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"Nichts beizufügen": BVB-Arbeitsgerät Strassenbahn
Bundesgericht watscht BVB zum zweiten Mal innert kürzester Zeit ab
Nach 16 Monaten Krankheit können die Basler Verkehrs-Betriebe einen Mitarbeiter nicht automatisch vor die Türe stellen
Von Fabian Schwarzenbach
Die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) sind mit ihrer knallharten Personalpolitik gescheitert. Nach dem kürzlichen Richterspruch zugunsten eines Schlossers hat das Bundesgericht jetzt auch den Angriff auf einen Wagenführer abgeschmettert. Damit ist der BVB-Versuch, das Personalgesetz kompromisslos zugunsten der Arbeitgeberin auszulegen, misslungen.
Die BVB hatten Drämmler Fridolin Wagner (Name gändert) Ende September 2014 mitgeteilt, dass er nicht mehr zur Arbeit erscheinen müsse. Der ÖV-Betrieb begründete dies mit dem Paragrafen 34 des basel-städtischen Personalgesetzes und legte ihn so aus: Nach 16 Monaten Krankheit laufe das Arbeitsverhältnis automatisch aus. Falsch, wie sich jetzt zeigt: Die kantonalen und auch die eidgenössischen Richter widersprechen dem und halten fest, dass die BVB ordentlich hätten kündigen müssen.
Wagner war krank, allerdings stand er kurzzeitig wieder als Arbeitskraft zur Verfügung, jedoch nicht als Wagenführer, weil er die Fahrberechtigung zwischenzeitlich verloren hatte. Weiter erhielt der Drämmler zwar eine Invalidenrente, aber diese bereits aufgrund eines Arbeitsunfalles mehrere Jahre zuvor. Wagner rekurrierte erfolglos beim Verwaltungsrat der BVB, der die harte Tour seiner Geschäftsleitung vollumfänglich stützte. Vor Verwaltungsgericht obsiegte Wagner allerdings deutlich.
Sehr deutliche Bundesrichter
Doch die BVB gingen auf tutti, zogen vor Bundesgericht – und haben ihren Einsatz nun verloren: Das Bundesgericht stützte die Erwägungen der höchsten kantonalen Richter sehr deutlich. Teils nur durch den unmissverständlichen Zusatz: "Dem hat das Bundesgericht nichts beizufügen."
Die wesentlichen Argumente der BVB, dass das Appellationsgericht gegen den "Grundsatz der Gewaltenteilung und des Gesetzbindungsgebotes" (salopp formuliert: Man hält sich ans Gesetz) verstossen haben soll, stiessen ins Leere. Auch der Versuch, den Richtern von der Bäumleingasse Willkür nachzuweisen, stiess bei den Bundesrichtern auf taube Ohren.
Das Urteil, das OnlineReports.ch vorliegt, entspricht in groben Zügen jenem, welches das Bundesgericht beinahe gleichzeitig und ebenfalls in einem Rechtsstreit zwischen den BVB und einem Schlosser fällte. Auch dort ging es um die Auslegung desselben Paragrafen, wie die "Basler Zeitung" diese Woche berichtete.
BVB müssen happig nachzahlen
"Die BVB nehmen das Urteil des Bundesgerichts zur Kenntnis und werden den Entscheid entsprechend umsetzen", kommentierte Mediensprecher Benjamin Schmid den höchstrichterlichen Entscheid. Drämmler Fridolin Wagner ist damit wieder (oder noch) im Status des Angestellten, dem die Arbeitgeberin Lohn zahlen muss.
Da die BVB aber seit Oktober 2014 die Lohntüte Wagners nicht mehr füllten, müssen sie nun beinahe drei Jahreslöhne nachzahlen. Dazu kommen auch Beiträge an Sozialversicherungen und Pensionskasse. Gerichts- und Anwaltskosten, die Entschädigungen sowie den ganzen Aufwand in diesem Fall hinzugerechnet, kommt eine Summe in der Grössenordnung von 200 000 Franken zusammen. Das Geld werden die BVB grösstenteils im nächsten Monat locker machen müssen.
Drämmler musste sich verschulden
Unmittelbar nach der erlösenden Mitteilung flatterten bei Wagner die Nerven. Die gesamte Ungewissheit liess nach und schüttelte ihn durch. Als er sich wieder gefasst hatte, konnte er erstmals wieder befreit durchatmen. Er sei froh, dass seine Zukunft wieder gesichert sei, sagte er bereits etwas gelöst zu OnlineReports.ch. "Ich muss das Ganze jetzt erst einmal verarbeiten." Rund drei Jahre musste er ohne Einkommen überbrücken. Seine Ehefrau konnte zwar auch grösstenteils für ihn sorgen, trotzdem musste er sich verschulden. Diese Schulden will er nun als erstes zurückzahlen.
In einem weiteren Schritt müssen sich die Parteien überlegen, wie sie nun miteinander arbeiten. Wagner steht in einem Alter, in dem man sich frühpensionieren lassen könnte. Vorher muss er wieder zur Arbeit erscheinen. Nach mehreren Jahren Abwesenheit kann er aber nicht gleich in einen Führerstand steigen. Die BVB werden ihm eine andere Arbeit zuweisen müssen. In die Karten lassen sich die Parteien nicht blicken, teils zum Schutze des Persönlichkeitsrechtes, teils aus verhandlungstaktischen Gründen. Doch dürfte der Drämmler die Jokerkarte in seinem Blatt haben.
Haben Insider vor Schlappe gewarnt?
Wer die bundesgerichtliche Klatsche intern zu verantworten habe, sei für die BVB nicht zentral, sagte Schmid. Der Entscheid, an das Bundesgericht zu gelangen sei "mit einer rechtlichen Grundlage erfolgt und wir waren überzeugt, dass diese so richtig war". Nun habe das Bundesgericht anders entschieden. Dem Tram- und Bus-Betrieb half auch das Engagement des auf baselstädtisches Arbeitsrecht spezialisierten Anwalts Christoph Meyer nicht.
Insider stellen die Fälle des Drämmlers und des Schlossers in Zusammenhang mit der abrupten Kündigung der ehemaligen Personalchefin und dem erzwungenen Abgang der ehemaligen stellvertretenden Rechtsdienst-Chefin. Beide sollen die Schlappen vorausgesagt und vor den Konsequenzen gewarnt haben.
Mangelndes Sensorium für Arbeiter
Zudem ist für die BVB politisch ausgerechnet ein Sozialdemokrat verantwortlich: Regierungsrat Hans-Peter Wessels. Das mangelnde Sensorium für die Arbeiterschaft ist keine Bestätigung eines sozialdemokratischen Kurses. Für Verwaltungsrat und Geschäftsleitung kommen die beiden Rüffel des obersten Schweizer Gerichtes ebenfalls nicht gelegen, nachdem die Geschäftsprüfungs-Kommission des Grossen Rates kürzlich bereits andere Missstände im Unternehmen angeprangert hatte.
Die Versuche der BVB das Personalgesetz zu ihren Gunsten zu biegen, könnten nun die Basler Politik auf den Plan rufen. Die Anregungen von Appell- und Bundesgericht böten eine Grundlage für politische Vorstösse, um den Paragrafen 34 zu präzisieren. Dass der Gesetzestext so geändert wird, wie das die BVB gerne ausgelegt hätten, darf aber bezweifelt werden. Denn schon bei den damaligen Beratungen gab es keine Wortmeldungen der Politiker in diese Richtung, wie beide Gerichte in ihren Urteilen festhielten.
26. August 2017
Weiterführende Links:
"Regierung und Parlament haben geschlampt"
Da ersticken wir im Kanton Basel-Stadt im Meer von Gesetzen, Ausführungsbestimmungen und Verordnungen, die zunehmend jeden Atemzug administrativ regulieren – und dann ist so etwas wie das eigene Personalgesetz noch nicht mal einem Staatsbetrieb verständlich. (Eigentlich sollte es ein Menschenrecht sein, dass Gesetze jeder Oma verständlich sind!)
Schliesslich ist wohl nicht anzunehmen, dass die Personaldirektion, Geschäftsleitung, Verwaltungsrat, Regierungsrat Wessels und der auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwalt Christoph Meyer auf der Milchsuppe daher geschwommen sind. Sie haben sich – gestützt auf ein von Regierung und Parlament verabschiedetes Gesetz – im Recht gewähnt.
Mit anderen Worten: In erster Linie haben Regierung und Parlament geschlampt, als sie das offensichtlich nicht rechtmässige baselstädtische Personalgesetz formuliert und verabschiedet hatten. Sie sind jetzt gefordert, das umgehend zu ändern und dabei dafür zu sorgen, dass man nicht die Gerichte bis hin zum Bundesgericht benötigt, damit man das Gesetz auch als Nicht-Bundesrichter überhaupt verstehen kann!
Peter Waldner, Basel
"Das ist Wessels wurscht"
Dem obersten politischen Verantwortlichen, Regierungsrat Wessels, ist das vermutlich wurscht, er ist ja jetzt wieder gewählt, nicht auserwählt. Politiker verwechseln das immer gerne und meinen, sie seien auserwählt. Das stimmt zum Glück nicht.
Albert Augustin, Gelterkinden
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