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"Stadt als Solarkraftwerk": Energiewende-Strategen Hofer, Brutschin
Stadtdächer sollen Basel zum "Solarkraftwerk" machen
Bis in zwei Jahren soll in Basel ein Prozent des Stromverbrauchs aus Solar-Dachkraftwerken beigesteuert werden
Von Marc Gusewski
Anders als in der übrigen Schweiz, in der die Solarförderung harzt, stellt Basel-Stadt zahlreiche Fördermittel zur Verfügung. "Um die erneuerbaren Energien zu fördern", so Regierungsrat Christoph Brutschin heute an einer Medienkonferenz, stellt der Kanton als erster ein im Internet frei zugängliches Solarkataster zur Verfügung. Es zeigt, welche Dächer sich zur Stromgewinnung eignen.
Basel-Stadt wird wieder energetisch aktiv: "Es gab Volksabstimmungen, Gesetze, Verfassungsinitiativen, uns auf diesen Weg zu bringen. Nun müssen wir unseren Teil dazu beitragen, dass sich Rhythmus und Frequenz für die Energiewende erhöhen." Mit diesen Worten präsentierte heute Montagmorgen Umweltminister Christoph Brutschin den erstmals im Internet zugänglichen Basler Solarkataster. Er gibt Auskunft über die Eignung aller Dächer des Kantons für Solarstrom und Solarwärme. Mit praktisch einem Mausklick wird also klar, ob das eigene Dach über dem Kopf zur Solarstrom-Produktion taugt. Gefördert wird die Aktion aus dem Basler Energie-Förderfonds.
Solarstrom soll ein Prozent des Verbrauchs decken
"Es läuft ganz gut, wir sind aber noch nicht zufrieden", begründete Jürg Hofer, Leiter des Basler Amts für Umwelt und Energie (AUE), die Lancierung der neusten Aktion, den Kanton zum "Solarkraftwerk" zu verwandeln. Dafür startet das Amt ab sofort ein Solarprogramm, mit dem Basel bis in zwei Jahren ein Prozent seines Stromverbrauchs aus Solarstrom decken will. Aus den rund 50'000 Quadratmetern Solarpanels des "Solarkraftwerks Basel" könnte Strom für 1'400 Haushalte erzeugt werden.
Mehr noch, wurde errechnet: Wenn nur 15 Prozent der geeigneten Flächen genutzt würden, könnten damit fünf Prozent des Basler Stromverbrauchs abgedeckt werden – mit zahlreichen Vorteilen für die Umwelt und das Energiesystem, kalkulierte das AUE.
Angesprochen werden vor allem Hauseigentümer, deren Dachflächen ungenutzt sind. "Und davon gibt es viel zu viele", sagte Hofer. Zu Jahresbeginn werden deshalb Liegenschaftseigentümer mit den für die Solarenergie interessantesten Dächern angeschrieben und auf die laufende Aktion hingewiesen. Hofer: "Davon versprechen wir uns mehr Schwung bei der Solarstrom-Erzeugung."
Solaranlagen nur auf sanierten Dächern
"Wir haben das Ziel, die erneuerbaren Energien zu fördern", sagte Regierungsrat Brutschin. "Wir wollen uns zur 2000-Watt-Gesellschaft entwickeln. Dafür haben wir Förderprogramme und Förderanreize." Für die ersten hundert Interessenten lacht auch ein Beitrag von 1'000 Franken als Pauschalzuschuss. Insgesamt unterstützt der Kanton in den nächsten zwei Jahren energetische Sanierungen von Hausdächern mit 80 Franken pro Quadratmeter. Das ist doppelt so viel wie es sonst in der Schweiz an Zuschüssen für Dachsanierungen gibt.
Brutschin rechnete vor: "Mit steuerlichen Möglichkeiten trägt der Eigentümer jetzt ungefähr die Hälfte der Renovation selbst." Jürg Hofer schränkte dabei ein: "Solarstromanlagen sollen nur auf energietechnisch sanierte Dächer gestellt werden, alles andere macht wenig Sinn."
Wer sein Dach im Hinblick auf eine Solarstromanlage saniert, kann jetzt in Basel mit guten Förderbedingungen rechnen. Dazu gibt es in der Stadt die Solarstrombörse, die gesetzlich verpflichtet ist, die Energie von Solarstromlieferanten kostendeckend abzunehmen. Derweil stehen in der übrigen Schweiz Tausende potentieller Anschlusswilliger an, weil die Bundesmittel bereits ausgeschöpft sind. Eine Ausnahme bildet die Elektra Birseck, die seit Herbst allen Solarstrom-Lieferanten eine kostendeckende Abnahme garantiert.
Solarstrombörse: Schleppender Verlauf
Grund dafür, in Basel die Solarstrom-Produktion anzukurbeln, ist der bisher eher schleppende Geschäftsverlauf der Solarstrombörse. In den letzten Jahren wurden die verfügbaren Mittel nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft. Ganz anders also als in den übrigen Landesteilen, wo die Solarstromförderung überrannt wird, zögern die Städter – wenn auch auf vergleichsweise hohem Niveau.
Für Reto Mohr vom Basler Stromversorger IWB könnte einer der Gründe für den zögerlichen Solarstrom-Zubau sein, dass "es bei einer Dachanlage in der Stadt schnell zu einer komplizierten Angelegenheit werden kann". Das soll nun geändert werden. Mohr: "Neu stellen wir bauwilligen Interessenten eine Fachbegleitung für den Sanierungsprozess bis und mit Errichtung Solarstromanlage zur Seite. Wir hoffen damit die zahlreichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit so einem Projekt beantworten zu können."
Sichere Anlage – komplexe Bauvorhaben
"Wenn Sie eine sichere und gewinnbringende Geldanlage suchen, dann gibt es eigentlich nichts Besseres als eine Solarstromanlage in Basel", sagte Mohr. Bei geschätzten Investitionskosten von 25'000 Franken für ein Reiheneinfamilienhaus-Dächlein hat sich unter heutigen Annahmen die Anlage in 13 Jahren bereits bezahlt gemacht, indem der Solarstrom der Solarbörse kostendeckend verkauft wird. Nach 25 Jahren Betriebsdauer würden unter dem Strich schätzungsweise 25'000 Franken Ertrag herausspringen. "Wo finden sie das noch?", fragte Mohr rhetorisch.
Wenn man nach Gründen für den schleppenden Solarstromzubau sucht, dann liegt das wohl an den komplexen Bauabläufen eines solchen Unterfangens – die IWB mit ihrer Energieberatung wollen jetzt nachhelfen –, sowie daran, dass der Bauwillige zu Anfang viel Geld in die Hand nehmen muss. Zwar helfen dabei die Banken, bis zu 80 Prozent der Projektkosten zu finanzieren, wusste Marco Rall von der in Wallisellen niedergelassenen "Windgate". Diese Firma wird in den nächsten Wochen die grösste Solarstromanlage Basels im Kleinhüninger Rheinhafen in Betrieb nehmen. Die grösste Anlage der Nordwestschweiz findet man seit diesem Herbst in Oberwil auf dem Dach der BLT.
Rall: "Das Geld war eigentlich gar nicht so das Problem. Innert 14 Tagen hatten wir eine finanzielle Trägerschaft auf die Beine gestellt. Beim Bau einer Solaranlage und bei den Dächern gibt es viele Einzelheiten zu berücksichtigen, die Zeit und Vorbereitung erfordern." So begann die Planung der Rhenus-Anlage bereits im Jahr 2009. Mit 12'000 Quadratmetern Dachfläche und einer Produktion von einer Million Kilowattstunden würde sie bereits einen Fünftel des jetzt vorgestellten Programmes für sich beanspruchen, aber dafür kam das aktuelle Programm zu spät. Rall ist dennoch zuversichtlich: "Hoffentlich finden sich möglichst viele neue Hausbesitzer, die sich von der Idee eines Solarkraftwerks elektrisieren lassen."
Hier direkt zum Solarkataster
12. Dezember 2011
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