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"Sehr, sehr breiter Konsens": Regierungsmitglieder Brutschin, Herzog, Morin
70 Millionen Franken: Basel-Stadt setzt den Rotstift an
75 Massnahmen sollen ein strukturelles Defizit vermeiden / Alle Departemente kommen – wenn auch unterschiedlich – zur Kasse
Von Markus Sutter
Ein unerwartet grosses Loch reisst die Unternehmenssteuer-Reform II in die baselstädtische Kasse und zwingt die Regierung zum Handeln. Der geschätzte Steuerausfall von 70 Millionen Franken soll deshalb durch Einsparungen kompensiert werden. Ob Kürzung der Zolli-Subventionen, in der Jugendkultur oder die Eliminierung fast aller Polizeiwachen in der Nacht – für Diskussionsstoff ist gesorgt.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass die Basler Regierung in corpore den Medien etwas mitzuteilen hat. Heute Montagmittag war wieder einmal so ein Tag. Die Mienen des Septetts waren bitter ernst. Das Thema hiess "Entlastungs-Massnahmen 2015 bis 2017" und betrifft alle Departemente. Die Finanzlage des Kantons hat sich zwar in den letzten zehn Jahren insbesondere dank der hiesigen Leitindustrie Life Sciences markant verbessert. Steuern konnten gesenkt, die Pensionskasse saniert und Schulden nennenswert abgebaut werden.
Im März 2014 musste die Regierung aber zur Kenntnis nehmen, dass drohende Ausfälle der Unternehmenssteuer-Reform II ein Loch von wiederkehrenden 70 Millionen Franken jährlich in die Kasse reissen, mehr als ursprünglich angenommen. Um den Etat im Lot zu halten, wurde deshalb das Entlastungspaket 2016/2017 initiiert. Entlastungs-Massnahmen konnten nicht schon per 2015 in grösserem Ausmass umgesetzt werden, da vielfach zuerst noch Verträge gekündigt oder gar Gesetze geändert werden müssten.
"Teils schmerzhafte Eingriffe"
Die Summe aller Entlastungs-Massnahmen beläuft sich im laufenden Jahr auf vorerst auf 19 Millionen Franken, 2016 erhöhen sich die Einsparungen auf 52 Millionen Franken, 2017 auf 67,7 Millionen Franken und in den Folgejahren dann auf 69,5 Millionen Franken.
"Es sind teilweise schmerzhafte Einschnitte", fasste Regierungspräsident Guy Morin (Grüne) das Streichkonzert zusammen. Innerhalb der Regierung habe das Paket aber einen "sehr, sehr breiten Konsens" ergeben. Mittelfristig sollen gegen 50 Vollzeitstellen abgebaut werden. Entlassungen sind gemäss Morin keine vorgesehen.
Auch wenn man den Pelz des Bären bekanntlich nicht waschen kann, ohne ihn nass zu machen: Dort sparen, wo es am wenigsten weh tut, scheint eine Art Leitmotiv der regierungsrätlichen Abspeck-Aktion gewesen zu sein. Ob das die – dem Vernehmen nach bereits involvierten - Direktbetroffenen auch so sehen, wird sich demnächst zeigen.
Beispiele aus den Departementen
Das Präsidialdepartement von Guy Morin will inskünftig auf TV-Spots bei den Swiss Indoors verzichten (Einspareffekt 50'000 Franken). Neunmal mehr spart der Fiskus dank einer massiven Kürzung der Zolli-Subventionen (per 2017) von 1,45 auf 1 Millionen Franken. Auch die Jugendkultur muss bluten. Der Regierungsrat machte sich einst für einen Betrag von 100'000 Franken stark, der vom Grossen Rat sogar noch verdoppelt wurde. Nun soll die Subvention auf 50'000 Franken gekürzt werden. Und dank der Aufhebung der Stelle des Beauftragten für Menschen mit Behinderung können ab 2015 jährlich 160'000 Franken eingespart werden. Ein Abbau an Dienstleistungen sei aber nicht die Folge, weil Aufgaben umgeschichtet würden.
Beim Finanzdepartement (Eva Herzog, SP) heisst der Hauptbrocken der Einsparung "Herabsetzung der Inkassoprämien bei der Quellensteuer". Infolge der zunehmenden Automatisierung der Abrechnung habe sich der Erhebungsaufwand für die Arbeitgeber und andere Quellensteuer-Schuldner sukzessive verringert. Die Inkasso-Provision soll deshalb von drei auf zwei Prozent gekürzt werden, was den Fiskus jährlich um 3,5 Millionen Franken entlastet. Gestrichen werden zudem unter anderem reservierte Krippenplätze für Kantons-Angestellte. Von diesem Angebot habe nur ein sehr kleiner Kreis profitiert, hiess es. Zudem gebe es inzwischen ein viel breiteres Angebot an Krippenplätzen im Kanton.
Eher technischer Natur sind die Einsparungen im Bau- und Verkehrsdepartement (Hans-Peter Wessels, SP): So wurde beispielsweise der Abschreibungsmodus auf Rollmaterial von 20 auf 25 Jahr erhöht, was die Staatskasse um 2,5 Millionen Franken entlastet.
Von den 49 abzubauenden Stellen betreffen 31 das Erziehungsdepartement (Christoph Eymann, LDP). Alle Sparmassnahmen zielten gemäss Eymann darauf auf, weder die Unterrichtsqualität zu verschlechtern, noch die Arbeitsbelastung für die Lehrpersonen zu erhöhen. Ein Hinweis noch für Schwimmfreunde: Sportliche Anlässe wie die Eröffnung der Gartenbadsaison und Spezialangebote sollen vom Sportamt in Zukunft nicht mehr beworben werden. Auch Kleinvieh macht Mist: Das Einspar-Potenzial wird auf 30'000 Franken jährlich veranschlagt.
Im Gesundheitsdepartement (Lukas Engelberger, CVP) werden gewisse Spitäler über die getroffenen Sparmassnahmen wohl keine Freude haben. So ist ein Abbau von gemeinwirtschaftlichen Leistungen per 2016 für Langzeitpatienten in Spitälern vorgesehen, ebenso für gemeinwirtschaftliche Leistungen der universitären Lehre und Forschung. Inklusive kleinerer Einsparungen belaufen sich diese Kürzungen ab 2016 total auf 15,25 Millionen Franken jährlich.
Im Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (Christoph Brutschin, SP) werden unter anderem Anpassungen bei den Betreuungsverhältnissen vorgenommen. Die Zahl der geplanten Neueinstellungen wird verringert. Ebenso sollen Beihilfen zu Ergänzungsleistungen gekürzt werden.
Als letztes Departement bleibt das Justiz- und Sicherheitsdepartement (Baschi Dürr, FDP). Hier könnte noch zu reden geben, dass beim Polizei-Schalterdienst markante Einsparungen geplant sind. Einen Nachtschalter respektive eine Öffnungszeit rund um die Uhr soll es inskünftig noch nur am Claraplatz geben. Alle anderen Polizeiwachen bleiben tagsüber an Werktagen unverändert offen. Von den zwölf betroffenen Headcount-Stellen sollen vier "an der Front" investiert, also die Präsenz auf der Strasse verstärkt werden.
Mitarbeitende müssen Prämie selbst zahlen
Auf das Staatspersonal kommen ganz generell noch ein paar Belastungen zu, die mit insgesamt 14,5 Millionen Franken zu Buche schlagen. So soll die Prämie der Nichtbetriebsunfall-Versicherung inskünftig vollumfänglich von den Arbeitnehmenden getragen werden. Bisher beteiligte sich der Arbeitgeber mit zwei Dritteln. Die Umsetzung erfordert allerdings noch eine Gesetzesänderung.
Auch am Dienstaltersgeschenk wird nach dem Willen der Regierung gespart. Nicht mehr in Fünf-, sondern nur noch in Zehnjahresschritten soll es (allerdings erst ab 2010) Dienstaltersgeschenke von je zwei Wochen bezahltem Urlaub geben. Ebenso wird der zur Verfügung stehende Topf für Anerkennungs-Prämien kleiner.
2. Februar 2015
"Regierung sollte beispielhaft vorausgehen"
Tol,l was sich da die sieben Regierungsräte an Sparmassnahmen ausgedacht haben. Wie zu erwarten, ist man selber nicht betroffen, denn das eigene Hemd ist auch unseren bestbezahlten Regierungsräten am nächsten.
Beispielhaft vorausgehen und auf einen Drittel des hohen Salärs verzichten, die Voraussetzungen schaffen, dass es in naher Zukunft nur noch fünf Departemente braucht wären glaubhafte Bestrebungen, den überbordenden Basler Staatshaushalt einzudämmen.
Aber eben, Sparen auf dem Buckel der Anderen ohne selbst betroffen zu sein, ist halt am einfachsten.
Bruno Honold, Basel
"Nicht verboten, gescheiter zu werden"
Eigentlich wäre es nicht verboten, gescheiter zu werden. War es wirklich der Weisheit höchster Schluss, schulische Lagerhäuser in Davos, Saanenmöser oder Engelberg zu verkaufen, um einige Franken (nicht Hunderttausende) für die (damals) marode Staatskasse zu sparen? Mit Prêles wird eine weitere Unterkunft für Schülerinnen und Schüler veräussert, obwohl Winterlager seit Jahrzehnten zur "Ausbildung" gehören. Die Aufgabe des Skiverleihs führt zum endgültigen Tod der traditionellen Skilager, obwohl viele Jugendliche in ihrem Leben noch nie Schnee gesehen haben. Ob sie sich später eher an ein Lager in den Bergen oder "fächerübergreifenden Unterricht in Lernlandschaften"
erinnern?
Peter Bächle, Basel