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"Eine klare Botschaft": Politiker Gass (Mitte), Basler Juristen*
Gass probt Staatsschutz-Hosenlupf mit Ueli Maurer
Ohne die Zustimmung des Bundes will Basler Regierung Aufsicht über kantonalen Staatsschutz einsetzen
Von Peter Knechtli
Brisanter Entscheid der Basler Regierung: Gegen die Auffassung des Bundes will sie eine kantonale Aufsicht über die Aktivitäten des Staatsschutzes schaffen. Dies beschloss heute Dienstagmorgen die Regierung durch die Zustimmung zur kantonalen Staatsschutz-Verordnung.
Heute Dienstagmorgen kam es in der Basler Regierung zu einem Mut-Anfall: Die Exekutive beschloss, den im Auftrag des Bundes durch die so genannte "Fachgruppe 9" betriebenen kantonalen Staatsschutz auch ohne Zustimmung des Bundes einer unabhängigen Aufsicht zu unterstellen. Diese Aufsicht ist zentraler Punkt einer "kantonalen Staatsschutz-Verordnung"**, die die Regierung heute Dienstag verabschiedete. Justiz- und Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass und Mitglieder der vorbereitenden Arbeitsgruppe begründeten am Nachmittag an einer Medienkonferenz, weshalb die Regierung, beraten von Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel, gegenüber "Bern" vollendete Tatsachen schuf.
Ein besonderes Aufsichts-Konstrukt
Kernstück der Verordnung ist das Konstrukt einer Aufsicht, die nicht mit dem "Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit" (BWIS) in Konflikt kommt. Die Verordnung sieht die Wahl eines Dreier-Gremiums durch die Regierung vor, das organisatorisch innerhalb des kantonalen Staatsschutzes angesiedelt ist, aber nicht Teil des operativen Staatsschutzes ist, sondern ausschliesslich Aufsichtsfunktionen ausübt.
Wie Gass auf eine OnlineReports-Frage ausführte, wurden die drei Personen weder gewählt noch ins Auge gefasst. Die Regierung denke aber an drei unabhängige Persönlichkeiten, die das öffentliche Vertrauen geniessen und über die nötige "fachliche Qualifikation" (Verordnungstext) verfügen – etwa ein ehemaliger Gerichtspräsident oder ein Staatsrechtler. Sie dürfen aber weder dem Kantonsparlament oder der Regierung noch einer richterlichen Behörde oder einer auskunftspflichtigen Behörde angehören.
Eine Aufsicht mit Weisungsrecht
Das Aufsichts-Gremium soll "ungehinderten Zugang" zu allen Staatsschutzdaten haben und zur Geheimhaltung verpflichtet werden. Es soll die Rechtmässigkeit der "Fachgruppe 9"-Tätigkeit und die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen überprüfen. Seine Befugnisse sind weit gehend: So kann die Aufsicht von den kantonalen Geheimdienstlern bis zum Leitenden Staatsanwalt – derzeit Beat Voser, Chef des Kriminalkommissariats – Auskunft verlangen und die Arbeit der "Fachgruppe 9" stichprobenartig überprüfen dürfen. Sofern auf dem Beratungsweg keine Einigung erzielt wird, kann die Aufsicht bei Einstimmigkeit "Anordnungen" gegenüber der Fachgruppe erlassen.
Die Aufsichtskommission wird von Kanton nicht angestellt im klassischen Sinn, sondern arbeitet im Auftragsverhältnis. Sie wird nach den Weisungen über die Ausrichtung von Sitzungsgeldern entschädigt. Gass und sein Berater Schefer betonten, dass die Aufseher ihre Wahrnehmungen zum operativen Geschäft aus Gründen der Geheimnispflicht nicht öffentlich machen dürfen. Hingegen sollen sie jährlich einen eher statistischen Bericht über ihre "Tätigkeit und Feststellungen" an Regierung und Grossen Rat abliefern.
Verodnung noch nicht in Kraft gesetzt
Die soeben beschlossene Verordnung soll zwar publiziert, aber erst dann in Kraft gesetzt werden, wenn das Plazet der Bundesbehörden vorliegt. Das Paragrafenwerk liegt derzeit "zur Kontrolle" (Schefer) beim Bundesamt für Justiz. Insofern sei, so Schefer weiter, "noch offen, ob die Verordnung so in Kraft treten kann". Datenschützer Beat Rudin ergänzte, das Basler Aufsichtskonzept sei "besser als nichts" und "das Maximum dessen, was man herausholen konnte".
Dass die Regierung die Verordnung über die Staatsschutz-Aufsicht derart zügig erliess, ohne die Zustimmung von Verteidigungsminister Ueli Maurer abzuwarten, erstaunt nur auf den ersten Blick. Denn sowohl die mehrheitlich links-grüne Regierung wie auch der freisinnige Justizdirektor haben ein Interesse daran, mit der Kontrolle des Staatsschutzes nun endlich vorwärts zu machen – wenn nicht auf Bundes- so doch immerhin auf kantonaler Ebene.
Das Geschäft Aufsicht für Stellen
Zum Einen kam der kantonale Staatsschutz in jüngerer Zeit heftig unter Beschuss, als die neuerliche Fichierung unbescholtener links-grüner Mitglieder des Grossen Rates ruchbar wurde. Zum Andern möchten Regierung und Staatsschutz die vom Parlament beschlossene Budgetkürzung – direkte Folge der Fichierung – bei der "Fachgruppe 9" um zwei Stellen rückgängig machen. Daran hat insbesondere Regierungsrat Gass ein vitales Interesse – Grund genug für ihn, sein Versprechen, den kantonalen Staatsschutz künftig seriös zu beaufsichtigen, zügig in die Tat umzusetzen, um so die beiden Geheimdienst-Stellen zu retten. Gass bestätigte an der Medienkonferenz, dass "das Eine mit dem Andern zu tun hat".
Im Interesse, den Grossen Rat gnädig zu stimmen, griff die Regierung nun zu einem in der Tat unkonventionellen Vorgehen. Ihr scheint regelrecht der Kragen über das Vorgehen der Bundesbehörden geplatzt zu sein.
Denn bereits vor den Sommerferien lag der Verordnungsentwurf der Arbeitsgruppe vor. Verteidigungsminister Ueli Maurer, der zum Basler Aufsichts-Modell offenbar unterschiedliche Signale aussandte, liess sich nach Meinung der Regierung mit der Prüfung aber zu viel Zeit. Laut seinem letztem Schreiben sei ein Entscheid auf Ende September in Aussicht gestellt worden. Auf diesen "Papierkrieg" (Gass) wollte sich die Basler Regierung nicht länger einlassen und beschloss die Verordnung ohne Maurers Zustimmung. Gass: "Wir wollen damit ein klares Zeichen setzen, dass es uns mit der Aufsicht über den Staatsschutz ernst ist."
Der Weckruf aus Basel
Somit ist der Erlass der Verordnung vorerst als "klares Zeichen" und nicht als gültiges Recht zu verstehen. Falls sich aufgrund der Prüfung des Bundes nur "kleinere Änderungen" aufgrängen, könne die Regierung die Verordnung anpassen. Komme es aber zu "grossen Änderungen", meinte Professor Schefer, "dann haben wir ein Problem". Dass die Verordnung so etwas wie einen Weckruf bedeutet, die Aufsichtslücke beim Staatsschutz nun zügig auf Bundesebene zu lösen, machte sich aus zwei Äusserungen deutlich: Staatsrechtler Schefer bezeichnete das jetzt gewählte "Basler Modell" als "gute Notlösung", der Leitende Staatsanwalt Beat Voser sprach von einem "internen-externen" Aufsichts-Ansatz.
Gast-Kommentar von Tanja Soland
* von links: Beat Rudin, Beat Voser, Hanspeter Gass, Markus Schefer, Davide Donati
**offiziell: "Verordnung über den Vollzug des Bundesgesetzes zur Wahrung der inneren Sicherheit"
8. September 2009
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