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"Das ist meeega-erfrischend": Journalismus-Praktikantin Xenia Keller
"Das Praktikum war extrem inspirierend und ich gewann viele Erkenntnisse"
Die Basler Studentin Xenia Keller über ihre Zeit als Journalismus-Praktikantin bei OnlineReports.ch
Von Peter Knechtli
Xenia Keller (22), Studentin der Geschichte und der Medienwissenschaften, hat soeben ihr zweimonatiges Praktikum bei OnlineReports abgeschlossen. Im Interview mit Peter Knechtli spricht sie über ihre Erfahrungen, ihre Highlights und ihre anfänglichen "Beiss-Hemmungen".
Peter Knechtli: Xenia, zwei Monate Praktikum bei OnlineReports - einen Schritt weiter?
Xenia Keller: Mehrere Schritte!
Knechtli: Nicht schleimen jetzt!
Keller: Ich habe hier ein halbes Notizbuch im Format A4 mit journalistischem Basiswissen, Erkenntnissen und professionellen Regeln gefüllt. Ich habe in Basel schon mehrere Praktika absolviert. Aber nirgends bekam ich ein so volles Köfferchen an journalistischem Handwerk und Werkzeugen geliefert wie von OnlineReports. Ich habe aber auch Basel völlig neu kennen gelernt ebenso wie die Weisheit, dass Journalismus eine Lebenshaltung ist. Das hätte ich nie erwartet. Mir gingen definitiv jeden Tag die Augen auf – und das mehrmals. Das Praktikum war extrem inspirierend und und ich gewann viele neue Erkenntnisse.
Knechtli: Und dies trotz den Manuskripten, die nach dem Redigieren feuerrot waren?
Keller: Das störte mich gar nicht. Du hast mich als Praktikantin perfekt angepackt. Ich hatte nie den Eindruck, etwas falsch gemacht zu haben. Die Kritik war immer konstruktiv und konnte viel aus ihr lernen. Du hast Dir für die Betreuung auch immer extrem viel Zeit genommen.
"News sind die Königsdisziplin
im Journalismus."
Knechtli: Das gehört dazu, sonst lässt man es besser sein. Was bereitete Dir am meisten Mühe?
Keller: News sind die Königsdisziplin im Journalismus. Am schwierigsten ist es, aktuelle Nachrichten unter Zeitdruck kurz und knapp zu schreiben und dennoch inhaltlich korrekt zu bleiben. Das gilt für die politischen News wie für die Kurznachrichten über das tägliche Geschehen.
Knechtli: Hast Du ein Beispiel dafür?
Keller: Ein Fall handelte von einer kleinen Story über ein Meerschweinchen, das im "Robidog"-Kasten ausgesetzt wurde. Es ging hier darum, die Geschichte in der nötigen Kürze journalistisch und formal auf korrekte Art darzustellen, ohne sich über den Vorfall in irgend einer Weise lustig zu machen.
Knechtli: Wie hast Du den Besuch von Medienanlässen erlebt, über die aktuell berichtet werden musste?
Keller: Die Anlässe – beipsielsweise jene über Grenzsteinversetzung in Riehen oder der Baumrundgang durch Basel – waren spannend. Mir wurde bewusst, welcher Aufwand und welche Organisation hinter dem Selbstverständlichen stecken. Was micht aber stresste, war der Anspruch, den Artikel jeweils innerhalb von zwei bis drei Stunden, sicher noch am selben Tag, pfannenfertig vorzulegen.
"Ich war so etwas wie
die junge Beobachterin von OnlineReports."
Knechtli: Hat Dir das schlaflose Nächte bereitet?
Keller: Schlaflose Nächte bereiteten mir meine nächtlichen Streifzüge ...
Knechtli: ... als journalistische Recherchen getarnt ...
Keller: ... durch die Stadt - beispielsweise auf dem nt-Areal oder am Jugendkulturfestival, wo ich so etwas wie die junge Beobachterin von OnlineReports war.
Knechtli: Nur: Wo blieb die Story?
Keller: Die kommt noch.
Knechtli: Aber in wenigen Tagen fliegst Du doch nach Madrid, wo Du zwei Semester Deines Geschichts-Studiums fortsetzen wirst.
Keller: Auch in Madrid gibt es Internet-Anschluss. Ich hoffe zumindest, ich bringe die Geschichte in Spanien zustande.
Knechtli: Du hast in den letzten Tagen auch mitgekriegt, dass Journalismus kein 9 to 5-Job ist, sondern faktisch 24-Stunden-Einsatz mit Schafunterbrüchen erfordert. Hat Dir das nicht Mühe bereitet?
Keller: Nein. Es gehört einfach dazu. Noch leichter sind Einsätze ausserhalb der Tagesarbeit, wenn man die Begeisterung und die Leidenschaft am Journalismus spürt. Man nimmt bei OnlineReports – im Gegensatz zum neuen Fast food-Journalismus, der leider keine Zeit und kein Geld in längere Recherchen investiert – wahr, dass noch Prinzipien, eine klare handwerkliche Vorstellung und Haltung gegenüber Interviewten und Auskunftspersonen herrschen. Obschon das Budget beschränkt ist, unternimmt OnlineReports Recherchen und trotzt dem Trend, möglichst schnell und möglichst günstig zu produzieren. Das scheint mir nur nöglich, weil OnlineReports unabhängig ist und das ist meeega-erfrischend.
Knechtli: Danke für die Blumen. Mir treibts die Röte ins Gesicht. Welche Art der Recherchen lag Dir am ehesten?
Keller: Reportagen packten mich am meisten. Raus aus dem Büro, hinein ins reale Leben der Bevölkerung.
"Im Hula-Club begegnete ich
Lebensfreude pur."
Knechtli: Du hast den seit Jahrzehnten bestehenden, aber weitgehend unbekannten "Hula-Club" im Kleinbasel journalistisch richtiggehend ausgegraben und mit einem guten Text ans Licht gebracht - das war eine ausgezeichnete Leistung.
Keller: Schleime jetzt nicht! Ich fand sauschön, dass ich den einsatzfreudigen Club-Betreibern, aber auch den Leserinnen und Lesern, die dieses aussergewöhliche Angebot nicht kannten, eine Freude machte. Mich faszinierte, wie ältere Leute noch lebensfreudig sind und mit grossem Engagement die Hawaii-Musik pflegen. Ich begegnete Lebensfreude pur. Ich konnte die Lebensfreude nach aussen tragen und spürte dabei, dass diese Art Journalismus Sinn macht.
Knechtli: Bei Telefon-Recherchen hatte ich den Eindruck, dass Du Dich anfänglich nicht immer wohl fühltest.
Keller: Erstens hatte ich Hemmungen, am Telefon selbstsicher aufzutreten, obschon ich im Journalismus nicht sattelfest war. Ebenso hatte ich Mühe mit Leuten, die mich anschnauzten oder die nur widerwillig Auskünfte geben wollten. Da musste ich lernen, professionelle Distanz zu halten und das alles nicht persönlich zu nehmen.
Knechtli: Und nun: Immer noch das Zittern beim Griff zum Telefonhörer?
Keller: Nein. Ich habe die falsche Scham vor dem vielen Fragen und Nachfragen abgelegt und gemerkt, dass meine Auskunftspersonen alle auch nur mit Wasser kochen. Ebenso wurde mir bewusst, dass es nicht immer nur an mir liegt, wenn ich etwas nicht verstehe, und dass ich stellvertretend für unsere Leserinnen und Leser frage.
Knechtli: Gab es einen Moment, an dem Du den Bettel am iebsten hingeschmissen hättest?
Keller: Als ich schon am zweiten Tag einen längeren Beitrag schreiben musste, dachte ich: Oh Mist, kann ich das überhaupt? Da beschlichen mich leichte Selbstzweifel.
Knechtli: Du wurdest ja auch gleich ins kalte Wasser geworfen.
Keller: Das war rückblickend gut. Denn dies spornte mich erst recht an, daraus zu lernen und es das nächste Mal besser zu machen.
"Die Berichterstattung im Tagesjournalismus
wird zu wenig tief recherchiert."
Knechtli: Frage an die Studentin der Medienwissenschaften: Wie hat sich während des Praktikums Deine Einschätzung der Schweizer Medienszene verändert?
Keller: Was ich nur vermutete, bestärkte sich: Dass die Berichterstattung im Tagesjournalismus zu wenig tief recherchiert wird. Die Devise scheint zu sein: Schnell produzieren und gut vermarkten. An erster Stelle steht nicht die objektive und umfassende Information, Analyse oder Kommentierung der Geschehnisse. Vielmehr wird unter dem Einfluss der Pendlerzeitungen alles immer oberflächlicher.
Knechtli: Welche beruflichen Pläne hast Du?
Keller: Erst will ich den Bachelor machen ...
Knechtli: ... und dann Journalistin werden?
Keller: Wenn Journalismus den begeisternden Groove von OnlineReports hat, dann kann ich mir das sehr gut vorstellen.
Knechtli: Wie auch immer. Wir wünschen Dir den richtigen Entscheid.
6. September 2009
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