädie-Sektor haben wir Überkapazitäten, die Fragen nach der Notwendigkeit von privaten und öffentlichen Spitälern aufwerfen. Hier werden sehr viele Operationen vorgenommen, die nicht nötig wären. Der Effekt, den nur schon die Diskussion um die Fusion auslöste, war, dass alle hochgerüstet haben, die Merian Iselin Klinik voran. Die Konkurrenz wurde grösser, nicht kleiner. Die Regierungen haben somit bereits gegen sich selbst gearbeitet und den Effekt, den sie bekämpfen wollen, verstärkt statt abgeschwächt.
OnlineReports: Hoffen Sie darauf, dass dieses geschichtsträchtige Projekt an einer unheiligen Allianz von Linken und Privatspitälern scheitert? Gysin: Ich setze auf eine Allianz der Vernunft, querbeet durch alle Parteien und Spitäler. OnlineReports: Der frühere Basler Regierungspräsident und Hausarzt Guy Morin unterstützt die Fusion herzhaft. Gysin: Ich kann nur Vermutungen anstellen. Die Grund-Idee ist eben gut. Wer aber die wichtigen strategischen Aspekte hinterfragt, kann dem Vorhaben nicht zustimmen. Bei der Umsetzung werden die Weichen falsch gestellt – mit der Aktiengesellschaft leider auch Richtung Privatisierung der öffentlichen Spitäler. OnlineReports: Immerhin beziffern die Regierungen das jährliche Sparpotenzial auf 70 Millionen Franken. Gysin: Das ist das Prinzip Hoffnung! Wesentliche Investitionsentscheide sind nicht mitgerechnet worden. Auch wenn im Personalbereich von künftig eher zusätzlichen Stellen die Rede ist, merkt man, dass diese Prognose nicht stimmen kann. Heute sprechen selbst Fusionsbefürworter nicht mehr von einer Sparvorlage. Was die Regierungen uns vorlegen, ist unvollständig und undurchsichtig. Sie spielen bezüglich Baselbieter Sanierungsbedürfnissen nicht mit offenen Karten. OnlineReports: Wie meinen Sie das? Gysin: Es gibt keine Antworten beispielsweise auf die Frage, wieviel mit einem Verzicht auf das Bruderholzspital eingespart werden kann, oder wieviel die Sanierung des Standorts Liestal kostet. Der Baselbieter Regierungsrat Thomas Weber sprach kürzlich von 250 Millionen Franken, die verloren gingen, wenn Baselland der Fusion nicht zustimme. Das ist der Minimalbetrag, den Basel-Stadt für die Sanierung der Baselbieter Spitäler übernehmen müsste. Man sieht daraus, dass nichts eingespart werden kann. Es wird sogar draufgelegt werden müssen."
OnlineReports: Was muss sich noch ändern, dass auch Ihr Verein einer Fusion zustimmen kann? Gysin: Wenn sich zwei Partner auf Augenhöhe zusammenschliessen, dann braucht es eine Ausgewogenheit von A bis Z. Diese Ausgewogenheit ist in mehrfacher Hinsicht nicht gegeben. Es braucht ein anderes Modell, nämlich einen Verbund. Die Zielsetzung könnte sein, in zehn bis fünfzehn Jahren zu fusionieren. Bis dahin könnte jeder Kanton in seinem Spitalbereich Ordnung machen. Es ist nicht verboten, gemeinsame Schwerpunkte über medizinische Fachbereiche und die Planung zu setzen. Am besten fängt man damit schon morgen an. Dazu braucht es keine Fusionsvorlage. OnlineReports: Worin läge der Vorteil eines Verbundes? Gysin: Es würde nicht alles in einem Hauruck-Verfahren umgebogen, was über Jahrzehnte gewachsen ist. Vielmehr könnten organische Korrekturen vorgenommen werden. Es könnten Absprachen über die Spitallisten, Bildungsfragen, Werbung und den gemeinsamen Einkauf, getroffen werden – von der teuren Gross-Apparatur bis zum Verbandsmaterial. Clara- und Felix Platter Spital liessen sich problemlos einbinden. Stolpersteine, wie die asymmetrische Lastenverteilung zum Nachteil von Basel-Stadt würden wegfallen. Der Fusions-Moment ist noch nicht reif. Die Interessenlagen beider Kanton sind zu unterschiedlich ... OnlineReports: ... nämlich? Gysin: Das Baselbiet hat das Problem, dass ihm die Patienten davonlaufen und sich in der Stadt behandeln lassen, und dass es zwei marode Spitäler am Hals hat. Dieses Problem will es lösen, indem es Basel-Stadt – nach der Universität und der Kultur – jetzt auch noch im Spitalbereich zur Kasse bittet.
OnlineReports: Für wie gross halten sie im gegenwärtigen Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Fusion erfolgreich verläuft? Gysin: Ich hoffe auf eine Ablehnung und stelle auch fest, dass der Widerstand wächst. Vor allem das Argument der Asymmetrie zwischen Basel-Stadt und Baselland leuchtet in Basel jedem ein, der an der Urne entscheiden muss. Die Stimmung im Baselbiet kann ich nicht so klar beurteilen. Aber offenbar will der Freisinn den Stein in Richtung Privatisierung der Spitäler werfen. OnlineReports: Vor über 20 Jahren sagten Sie mir in einem Interview, Ärzte-Gehälter über 250'000 Franken seien Raubbau an der Gesellschaft. Finden Sie das heute auch noch? Gysin: Auch im Spitalbereich stimmen die Relationen zwischen unteren und oberen Einkommen nicht. Heute läge die vertretbare obere Grenze vielleicht bei 350'000 Franken. Aber es gibt einzelne Spital-Ärzte, die eine Million und mehr verdienen. Ich finde, sie müssten sich entscheiden, ob sie profitorientiert privatwirtschaftlich tätig sein wollen oder als ordentlicher Professor im Service public. Replik von Guy Morin vom 26. Juli 2018 24. Juli 2018
Der Gesprächspartner
![]() "Eine Fusion ist ein Gebot der Vernunft" Der Sinn und Zweck der Fusion ist ein langfristiger Zusammenschluss, weil nur dieser die erwünschten Synergien bringt. Wie mittlerweile bekannt ist, gründen das öffentliche Universitätsspital Basel (USB) und das private St. Claraspital per Januar 2019 eine gemeinsame Organisation namens "Clarunis". Olivier Kungler / Dorothee Frei Hasler, Generalsekretär der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion Basel-Landschaft, Liestal / Generalsekretärin Gesundheitsdepartement Basel-Stadt, Basel "So gehen Rollladen kommentarlos runter" Warum so hässig Herr Huber, ihre persönliche Ansicht könnten sie auch anständig den Lesern kundtun. So werden einige Rollladen einfach kommentarlos runter gehen und ihre Meinung wird gar nicht zur Kenntnis genommen. Verunglimpfungen anderer war diesbezüglich noch nie das Schlauste. Aber scheinbar hat Remo Gysin sie richtig auf dem falschen Fuss erwischt. Bruno Heuberger, Oberwil "Enge Kooperation auch ohne Fusion möglich" Herr Huber wirft Remo Gysin vor, Halbwissen zu verbreiten und vermutet als Grund eine lange Ferienabwesenheit. Dem CVP-Trommler ist offenbar entgangen, dass eine enge Kooperation auch ohne Fusion möglich ist, was die von Huber gelobte Zusammenarbeit von Clara- und Universitätsspital in der Bauchchirurgie beweist. Roland Stark, derzeit Glenlivet, Schottland "Es braucht die Synergien" Es ist für mich verwunderlich, dass alle, die nicht bei sämtlichen Fusionsgesprächen dabei waren und deshalb nicht das komplette Wissen haben, wie der Konsens gefunden wurde, es nun besser wissen. Fact ist: Es braucht die Synergien, um längerfristig effizient zu sein und den – von uns, von der Bevölkerung, auch von den Gegnern der Spitalfusion geforderter! – Qualitätsstandard in der Versorgung halten zu können. Beatrice Isler, Grossrätin CVP, Basel "Gegen die Fusion, aber ..." Ich bin auch gegen die Fusion. Wichtig ist allerdings, dass das Unispital Basel auf die notwendigen Fallzahlen kommt, um den Unibetrieb (Lehre und Forschung) aufrechterhalten zu können. Peter Bächle, Basel "Gefährliches Halbwissen" In seinem Rundumschlag, bei dem man das Gefühl nicht loswird, Gysin sei neidisch, in seiner Regierungszeit kein solches Projekt zustande gebracht zu haben, vergisst der ehemalige Regierungsrat offenbar einige Dinge. Vielleicht ist er zu lange weg vom Fach oder hat zu lange Ferien genossen, ohne die Berichterstattung zum Thema in den Medien zu verfolgen: Patrick Huber, Einwohnerrat und Vizepräsident CVP Basel-Stadt, Riehen "Gesundheitskosten werden weiter steigen" Njet zu dieser Fusion ist das einzig Richtige! Allerdings ist es sehr, sehr unrealistisch, die so genannten Gesundheitskosten ins Feld zu führen. Diese werden so oder so, in der Stadt wie im Baselbiet, munter weiter steigen, solange ... (aber das ist ein anderes Kapitel!). Albert Wirth, Liestal "Schiefe Voraussetzungen" Wenn ich mich gegen eine solche Spitalfusion ausspreche, dann sicher nicht als Gegner einer Zusammenarbeit mit unserem Basler Nachbarkanton. Aber die Voraussetzungen liegen schief in der Landschaft. Steffi Luethi-Brüderlin, Basel "Überzeugende Analyse" Fundierte, konzise, kritische, unabhängige, unbeeinflusst überzeugende Analyse der Verhältnisse Baselland-Basel-Stadt. Zum Glück gibt es derart klare Stellungnahmen, die zum kritischen Nachdenken und Hinterfragen anregen. Alois Zimmermann, Baselq "Ja – aber nur ohne Bruderholz" Als Liberaler aus Basel-Stadt stimme ich dem Sozialdemokrat Remo Gysin vollumfänglich zu und sage einmal mehr: Spitalfusion Ja – aber nur ohne Bruderholz. Peter P. Bauer, Basel "Klartext" Endlich einer der Klartext redet. Nicolas Müller, Basel "Einmal zuviel über den Tisch gezogen" Sehr gutes Interview und nachvollziehbare Vorbehalte von Remo Gysin. Die Befürworter werden es schwer haben, in Basel-Stadt eine Mehrheit für die Spitalfusion zu finden. In der Vergangenheit wurde der Stadtkanton eben einmal zuviel (Unideal und 80 Millionen Kantons-Sozialhilfe) von der Landschaft über den Tisch gezogen. Phil Bösiger, Basel |
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