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Überwindet ideologische Gräben: "Sun"-Mann Martin Vosseler
Schrittmacher auf dem Weg zur Sonne
Der Arzt Martin Vosseler verbrüdert als "Sun21"-Manager Gewerbe, Industrie und Investoren mit nachhaltiger Energie
Von Peter Knechtli
Der Kampf um die Verhinderung des Atomkraftwerks in Kaiseraugst hat ihn politisiert. Jetzt kämpft er an vorderster Front für die nachhaltige Energiezukunft: Der Basler Arzt Martin Vosseler, führender Organisator der Energieplattform "Sun21", betätigt sich beharrlich als Brückenbauer zwischen Wissenschaftern, Konstrukteuren, Investoren und Anwendern. Dies ohne ideologische Scheuklappen, aber mit Entschlossenheit und langem Atem. Das Porträt eines ungewöhnlichen Zeitgenossen.
Er lacht milde wie eine aufgehende Sonne. Er telefoniert ruhig mit adäquatem Zeitaufwand und zückt mit innerem Gleichgewicht seine mit Adressen aus aller Welt prall gefüllte, etwas abgewetzte lederne Agenda. Und das, obschon kommenden Dienstag zum dritten Mal in Folge sein Grossanlass bevorsteht: Die "Sun21", die internationale Woche für nachhaltige Energiezukunft.
Wenn Martin Vosseler (51) demnächst 500 Gäste empfängt, dann geht es nicht mehr, wie anno 1975 im Kampf gegen das Atomkraftwerk Kaiseraugst, um handfeste Proteste. Jetzt geht es darum, die damaligen Visionen einer nachhaltigen Energiezukunft in die Praxis umzusetzen. Dieser Prozess ist mittlerweile so weit gediehen, dass dem Sonnenfreund das Oekonomen-Vokabular schon ganz flüssig über die Lippen geht. Ein Kongress-Aspekt widmet sich gar der "Macht als Shareholder" - allerdings jener, die in nachhaltige Projekte investieren und nicht - wie dieses Frühjahr in Pontresina - in Bauwerke zum Schutz vor schmelzendem Permafrost.
"Oekonomie und Oekologie werden synergetisch"
"Sun"-Mann Vosseler ist überzeugt: "Weil Oekonomie und Oekologie synergetisch werden, entsteht im Energiewandel der Markt mit dem allergrössten Potenzial." Anzeichen der Trendwende kann Vosseler heute aus Basel-Stadt in Zahlen bilanzieren: Innerhalb von fünf Jahren haben staatliche Förderbeiträge aus dem Energiesparrappen in Höhe von 7,5 Millionen Franken ein Auftragsvolumen von 75 Millionen Franken ausgelöst. In besonderen Kampagnen wurden Dächer begrünt und Energie fressende Fenster ersetzt.
Sein Entscheid, 1995 die ärztliche Praxis aufzugeben, hängt mit einem früheren, für Martin Vosseler richtungweisenden Traum zusammen: In einem Klostergarten verwandelte sich ein Kamm in einer Papyrusrolle, dann in Hieroglyphen und schliesslich in einen Teller mit Polenta und Ratatouille. Wollte er die Verwandlung andern zeigen, misslang sie. Sie glückte erst, als keine menschliche Absicht mehr bestand.
Enge Zusammenarbeit mit Basler Gewerbeverband
Ohne dass ihn missionarischer Eifer umtriebe, hat Vosseler sein Leben dem sanften Weg verschrieben. Die institutionelle Politik war nicht seine Sache: Obwohl er das Dreiländereck als sehr aufgeschlossene Energie-Region schätzt, sass er nur gerade acht Monate für den Landesring im Basler Grossen Rat, dann trat er zurück. Dafür brachte er immer wieder progressive Top-Energieexperten wie den Amerikaner David Freeman und die "Faktor4"-Autoren Amory Lovins und Ernst-Ulrich von Weizsäcker in die Schweiz. Als er, Hauptmann der Schweizer Armee, im April 1990 die Strafe für Dienstverweigerung absass und in Halbgefangenschaft den Sonnenaufgang über der Weite es Rheintals bewunderte, wurde ihm bewusst, "dass wir vergessen haben, mit der Kraft und Energie der Sonne bewusst umzugehen". Dieser Erkenntnis folgten Schlag auf Schlag die "Sonnen-Woche" in Elm, "Sonnenlandsgemeinden" und die Gründung der "Stiftung Sonne Schweiz", die es sich zum Ziel gesetzt hat, "innerhalb von zwei Generationen die ganze Schweiz mit erneuerbaren Energien zu versorgen". Auf Sonne, Wasser, Wind, Holz und Biomasse setzte auch die erste "Sun"-Aktionswoche 1998 in Basel.
Dass Vosseler die "Sun"-Administration mitten im "Haus des Gewerbes" einquartierte - ist kein Zufall: Der Basler Gewerbeverband und sein Direktor Christoph Eymann hatten früh die Bedeutung der Energiewende erkannt und beispielsweise schon Mitte der neunziger Jahre mit "Sonne Schweiz" eine Tagung über den Zusammenhang von erneuerbarer Energie und der Schaffung von Arbeitsplätzen organisiert. Seither ist Eymanns Gewerbeverband - auch kommende Woche - Vosselers verlässlicher Partner in Sachen sanfter Technologien.
Wird Basel Sitz einer internationalen Agentur für nachhaltige Energie?
Zu den Ausstellern, Sponsoren und Supportern der "Sun21" zählen aber zahlreiche weitere illustre Namen - von der "Bank Sarasin" und Walter Freys "Toyota AG" über das Basler Umwelt- und Energieamt bis zur Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit.
Was zart wie der erste Sonnenstrahl begann, nahm immer konkretere Gestalt an. So war es vor zwei Jahren kein Geringerer als Klaus Töpfer, der frühere deutsche Umweltminister und heutige Direktor des Uno-Umweltprogramms (Unep), der anlässlich der ersten "Sun" in Basel mit dem Vorschlag zur Schaffung einer "Internationalen Agentur für nachhaltige Energie" aufwartete. Dieses Jahr wird der Projektstand erklärt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Plattform für Marktentwicklungsförderung ihren Sitz in Basel haben wird.
"Sun21" als Impulsgeber
Beachtlich ist auch die Liste konkreter Projekte, die aus der "Sun" hervorgingen. Beispiele: Eine von Coop betriebene Biogas-Pilotanlage, die organische Abfälle in Biogas, Humus und Brauchwasser zurück verwandelt. In Nordmali sind drei solarbetriebene Wasserpumpen im Einsatz. Für Eritrea zeigt eine Studie, an der unter anderen die Novartis-Stiftung für nachhaltige Entwicklung beteiligt ist, die Möglichkeiten zur Förderung erneuerbarer Energien auf.
Aber Martin Vosseler weiss, dass die reale Umweltentwicklung noch zu wenig Freude Anlass gibt: Der CO2-Ausstoss in die Atmosphäre nimmt weiter zu, das Ozonloch wächst weiter an. Die Inseln des Südsee-Staates Tuvalu, dessen Innen- und Umweltminister Faimalaga Luka in Basel Zeugnis vom Drama ablegen wird, werden immer häufiger überschwemmt, die Bevölkerung ist in ihrer Existenz bedroht. Dagegen ist nachhaltige Energie an den grossen Treffen der Staatschefs und Wirtschaftsmagnaten "noch kein Thema", wie Vosseler bedauert.
Grossinvestoren-Forum in Vorbereitung
Entmutigen lässt sich der beharrliche Sonnen-Freund deswegen aber nicht. Das nächste Projekt hat er schon im Köcher: Schon im November soll ein von der UBS gesponsertes Forum für Grossinvestoren stattfinden, in dem es um dreistellige Millionensummen geht. Seine Berufung als Brückenbauer und Sinnstifter lebt Martin Vosseler auch auf einer ganz andern Bühne erfolgreich aus - als politischer Kabarettist. Seine letztjährige Leistung macht ihm nicht schnell einer nach: An allen 12 Vorstellungen hatte er ein volles Haus.
18. September 2000