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"Zielstrebig in Text und Bildauswahl": Schlagzeilen der "Basler Zeitung"
Den schärfsten Wahlkampf betreibt die "Basler Zeitung"
Publizistischer Einfluss durch Schlagzeilen mit Schlagseiten: Lob für Bürgerliche, Prügel für Rot-Grün
Von Peter Knechtli
In knapp drei Wochen bestimmt Basel-Stadt Regierung und Parlament neu. Unter allen Akteuren betreibt die "Basler Zeitung" den schärfsten Wahlkampf. Für sie geht um mehr als für die streitenden Parteien: Die Wahl ist ein Hinweis darauf, ob ihr Einfluss noch entscheidende Wirkung auf die politischen Kräfteverhältnisse hat.
Bei diesen Wahlen geht es nicht nur um die Frage, ob Rot-Grün nach zwölf Jahren in der Regierung die Mehrheit verliert und im Grossen Rat die Mehrheit gewinnt. Aus medienpolitischer Sicht wird die Wahl auch einen Hinweis zum Einfluss der "Basler Zeitung" auf Verhalten und Mobilisierung der Basler Wählerinnen und Wähler liefern.
Zwar lässt sich dieser Einfluss ohne detaillierte wissenschaftliche Befragungen nicht bestimmen, aber in der entscheidenden Frage wird das Ergebnis keine Zweifel offen lassen: Bleibt die Basler Regierung mehrheitlich rot-grün?
Schreckschuss für die "Angsthasen"
Gewinnt die bürgerliche Allianz von SVP, FDP, LDP und CVP, dann dürfte in der Redaktionszentrale am Aeschenplatz die Champagnerkorken statt die Schlagzeilen knallen. Bleibt es aber bei der rot-grünen Mehrheit, dann dürfte unter den Kommentatoren Tristesse einkehren: Es hat alles nichts genützt.
Den markanten Eingriff in das Geschehen unternahm Chefredaktor Markus Somm Ende August, als er – klar auf die bürgerlichen Herausforderer-Parteien gemünzt – einen "Wahlkampf der Angsthasen" diagnostizierte. "So wird nichts", schrieb er ihnen ins Stammbuch. Nur drei Tage später liess er die scheinbar aktivierende Wirkung seines Schlachtrufs mit der Botschaft bestätigen: "Basler Wahlkampf ist voll entbrannt."
Blocher will SVP in der Regierung
Für Somm steht nicht wenig auf dem Spiel: Der Historiker ist in Basel mit dem Anspruch angetreten, um die politischen Mehrheits-Verhältnisse zu kippen und damit die SVP in Basel erstmals regierungsfähig zu machen. Christoph Blocher, der das finanzielle Risiko des immer noch führenden Mediums der Region trägt, dürfte allmählich ungeduldig werden und "Ergebnisse" sehen wollen. Ihm wird es erst in zweiter Linie um die bürgerliche Mehrheit gehen. Als entscheidend dürfte er vielmehr den Einzug der SVP in eine weitere Kantonsregierung erachten.
Bei den Nationalratswahlen vor einem Jahr war Somms Rechnung nicht aufgegangen. Entgegen dem landesweiten Trend machte Basel-Stadt beim "Comeback der bürgerlichen Schweiz" nicht mit, sondern wählte die gegenteilige Richtung: Die CVP verlor ihren Sitz von Markus Lehmann, während das "Grüne Bündnis" mit der linken "Basta"-Politikerin Sibel Arslan einen Mandatsgewinn buchte.
Eine Dokumentation des "Versagens"
Am Wochenende vom 23. Oktober bietet sich dem BaZ-Chef nun die zweite Chance, mit zu den Siegern zu zählen. Seit dem "Angsthasen"-Leitartikel arbeitet die Redaktion nun zielstrebig auf die Wende hin. Zwar dürfen immer wieder auch rot-grüne Regierungs-Bewerbende ihren Standpunkt vertreten – aber immer nur reaktiv auf zuvor an sie adressierte Vorwürfe.
Die redaktionellen Beiträge verfolgen in Text und Bildauswahl sichtlich wahrnehmbar das Ziel, "Das Versagen von Rot-Grün" (Kommentar-Titel) in einem Mass zu untermauern, dass selbst linke Funktionsträger, die sich sonst in der BaZ nicht mehr äusserten, in die Leserbrief-Tasten griffen. Von "Wie geschickt man vom Wesentlichen ablenkt" über "Schlechte Noten für Wirtschaftspolitik" bis "Die Linke ist nervös" hagelte es Negativ-Schlagzeilen für die Herrschenden.
Zweiter Wirkungs-Test für die BaZ
So sehr das Wahlkampf-Engagement der BaZ auch System hat, so merkwürdig mäandernde Wege nimmt es zuweilen. Sah ein Frontseiten-Aufmacher am 10. September noch schwärmerisch die "bürgerliche Wende in Griffnähe", war die grüne Mehrheitsbeschafferin Elisabeth Ackermann nur zwanzig Tage später "so gut wie gewählt" (Schlagzeile). Die "Basler Zeitung" war zur Einsicht gelangt: "Das zweifelhafte Basler Wahlsystem bevorzugt die Kandidatin der Grünen" (Untertitel). Das klingt schon wie eine Voraus-Erklärung für den Fall, dass nach den Wahlen alles beim alten bleiben sollte.
Der 23. Oktober wird somit auch zum zweiten grossen Wirkungs-Test für die "Basler Zeitung": Dann zeigt sich, ob es ihr gelungen sein wird, das bürgerliche Quartett durch- und die linke Mehrheit wegzuschreiben.
4. Oktober 2016
Weiterführende Links:
"Das sollten wir nicht hinnehmen"
Ich habe längere Zeit in England gelebt und wollte mich als politisch interessierter Mensch mit dem hiesigen Politgeschehen auseinander setzten. Auch nach mehreren Monaten fiel mir das sehr schwer, da dort die Printmedien extrem partei- und geldgeberbeeinflusst sind. Das hat mir schliesslich das Interesse komplett verdorben.
Insofern sollten wir alle an einer von der Öffentlichkeit getragenen Politik Interessierten es nicht hinnehmen, was die BaZ und gewisse bürgerliche Parteien aktuell veranstalten. Das Interesse einer breiten Bevölkerung für Politik ist so schon schwierig genug zu wecken.
Noch zwei Bemerkungen zu Herrn Islers Beitrag:
1. Wer der Ansicht ist, es habe zu viele oder erdrückende Gesetzte in Basel-Stadt, muss sich auch an die Bürgerlichen wenden. Sie haben seit vielen Jahren die Mehrheit im Grossen Rat, wo Gesetze beschlossen werden.
2. Unter der rot-grünen Regierung ist die Steuerlast um mehrere hundert Millionen gesunken, wie die Antwort auf meine im Grossen Rat eingereichte schriftliche Anfrage zeigt. Dies vor allem bei den für den Mittelstand wichtigen Einkommenssteuern.
Raphaël Fuhrer, Grossrat Grüne, Basel
"Karren an die Wand gefahren"
Lieber Herr Augustin, sorgen sie lieber dafür, dass die notabene bürgerliche Baselbieter Regierung soweit kommt wie die Basler Linken. Eine jahrzehntelange bürgerliche Regierung in Baselland hat es fertig gebracht, den finanziellen Karren an die Wand zu fahren.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Blocher hofft auf Rechtsdrall"
Also ich sehe das BaZ-ige Wahlgebahren positiv im Sinne der Transparenz. Wenn frau sich an die Versteck- und Ränkespiele bei der Übernahme der BaZ anno 2010 erinnert, als Blocher den Herren Tettamanti und Suter das nötige Kleingeld zum Kauf des Basler Presse-Flaggschiffs heimlich in die Hosentasche steckte, herrschen ja mittlerweile total offene Verhältnisse. Die BaZ steht unumwunden zu ihrer Rolle als bürgerliches Kampfblatt, das der SVP-Agenda zum Sieg verhelfen soll.
Wie Peter Knechtli richtig bemerkt, hofft der Herrliberger Strippenzieher immer noch auf einen Rechtsdrall in Basel mit Hilfe eines aus dem Züribiet importierten Statthalters. Doch wie gesagt: Zumindest schenkt der BaZ-Somm-elier dem Stimmvolk nun glasklaren Wein ein. Ein Hoch auf die unverhohlene Demagogie! Ich bin gespannt, ob das Basler Stimmvolk diese Cuvée schluckt.
Esther Murbach, Basel
"Das wäre sicher kein Sieg der SVP"
Was Hr. Blocher will, ist mir eigentlich völlig egal. Auch wenn die BaZ bei einem "Sieg" der Bürgerlichen das auf ihre Fahne schreibt, ist das sicher nicht ein Sieg der SVP, sondern eher eine klare Meinung gegen die ewig Grün-Rote Regierung welche am liebsten alle gleichschalten wollen und den Mittelstand schröpfen.
Wichtig ist doch einfach, dass wir eine Stadtregierung haben die mit der Regulierungswut aufhört und auch einmal unsinnige alte Vorschriften und Gesetzte ausser Kraft setzt, die mit Augenmass regiert und Basel Leben lässt.
Peter Isler, Basel
"In einer anderen Galaxie lebend"
Herr A. A., in Gältrchinde zwar nur 28 Minuten ÖV weit weg, und doch in einer anderen Galaxie lebend, in Basel nicht stimm- aber offenbar sorgenberechtigt, macht sich so seine Gedanken über den politischen und wirtschaftlichen Niedergang des Stadtkantons, welcher 1833 von weisen Vorfahren grossherzig einem finalen Schicksal überlassen wurde.
A.A. vegetiert im wärmenden Strahl des ausschliesslich bürgerlich generierten, souverän kontrollierten und voll autonomen Baselbieter Wohlstands, und kann sich doch eines mitleidigen Seitenblicks in den verwilderten Garten des bedürftigen Nachbarn nicht entziehen.
Was will ich Auslandschweizer, 55 Minuten Flugzeit von Basel entfernt wohnhaft, dieser unverlangten Empathie entgegensetzen? Viel.
Erstens zahle ich als Zweitwohnungsbesitzer in Basel sogar Steuern. (Ha!) Zweitens finde ich, der Laden hier wird ziemlich gut geführt. (Jawoll!) Drittens teile ich dem Herrn A.A. darum ganz bodenständig mit: "Nichtspieler: Maul halten!"
(Falls unklar: in Gelterkinden gibt es Leute, die jassen können und den simplen Zusammenhang erläutern.)
Urs Eberhardt, Antibes/Basel
"Wirkungsmacht der BaZ überschätzt"
Ich denke, Sie überschätzen die Wirkungsmacht der BaZ und von Herrn Somm und unterschätzen das selbstständige Denken der Wählenden, egal ob eher links oder eher rechts gerichtet. Zudem hat die BaZ auch nicht davor zurückgeschreckt, bürgerliche RR-Kandidaten kritisch anzupacken. Und dann sind ja auch noch die TagesWoche und die BZ Basel sowie das rote Echo vom Bruderholz als eher der Linken nahe stehende Gegengewichte vorhanden.
Dass die links-grüne Politik der letzten Jahre nicht über alle Zweifel erhaben ist, müsste ja hinlänglich allen bekannt sein, welche die Augen und Ohren etwas offen halten (und die nicht nur RTL II, TeleBasel und 20minuten konsumieren). Das aktuelle Ersatzangebot von Grünen, Basta und GLP für den Regierungsrat ist meines Erachtens kein Reisser. Wieso also – trotz "böser, böser, böser" BaZ – nicht den bürgerlichen Wechsel wagen? Es wäre zum Vorteil von uns allen.
Edwin Tschopp, Basel
"Neutralität wäre gefragt"
Und da fragt man sich noch, warum doch einige die BaZ nicht mehr lesen! Neutralität wäre gefragt.
Theres Erni, Mulegns
"Linke Geldverteiler"
Als parteiloser aber bürgerlich ausgerichteter Zeitgenosse möchte ich "Basel-Stadt" eine bürgerliche Mehrheit gönnen, schlechter würde es Basel wohl nicht gehen, bezweifle jedoch ob das im "roten" Basel überhaupt möglich ist.
Aller Voraussicht nach bleibt alles beim alten und vermutlich wird sich "alles was links ist" am 23. Oktober an die Urnen begeben, schon alleine diejenigen die mit den grosszügigen Sozialleistungen (vermutlich die höchsten schweizweit ?) leben, werden "den linken Geldverteilern" die Stange halten.
Und apropos Wahl von Frau Sibel Arslan, wer die Dame mit ihrem Statement unlängst in der "Tagesschau" gesehen hat, wird mir zustimmen, es gibt vermutlich klügere Politikerinnen in der Schweiz. Und damit meine Zeilen nicht missverstanden werden: Echte Flüchtlinge, Behinderte und "überprüft" arme Menschen sollen zurecht durch die öffentliche Hand grosszügige Unterstützung erfahren!
Albert Augustin, Gelterkinden